Wirtschaftsminister in der Kritik:Problembär Brüderle

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"Da wünscht man sich ja fast den Glos zurück": Wirtschaftsminister Brüderle frustriert mit seinen Gesetzesplänen und gibt voreilige Erklärungen ab. Der Unmut in der Koalition wächst.

S. Braun und T. Öchsner, Berlin

Man weiß bis heute nicht, ob er wusste, was er da tat. Aber man weiß inzwischen sehr genau, was er damit auslöste. Als Rainer Brüderle, Deutschlands Wirtschaftsminister, in der vergangenen Woche durch Brasilien reiste, hatte er zwar viel gesehen und viel zu sagen über das große aufstrebende Riesenland in Südamerika.

Rainer Brüderle nannte seinem Vorvorgänger Michael Glos spöttisch "Problembär". Nach einem halben Jahr drängt sich nun bei manchen in der Koalition der Eindruck auf, dass dieser Begriff durchaus auch auf Brüderle selbst passt. (Foto: Foto: AP)

Mit einem Ohr aber horchte Brüderle stets auch nach Deutschland. Immerhin wurde daheim in Berlin gerade heftig darüber verhandelt, wie die finanzielle Rettung Griechenlands aussehen könnte. Brüderle war nicht dabei, wollte aber dazugehören. Da verstand es sich fast schon von selbst, dass er viel über den Atlantik hinweg telefonierte.

Und tatsächlich, das Handy übermittelte sehr heiße Informationen über die noch geheimen Pläne und Größenordnungen. Und weil die mitreisenden Journalisten den Minister auch im fernen Brasilien wieder und wieder um Zahlen baten, sagte er nur wenig verklausuliert, dass Griechenland nach seinen Informationen dreimal 45 Milliarden Euro benötige.

Eine Information, die nicht in Brasilien blieb, sondern in Sekundenschnelle Deutschland erreichte. Er wollte das wahrscheinlich nicht, aber die Nachricht explodierte wie eine Bombe.

Denn während Brüderle in Brasilien sein Image als Plauderfreund stärkte, bemühte sich die Regierung in Berlin sehr darum, zu diesem Zeitpunkt noch keinerlei Zahlen nach draußen zu tragen. Umso größer war der Zorn bis hinauf ins Kanzleramt.

Einer, der die Kanzlerin an diesem Donnerstagnachmittag miterlebte, kommt im Rückblick zu dem Ergebnis, dass Brüderle viel Glück hatte. Glück nämlich, dass er der FDP angehört. Hätte er ein CDU-Parteibuch, dann wäre er nach dieser Darstellung am Donnerstag der vorigen Woche Gefahr gelaufen, von der Kanzlerin entlassen zu werden.

Nun mag dieses Bild ein klein wenig übertrieben sein. Sicher ist, dass alle in der Koalitionsspitze die Hände über dem Kopf zusammenschlugen, als sie von Brüderle aus Brasilien hörten. Ein Wirtschaftsminister, der in einer höchst gefährlichen Finanzkrise so leichtfertig handelt - das hat sie alle geärgert.

Als sein Vorvorgänger Michael Glos im Frühjahr 2006 ein halbes Jahr im Amt war, gab ihm Brüderle spöttisch den Spitznamen "Problembär". Nach einem halben Jahr drängt sich nun bei manchen in der Koalition der Eindruck auf, dass dieser Begriff durchaus auch auf Brüderle selbst passt.

Elf Jahre lang hatte der frühere rheinland-pfälzische Wirtschaftsminister als FDP-Abgeordneter in Berlin darauf gewartet, seinen Traumjob zu ergattern. Die Erwartungen vor seinem Amtsantritt gingen weit auseinander. Nicht wenige mutmaßten schon damals, Brüderle könnte ein zweiter Fall Glos werden.

Brüderle weiß, wovon er spricht

In der CDU bis hinein ins Kanzleramt waren mit dem Namen Brüderle dagegen große Hoffnungen verbunden. Hoffnungen, die in krassem Gegensatz zur Unzufriedenheit der Koalitionsspitze mit Brüderles aktuellem Auftreten stehen. Nicht wenige auch im Umfeld von Kanzlerin Merkel haben in Brüderle einen Stabilisator der Koalition gesehen, weil sie ihn für einen unideologischen, undogmatischen Politiker hielten, der auch als Brücke zum FDP-Vorsitzenden Guido Westerwelle dienen könnte.

Positiv ist Brüderle aber bislang eher durch seine Detailkenntnis aufgefallen. Der FDP-Politiker, der sich für seine Partei jahrelang um die Wirtschaftspolitik gekümmert hat, weiß - anders als Glos - in der Regel genau, wovon er spricht.

So war es auch am Dienstag, als er das "Exporttelefon" des Wirtschaftsministeriums vorstellte. Brüderle nahm selbst für eine Viertelstunde den Hörer ab und sprach mit Unternehmern über die Rolle der deutschen Außenhandelskammern, das "Auslandsbeteiligungsmesseprogramm" oder Hermesbürgschaften, ohne sich eine Blöße zu geben.

Er ist dann freundlich und bestimmt, nicht ohne einen der typischen Brüderle-Sprüche ("und verdienen Sie ordentlich Geld dabei") zu vergessen. Es sind die Momente, in denen der Minister am überzeugendsten ist: Wenn er mit Menschen reden, auf sie zugehen, spontan reagieren kann. Dann wirkt er sympathisch und ist gelegentlich sogar für einen Kalauer gut, der nicht an Altherrenwitze erinnert ("Wer auf den Lorbeeren sitzt, trägt sie an der verkehrten Stelle.")

"Total inhaltsleeres Geplapper"

Die Schlagfertigkeit, für die Brüderle als Oppositionspolitiker bekannt war, ließ er in seinen Reden als Regierungsmitglied bislang jedoch vermissen. Auch kürzlich wieder, als er im Bundestag eine Regierungserklärung zur Wirtschaftspolitik abgab.

Der Minister sprach über den Abbau von Bürokratie und Subventionen, über den Beitrag der Genforschung gegen den Hunger, das schnelle Internet, über dies und das. Aber er wirkte dabei selbst gelangweilt, während er vom Blatt ablas.

Was seine Agenda ist, womit er seine Politik bis 2013 prägen will, blieb im Ungefähren. Von der Opposition erntete er deshalb nichts als Häme. "Das war ein total inhaltsleeres Geplapper", rief Grünen-Fraktionschefin Renate Künast. Und SPD-Fraktionsvize Hubertus Heil pflichtete bei: "Da wünscht man sich ja fast den Glos zurück."

Gravierende Bedenken

Brüderle ist allerdings nicht nur wegen solcher Auftritte in die Kritik geraten. Auch sein wohl wichtigstes Vorhaben in dieser Legislaturperiode, das Entflechtungsgesetz, drohte zunächst zum Flop zu werden. Erst liefen die Wirtschaftsverbände gegen den Plan Sturm, dass das Kartellamt künftig große Konzerne mit zu großer Marktmacht zerschlagen kann.

Dann meldeten gleich mehrere Ministerien gravierende Bedenken an, bevor das Gesetz überhaupt in die Abstimmung mit den anderen Ressorts gelangte. Und selbst ein Parteifreund, Gesundheitsminister Philipp Rösler, monierte, das Gesetz könnte auch Kliniken und Krankenkassen treffen.

In Brasilien hat der Wirtschaftsminister geredet, obwohl er besser geschwiegen hätte. In Zukunft muss Brüderle beweisen, dass er zum richtigen Zeitpunkt das Richtige sagt, um wieder mehr Vertrauen bei der Kanzlerin zu gewinnen.

© SZ vom 05.05.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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