Zaríf, Merkel, Weißhelme:Die Favoriten des Friedensnobelpreises

Unter den diesjährigen Kandidaten - darunter Kanzlerin Merkel - sind einige umstritten. Besonders dem US-Präsidenten dürfte der eine oder andere nicht gefallen.

Von Baran Datli

Mohammad Dschawad Zarif und Federica Mogherini

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(Foto: dpa)

Status: Brückenbauer zwischen dem Westen und Iran Wofür sie den Preis erhalten würden: Nach jahrelangen Bemühungen haben die EU-Vertreterin für Außen- und Sicherheitspolitik und der iranische Außenminister im Sommer 2015 einen Atomdeal ausgehandelt. Dieser soll sicherstellen, dass die Islamische Republik Iran ihr Nuklearprogramm nur für friedliche Zwecke nutzt. So ist es der internationalen Gemeinschaft gelungen, eine Bedrohung des Weltfriedens durch Diplomatie zu lösen. Wie die Chancen stehen: Auf der Favoritenliste von Kristian Berg Harpviken, Direktor des Osloer Friedensforschungsinstituts, stehen die beiden ganz weit oben. Donald Trump sieht in Iran einen der größten Feinde des Westens. Die Auszeichnung wäre ein klares Signal an den US-Präsidenten, der das Abkommen aufkündigen will, dass sich Frieden nur durch Diplomatie schützen lässt.

Angela Merkel

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(Foto: AFP)

Status: Anwältin der Flüchtlinge Wofür sie den Preis erhalten würde: Ihre Flüchtlingspolitik hat Angela Merkel weltweit zu einer Symbolfigur für den menschlichen Umgang mit den Notleidenden gemacht. Im Ausland erntete sie dafür Lob. Der frühere US-Präsident Barack Obama dankte ihr persönlich beim UN-Flüchtlingsgipfel in New York dafür, "das Richtige zu tun". Ihr Engagement sei ein essentieller Beitrag zum Weltfrieden. In Deutschland hingegen hat ihr Ruf als "Flüchtlingskanzlerin" einen negativen Klang. Obwohl sie aus der Bundestagswahl als Siegerin hervorging, liefen viele Wähler der rechtspopulistischen AfD zu. Kritiker sehen darin ein Scheitern ihrer Flüchtlingspolitik. Wie die Chancen stehen: Merkel war bereits in den vergangenen Jahren für den Friedensnobelpreis nominiert. Im Vergleich zu 2016 räumen ihr die Buchmacher höhere Chancen ein. Doch Online-Wettbüros sehen den Zeitpunkt als verfrüht an. Denn wie die Fälle der Preisträger von 2009 (Barack Obama) und 1991 (die burmesische Menschenrechtsikone Aung San Suu Kyi) zeigen, kann die bedeutungsschwere Auszeichnung für amtierende Politiker auch eine Bürde sein. Vorstellbar sei sie eher nach Ende ihrer Amtszeit.

Die Weißhelme

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(Foto: dpa)

Status: Lebensretter in Syrien Wofür sie den Preis erhalten würden: Tausende zivile Freiwillige der Organisation "Syria Civil Defence" retten täglich unter hohem Risiko Verwundete im syrischen Bürgerkrieg, bergen Tote und leisten medizinische Nothilfe. Wegen ihrer Kopfbedeckung werden sie "Weißhelme" genannt. Wie die Chancen stehen: Die Helfer zählen eindeutig zu den Favoriten. International bekommen sie viel Aufmerksamkeit, im vergangenen September gewannen sie bereits den Alternativen Nobelpreis. Hollywood-Stars wie Georg Clooney und Ben Affleck unterstützen die Lebensretter. Bei der Oscar-Verleihung 2017 standen sie wieder im Fokus. Die Jury zeichnete die im letzten Jahr veröffentliche Dokumentation "The White Helmets" als besten Dokumentar-Kurzfilm aus. Vor allem Unterstützer des Assad-Regimes behaupten allerdings, die Weißhelme seien keineswegs neutrale Lebensretter, sondern eine Organisation mit Verbindungen zu Terrororganisationen.

Papst Franziskus

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(Foto: dpa)

Status: Katholischer Hoffnungsträger der Armen Wofür er den Preis erhalten würde: Mit seiner klaren Haltung zum Klimaschutz, zur Armutsbekämpfung und zur Unterstützung von Flüchtlingen hat der oberste Vertreter der Katholiken Respekt und Anerkennung weit über die Kirche hinaus gewonnen. In die internationale Politik mischt sich Franziskus stärker ein als sein Vorgänger Benedikt XVI. Eine zentrale Rolle soll der Papst bei der Annäherung zwischen den USA und Kuba gespielt haben. Wie die Chancen stehen: Franziskus galt schon in den vergangenen drei Jahren als aussichtsreicher Kandidat. In der Flüchtlingskrise hat er deutliche Worte gefunden. Sollte das Nobelkomitee Engagement in diese Richtung auszeichnen wollen, gäbe es allerdings noch andere Kandidaten, die konkretere Hilfe geleistet haben.

UNHCR und Filippo Grandi

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(Foto: AP)

Status: Flüchtlingshelfer Wofür sie den Preis erhalten würden: Die UN-Flüchtlingshilfe gewann zweimal den Friedensnobelpreis, das letzte Mal 1981. Kürzlich zeigte die Vertreibung der muslimischen Rohingya aus Myanmar, wie wichtig die Arbeit des Hohen Flüchtlingskommissars Filippo Grandi (im Bild) ist. Die vergangenen Jahre sind gezeichnet von Migrations- und Fluchtbewegungen. Mehr als 65 Millionen Menschen wurden allein 2016 weltweit vertrieben. Mehrere europäische Staaten haben die Einreise in ihre Länder erschwert. Die USA haben ihr Flüchtlingsprogramm gekürzt und ein Einreiseverbot für mehrere muslimische Länder verhängt. Die Arbeit Grandis wird dadurch nicht leichter. Wie die Chancen stehen: Filippo Grandi ist die Stimme der Flüchtlinge in der Welt. Erst kürzlich redete er auf Aung San Suu Kyi, die De-facto-Regierungschefin von Myanmar, ein, damit die Gewalt gegen die muslimische Minderheit endet. Ein Friedensnobelpreis für ihn wäre auch eine Anerkennung des Leides, das Flüchtlinge weltweit zu erdulden haben.

"Cumhuriyet" und Can Dündar

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(Foto: REUTERS)

Status: Verfechter der Pressefreiheit Wofür er den Preis erhalten würde: In einer Zeit, in der es gefährlich ist, in der Türkei als Journalist zu arbeiten, kritisierte Can Dündar weiter offen die AKP-Regierung. Der Kolumnist und Chefredakteur der republikanischen Zeitung Cumhuriyet bezichtigte Recep Tayyip Erdoğan der Korruption und Kriegstreiberei. Einer seiner letzten Artikel deckte Waffenlieferungen der Türkei an die Terrormiliz "Islamischer Staat" auf. Erdoğan ließ den Journalisten festnehmen und wegen Verrats von Staatsgeheimnissen und Unterstützung des Terrors anklagen. Dass Dündar nach Deutschland fliehen musste, zeigt die ernste Lage der türkischen Pressefreiheit. Wie die Chancen stehen: Für das norwegische Friedensforschungsinstitut Prio gilt Dündar als möglicher Gewinner. Die Buchmacher hingegen berücksichtigen ihn nirgends, obwohl er 2015 und 2016 die viele internationale Preise für Pressefreiheit gewann. Seit Juli stehen insgesamt 17 Mitarbeiter der Cumhuriyet vor Gericht. Die Auszeichnung könnte ihr Verfahren in den Fokus der Weltöffentlichkeit rücken und die Presse in der Türkei stärken.

Raif Badawi

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(Foto: dpa)

Status: Saudischer Blogger für die Freiheit Wofür er den Preis erhalten würde: Badawi gründete 2008 die Website "Free Saudi Liberals", um sich für die Meinungsfreiheit in dem autokratischen Königreich einzusetzen. Dabei schreckte er auch nicht davor zurück, heikle Themen wie die in der Monarchie extrem rigide Auslegung des Islams anzusprechen. Die Reaktion war drastisch: 2012 wurde Badawi inhaftiert und später zu 1000 Peitschenhieben verurteilt. Noch immer sitzt er im Gefängnis. Wie die Chancen stehen: Glaubt man den Wettforen, wird Badawi nicht der nächste Friedensnobelpreisträger. Allerdings erhielt der Aktivist vor zwei Jahren bereits den Sacharow-Preis für geistige Freiheit des Europäischen Parlaments.

Die American Civil Liberties Union (ACLU)

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(Foto: picture alliance/AP Photo)

Status: Vorkämpfer für Bürgerrechte Wofür sie den Preis erhalten würden: Seit etwa 100 Jahren setzt sich die Bürgerrechtsorganisation für Gleichberechtigung, Meinungsfreiheit und gegen Polizeibrutalität ein. Mit der Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten ist sie ins Scheinwerferlicht gerückt. Nur zwei Tage nach der Vereidigung Trumps gingen bei der Nichtregierungsorganisation 24 Millionen Dollar an Spenden ein. In den darauffolgenden Monaten verdoppelte sich ihre Mitgliederzahl auf mehr als eine Million Mitglieder. Die ACLU beschreibt Trump als "Ein-Mann-Verfassungskrise", die es zu bekämpfen gilt. Vor allem für die Black-Lives-Matter-Bewegung organisierte die ACLU landesweite Proteste. Wie die Chancen stehen: Unter den fünf aussichtreichsten Kandidaten zählt die ACLU zum unwahrscheinlichsten Gewinner. Sollte die Organisation den Friedensnobelpreis gewinnen, wäre das ein Schlag für Trump.

Edward Snowden

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(Foto: Christian Charisius/dpa)

Status: US-Whistleblower im Exil Wofür er den Preis erhalten würde: Edward Snowden ist ehemaliger Mitarbeiter des amerikanischen Geheimdienstes NSA. Er gab strenggeheime Dokumente an Medien weiter und löste dadurch eine weltweite Debatte über Datenschutz und staatliche Überwachung aus. Die USA erließen daraufhin Gesetze, die zumindest ihre eigenen Staatsbürger besser schützen sollen. Für diesen Erfolg zahlt Snowden bis heute einen hohen Preis: Er lebt im russischen Exil und wird als Whistleblower strafrechtlich verfolgt. Wie die Chancen stehen: Snowden ist nicht zum ersten Mal unter den Kandidaten. Die Vergabe des Preises an ihn wäre ein Affront gegenüber der US-Regierung, die Snowden als Verräter betrachtet. Spannungen mit Oslo wären wohl die Folge. Fraglich, ob das vom norwegischen Parlament ernannte Nobelkomitee tatsächlich den diplomatischen Eklat provozieren will. Die Buchmacher geben ihm nur eine geringe Chance.

Nadia Murad

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(Foto: dpa)

Status: Menschenrechtsaktivistin gegen den Sklavenhandel des IS Wofür sie den Preis erhalten würde: Neu auf der Favoriten-Liste ist Nadia Murad. Schergen der Terrormiliz Islamischer Staat nahmen die damals 19-Jährige in ihrer Heimat Sindschar im Irak gefangen und verkauften sie als Sexsklavin. Nach ihrer Flucht nach Deutschland machte sie sich einen Namen als Menschenrechtsaktivistin und wurde zum Symbol für das Leid der jesidischen Frauen. Die UN ernannten sie zur Botschafterin gegen den Menschenhandel. Murad hat bereits vergangenes Jahr zwei Preise gewonnen: Den Václav Havel-Preis und den Sacharow-Preis. Wie die Chancen stehen: Murad könnte dieses Jahr doppelt Grund zur Freude haben. Sie könnte den Friedensnobelpreis genau in dem Jahr gewinnen, in dem die Herrschaft des IS in Syrien und dem Irak deutliche Risse bekommen hat.

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