Wikileaks: Iran:"Ahmadinedschad ist Hitler"

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Nach außen solidarisch, nach innen kriegstreiberisch: Mit drastischen Worten haben arabische Staatsmänner auf einen Angriff auf Irans Atomanlagen gedrängt.

Gökalp Babayigit

"Ahmadinedschad ist Hitler" - dieses Zitat ist nicht von einem radikalen israelischen Zionisten. Abu Dhabis Kronprinz Mohamed bin Zayed hat das gesagt, wie aus den "Cables" der US-Regierung hervorgeht.

Ob die Presse noch einmal Gelegenheit haben wird, diese beiden Staatsmänner beim herzlichen Händeschütteln zu fotografieren, scheint fraglich: Saudi-Arabiens König Abdullah (rechts) begrüßte im November 2007 Irans Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad in Riad. Jetzt wurde bekannt, dass der König zu den eifrigsten Verfechtern eines Militärschlags gegen Iran ist. (Foto: AFP)

Dabei steht das Zitat nur sinnbildlich für das, was im big picture der Nahost-Diplomatie nach der Veröffentlichung Hunderttausender vertraulicher Memos bei Wikileaks und in der New York Times sowie anderen internationalen Medien nun sehr genau zu sehen ist: Die Iraner, so die einhellige Meinung der anderen Akteure im Nahen Osten, müssten gestoppt werden. Koste es, was es wolle. Und ja: Damit sind auch und vor allem Militärschläge gemeint. Am liebsten natürlich ausgeführt von den Amerikanern.

Dass muslimischen Staaten wie Saudi-Arabien, Jordanien und Bahrain das Atomprogramm Teherans seit jeher ein Dorn im Auge war, ist kein Geheimnis. In diesem Punkt sind sie selbst mit den sonst so verhassten Israelis einer Meinung. Mit welcher Vehemenz sich ihre offiziellen Vertreter für militärische Optionen aussprechen und dabei mit den Falken aus Jerusalem und Washington konkurrieren, verblüfft mitunter. Außenpolitik-Experte und The-Atlantic-Autor Jeffrey Goldberg, der bereits im Sommer anmerkte, dass die sunnitischen Araber einen Schlag gegen das schiitisch regierte Teheran insgeheim gutheißen würden, kommentierte süffisant: "Die Saudis und Bahrain sind unter die Neocons gegangen."

In der Tat finden sich manche Zitate, die selbst einem Donald Rumsfeld kurz nach 9/11 nicht eingefallen wären - und in denen die genuine Angst vor einem Mullah-Regime mit Atombomben stets greifbar ist.

Der "Schlange" Iran müsse der Kopf abgeschlagen werden, wird der mächtige Herrscher Saudi-Arabiens, König Abdullah, zitiert. "Das Programm muss gestoppt werden", fordert Bahrains König Hamad - am besten mit militärischen Mitteln. Das Atomprogramm weiterlaufen zu lassen sei gefährlicher als es zu stoppen. "Bombardiert Iran - oder lebt mit der iranischen Bombe", sagt der damalige jordanische Parlamentspräsident Zeid Rifai. "Sanktionen, Zuckerbrot und Lockmittel werden nichts bringen."

Und Abu Dhabis Kronprinz Mohamed bin Zayed stellt Ahmadinedschad nicht nur mit Hitler in eine Reihe, wenn er das vermeintliche Appeasement der westlichen Staatengemeinschaft gegenüber Iran kritisiert. Er urteilt auch folgendermaßen über Irans Präsidenten: "Ich glaube, der Kerl bringt uns den Krieg. Es ist nur eine Frage der Zeit. Ich persönliche würde kein Risiko eingehen bei einem Kerl wie Ahmadinedschad. Er ist jung und aggressiv."

Frustrierend für die Amerikaner

2005 hatte sich bin Zayed schon für einen Krieg gegen Iran ausgesprochen - "in diesem Jahr oder im nächsten". Er wurde enttäuscht, genauso wie der saudi-arabische König Abdullah, der im selben Jahr die Amerikaner beinahe aufforderte, Iran anzugreifen.

Die Offenheit dieser Aussagen belegt, wie ernst es den arabischen Staaten ist, Teheran von der Bombe abzuhalten und so einen Rüstungswettlauf in der Region zu unterbinden. König Abdullah ließ wissen, dass nicht zuletzt auch Saudi-Arabien nach der Bombe greifen würde, sobald Iran Nuklearwaffen hat.

Der Haken für die Amerikaner ist, dass kein befreundeter muslimischer Staat öffentlich so eindeutig Partei ergreifen kann oder würde, ohne mit ernsthaften innenpolitischen Problemen rechnen zu müssen. Frustrierend für die Amerikaner - innenpolitisch aber nachvollziehbar. Nach der Veröffentlichung der Memos werden die arabischen Staaten mit Demonstrationen der Bevölkerung rechnen müssen. Wie groß der Unmut auf den Straßen sein wird, zeigt sich in den nächsten Tagen. Wie der Dialog zwischen arabischer Welt und Iran wieder aufgenommen werden könnte, in den nächsten Monaten.

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Auch die Haltung der Amerikaner und Israelis zu einem militärischen Einsatz gegen Irans Atomanlagen ist nach der Publikation der "Cables" in einem anderen Licht zu sehen. Vielleicht waren es die durchwachsenen Erfolge im Irak und in Afghanistan, die Verteidigungsminister Gates sehr nüchtern über die Erfolgsaussichten eines Militärschlages zur Vernichtung iranischer Atombestreben urteilen ließen.

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Bei einem Mittagessen mit dem damaligen französischen Verteidigungsminister Hervé Morin am 12. Februar dieses Jahres nahm er eine beinahe fatalistische Haltung ein. Jeder Schlag könne die iranischen Pläne nur um ein bis drei Jahre verzögern, während die iranische Bevölkerung für immer und ewig vereint wäre in ihrer Verbitterung gegenüber dem Angreifer. Nicht nur Atlantic-Autor Jeffrey Goldberg wird sich überrascht zeigen über die Eindeutigkeit, mit der Gates den Sinn eines Einsatzes gegen Iran in Frage stellt. "Ich sage nicht, dass unwahr ist, was Gates gesagt hat. Ich bin nur verblüfft, wie jemand eine so definitive Schlussfolgerung abgeben kann."

Ehe die Kampfpiloten ihre Einsatzbefehle erhalten, wollten die Amerikaner aber auf diplomatischem Wege zum Erfolg kommen, wie aus den Dokumenten ebenfalls hervorgeht. Die Gunst der Russen und Chinesen galt es zu gewinnen. Und die Obama-Regierung hat für beide Mächte, deren Zustimmung im Weltsicherheitsrat der UN unabdingbar ist, um Sanktionen gegen Iran durchzusetzen, einige Anreize geschaffen.

Das aus Zeiten von George W. Bush stammende Raketenabwehrprogramm für Osteuropa wurde sehr schnell kassiert, um den Russen zu gefallen. Den Chinesen sollte geholfen werden, von den Energiereserven Irans unabhängig zu werden. Dazu brachte man saudische und chinesische Delegationen zusammen. Peking sollte die zuverlässige Belieferung mit saudischem Öl Lockmittel genug sein, um kommende Sanktionen gegen Iran mitzutragen. Fest steht: Die Veröffentlichung der internen Memos wird diese diplomatische Arbeit weiter verkomplizieren.

Gar nicht kompliziert zu deuten scheinen die "Cables" für das iranische Fernsehen zu sein. Der staatlich gelenkte Sender PressTV urteilt: "Analysten glauben, dass die kürzlich publizierten Dokumente ein geschickt orchestrierter Plan der US-Geheimdienste sind, mit dem von den innenpolitischen Problemen der USA abgelenkt, die Situation in der Region durcheinandergebracht und die Grundlage für einen Militärschlag gegen Iran gelegt werden soll."

Selbstverständlich ist in der Mitteilung von PressTV ausschließlich von dem "friedlichen Atomprogramm" die Rede. Was Iran wirklich im Schilde führt, darüber geben die Memos freilich keinen Hinweis. Sichtbar wird nur die Ratlosigkeit - und die Befürchtung. "Jede Kultur, die geduldig und konzentriert genug ist, um jahrelang an einem einzigen Teppich zu arbeiten, ist auch dazu fähig, Jahre oder Jahrzehnte darauf zu warten, etwas noch Größeres zu erreichen", urteilt Abu Dhabis Kronprinz bin Zayed.

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