sueddeutsche.de: Dann wissen Sie sicherlich auch noch, wo Sie am Abend des 9. November 1989 waren, als die Mauer fiel.
Naidoo: Ehrlich gesagt: Das kann ich nicht mehr genau sagen. Allerdings bin ich mit meiner Clique ein paar Tage später schon rüber gefahren, in die DDR.
sueddeutsche.de: Mit einem bestimmten Ziel?
Naidoo: Nach Chemnitz, damals noch Karl-Marx-Stadt. Dort bin ich mit meinem neuen Führerschein und meinem alten Polo gleich in ein Schlagloch gefahren. Ich war fassungslos: Mitten in Chemnitz befand sich ein Loch von der Größe eines Autos und es war nicht abgesperrt. (lacht) Gemeinsam mit Chemnitzer Freunden haben wir dann Partys veranstaltet - wir haben die Wiedervereinigung schon etwas vorgezogen.
sueddeutsche.de: Inzwischen grassiert gerade in Ostdeutschland der Rechtsextremismus.
Naidoo: Alle wissen, dass es der Frust ist, der den Rechten Zulauf beschert. 20 Jahre nach der Wende überzeugen Worte allein nicht mehr, da ziehen nur Taten. Es reicht eben nicht, Autobahnen zu bauen und von blühenden Landschaften zu reden, es müssen auch Menschen gefördert werden. Wer kümmert sich denn um die frustrierten Jugendlichen im Osten? Fast nur rechte Vereinigungen. Viele Ostdeutsche fühlen sich verlassen und vergessen. Da muss man sich nicht wundern, dass die Leute radikal werden und wählen.
sueddeutsche.de: Vor allem die NPD hat Erfolg. Die Partei sitzt inzwischen in zwei ostdeutschen Landtagen. Sollte die Partei verboten werden?
Naidoo: Ich glaube nicht, dass das Sinn machen würde. Was haben die denn bislang politisch schon geschafft, außer sich gegenseitig zu zerfleischen? Man macht rechte Parteien nur stärker, indem man sie verbieten lassen will.
sueddeutsche.de: Sie engagieren sich mit der Gruppe "Brothers Keepers" gegen Rassismus und Fremdenhass. Planen Sie weitere Engagements?
Naidoo: Wir versuchen im Kleinen etwas zu bewirken und in Städten zu spielen, die durch rechtsextremistische Ausbrüche in der Vergangenheit besonders verschrien sind wie Hoyerswerda. Wir wollen damit den guten Leuten Mut machen. Die Rechten sind in der Minderheit.
sueddeutsche.de: Aber die Extremisten prägen das Bild...
Naidoo: ...was auch an euch Medienleuten liegt. Journalisten zeigen den Krawall und nicht diejenigen, die friedlich leben wollen. Und die Auslandsmedien berichten lieber über ein Deutschland mit rechten Parolen. Wann sieht oder liest man denn schon mal von den couragierten Bürgermeistern, die ihre Orte von rechten Tendenzen frei halten? Der wahre Osten kommt kaum in den Medien vor.
sueddeutsche.de: Immerhin sitzt eine Ostdeutsche im Bundeskanzleramt. Das müsste Sie doch eigentlich freuen, oder?
Naidoo: Frau und aus dem Osten - das mag einerseits erfreulich klingen. Aber andererseits hat Angela Merkel das Treiben der Männer um sie herum nicht durchschaut. Ihre weibliche Intuition hat sie nicht dazu gebracht, den Typen in den Landesbanken, den Wirtschaftsbossen und Bankenmanagern auf die Finger zu hauen. Wenn Frau Merkel das alles wirklich nicht gesehen hat, dann ist sie offenbar nicht fähig, ihren Job zu machen. Sie regiert seit 2005 unser Land, da war Zeit genug, etwas zu tun. Ich bin maßlos enttäuscht von der Frau.
sueddeutsche.de: Das hört man Ihrem aktuellen Album an. Da nennen Sie die CDU "korrupt", Sie singen davon, dass Merkel und "Unfriede" Springer "Wahlkampfdinger" drehten. Was haben Sie gegen die Kanzlerin und die Union?
Naidoo: Der Korruptionsvorwurf bezieht sich vor allem auf die Ära Kohl, da war Merkel immerhin schon Ministerin, Schäuble war Strippenzieher in der Partei. Was mich an der Union besonders stört, ist die Tatsache, dass gerade eine Partei, die sich christlich nennt, die Zockerei an den Finanzmärkten gefördert hat. Deshalb sollte die CDU ihr C aus dem Namen streichen. Sie macht ebenso wenig christliche Politik wie George W. Bush.
sueddeutsche.de: Das freie Spiel der Finanzkräfte haben auch andere Parteien gefördert.
Naidoo: Meine Kritik richtet sich an alle Politiker, die in Bund und Ländern Regierungsverantwortung tragen. Sie haben diese Krise und die Auswirkungen auf unser Land mit möglich gemacht. Aus Gier haben sie den Landesbankchefs freie Fahrt gelassen. Alle wussten, dass das ein Spiel mit dem Feuer ist. Man kann doch nicht mit dem Geld des Staates ins Casino gehen, um seine Finanzen aufzubessern. Sie hatten alle Dollarzeichen in den Augen. Deutsche Banker dachten, sie könnten in Amerika den Rahm abschöpfen - dabei sind sie den Hütchenspielern aufgesessen.