Zwei Frauen regieren Nordrhein-Westfalen:Vorsingen im Duett

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Bei Hannelore Kraft und Sylvia Löhrmann soll es keinen Koch und keinen Kellner mehr geben. Warum das enge Verhältnis der beiden Frauen an der Spitze von Nordrhein-Westfalen so wichtig ist.

Bernd Dörries, Düsseldorf

Hannelore Kraft und Sylvia Löhrmann werden dieser Tage oft gefragt, was das denn bedeute, das mit den zwei Frauen in den wichtigsten Positionen. "Es geht zwischen Frauen einfacher. Da redest du in einer Minute ernsthaft über den Afghanistan-Krieg und gleich danach darüber, warum du in deiner Handtasche nie etwas findest", sagte Hannelore Kraft neulich. So kann man es auch sehen.

Hannelore Kraft und Sylvia Löhrmann haben ein enges Verhältnis. Und so soll es keinen Koch mehr geben und keinen Kellner. (Foto: rtr)

Beide wollen aber auch kein zu großes Ding draus machen aus ihrem Frausein. sie wissen, wie schnell sich alles ändern kann. Wie überraschend man die Macht haben kann und plötzlich auch wieder nicht.

Als nach der Landtagswahl vom 9. Mai um eine neue Regierung gerungen wurde, schauten alle auf Kraft und warteten, wie sie sich entscheiden würde, warteten auf Fehler, sahen ihr Zögern und die scheinbare Entschlossenheit von Löhrmann. Die wird nun schon als der stärkere Part der beiden beschrieben, als heimliche Ministerpräsidentin. Auch manche bei den Grünen werden gerade ein wenig überschwänglich. Im Binnenverhältnis zwischen den beiden spielen solche Rangkämpfe bisher keine große Rolle.

Im Gegenteil, es soll nicht wieder so kommen, wie es oft war zwischen SPD und Grünen, in Nordrhein- Westfalen und im Bund. Es soll diesmal keinen Koch mehr geben und keinen Kellner. Sachfragen sollen nicht zu Machtfragen werden, das ist die goldene Regel der beiden. Man begegne sich auf Augenhöhe, sagt Löhrmann, sie weiß aber auch, dass ihre Partnerin Kraft "die Hauptlast zu tragen" habe in diesem Bündnis. Die Grünen haben nicht viel zu verlieren, würden bei Neuwahlen wohl wieder gut abschneiden.

Wie lange die Minderheitsregierung in NRW hält, hängt auch vom Verhältnis der beiden Spitzenfrauen ab. Sie kommen beide aus dem Ruhrgebiet, haben die direkte Ansprache des Potts, kommen aber doch aus unterschiedlichen Welten. Kraft als Tochter der sogenannten einfachen Leute, Löhrmann, die eher dem Bildungsbürgertum entstammt. Sie besuchte das Mädchengymnasium Beatae Mariae Virgines und wurde Oberstudienrätin an der Gesamtschule Solingen. Die linke Folklore mancher Grünen ging ihr schon früher völlig ab, sie sei Rainer Barzel näher gestanden als Willy Brandt, sagte sie einmal.

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Zum ersten Mal steht eine Frau an der Spitze des bevölkerungsreichsten Bundeslandes: Hannelore Kraft wurde im zweiten Wahlgang zur Ministerpräsidentin von Nordrhein-Westfalen gewählt. Der Wahltag in Bildern.

Wie Kraft hat Löhrmann eine schnelle Karriere hingelegt in der Partei, ist relativ zügig nach oben gekommen, weil Grüne wie SPD im Umbruch waren. Bei beiden sieht der Lebenslauf recht klar aus, immer einfach war es deshalb nicht. Löhrmann rückte 1995 in den Landtag nach und stand lange im Schatten von Bärbel Höhn und Michael Vesper, die damals an der Regierung waren.

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Ausgeschlossen, dass sie etwas ausschließt: Hannelore Kraft hat es zur Ministerpräsidentin der ersten Minderheitsregierung Deutschlands geschafft. Nun ist sie auch noch die erste Bundesratspräsidentin. Ein Porträt in Bildern.

1999 wurde sie Fraktionschefin und erarbeitete sich den Ruf, alle Details zu kennen und auch die Befindlichkeiten ihrer Abgeordneten. Gelobt werden ihre pädagogischen Fähigkeiten als Betriebspsychologin. Löhrmann ist gläubig, was man auch nicht so oft hört bei den Grünen. Wenn man sie nach ihrer Zugehörigkeit zu den Lagern fragt, dann sagt Löhrmann, sie sei der Strömung "Genuss und Vernunft" zuzurechnen. Ein schönes Essen, ein guter Wein. Ihre Sachlichkeit und Vernunft wird gefragt sein in der Regierung.

Jetzt also ist Kraft Ministerpräsidentin und Löhrmann ihre Stellvertreterin und Schulministerin. Und vielleicht kam diese Regierung nur zustande, weil zwei Frauen an der Spitze der beiden Fraktionen standen. "Anders als Männer", so Kraft, "haben Frauen nicht dauernd Angst vor dem Gesichtsverlust."

© SZ vom 15.07.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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