Eine Botschaft kann auch ein Gefängnis sein, selbst wenn man einst freiwillig dorthin gegangen ist.
Seit Juni 2012 sitzt Julian Assange in der ecuadorianischen Botschaft im Londoner Stadtteil Knightsbridge fest. Die diplomatische Vertretung liegt gegenüber dem Kaufhaus Harrods, Apartment 3b. Eigentlich ist die Botschaft nur eine mittelklassige Altbauwohnung mit zugemauertem Kamin.
Die Damentoilette wurde für Assange zum Schlafzimmer umgebaut, sein Wohn-und Arbeitszimmer ist etwa 16 Quadratmeter groß. Ein Schreibtisch, ein Ledersofa, ein Kaffeetischchen. Überall liegen seine Prepaid-Handys herum und auch zahlreiche Netbooks. Ein halbes Dutzend Geräte, mindestens. Nachts kann er kaum schlafen, denn Harrods wird dann beliefert.
Assange kostet die Briten Millionen
Seit dem ersten Besuch bei Assange im Sommer 2012 hat sich äußerlich wenig verändert. Vor dem Gebäude haben allenfalls noch mehr Polizisten Stellung bezogen. Etliche Millionen haben sich die Briten die Überwachung der Botschaft bisher kosten lassen, sie kostet rund 11 000 Euro pro Tag. Die Beamten sind angewiesen, Assange sofort festzunehmen, wenn er das Haus verlässt. Selbst wenn er in Begleitung eines Diplomaten die Botschaft verlassen wollte, würden sie ihn wohl verhaften. Verändert hat sich Assanges Gesundheitszustand.
Beim letzten Besuch im vergangenen Monat sah der Australier noch bleicher aus als sonst. Seine Hände zitterten. Er sprach nicht über Krankheiten, sondern - wie immer - über das Große und Ganze und was zu tun sei, aber er wirkte wirklich nicht gesund. Er hat Herzprobleme, der Blutdruck ist zu hoch, Assange leidet seit Jahren an einer chronischen Lungenerkrankung; das Zittern der Hände war wirklich besorgniserregend.
Als er am Montag auf einer Pressekonferenz erklärte, er werde die Botschaft bald verlassen - "aber nicht aus den Gründen, an die Sie denken" -, wollte er offenbar die Gesundheitsprobleme herunterspielen. Schon weil die ihm verhassten Blätter des Verlegers Rupert Murdoch bereits seit einer Weile über seinen Gesundheitszustand spekulieren. Die sollen nicht recht behalten - das ist der alte Kämpfer Assange.
Es war ein wenig still um den 43-Jährigen geworden. Durch die Enthüllungen Edward Snowdens über die Praktiken amerikanischer und britischer Geheimdienste und wegen der vielen Krisenherde auf dem Globus gibt es andere Themen als die Frage, was Assange macht. Dabei hat die von ihm mitgegründete Enthüllungsplattform Wikileaks die Welt schon ein Stück verändert. Da waren die Enthüllungen mit Zehntausenden zumeist geheimer Dokumente über den Afghanistan-Krieg und vor allem die Enthüllungen zum Irak-Krieg, der noch schrecklicher war als man vorher meinte. Dokumente von Kriegsverbrechen waren darunter.
Vor Snowden war Assange für die USA Staatsfeind Nummer eins
Die Veröffentlichung von Hunderttausenden vertraulicher Diplomatenberichte brachte die US-Regierung in Schwierigkeiten, aber "Cablegate", wie diese Lieferung genannt wurde, bereitete (zumindest aus Sicht von Assange) den arabischen Frühling mit vor, weil die Depeschen US-amerikanischer Botschaften dazu beigetragen hätten, die Legitimität von Diktatoren zu untergraben. Vor Snowden war Assange für die amerikanischen Sicherheitsbehörden der Staatsfeind Nummere eins.
Dann kamen der Auslieferungskampf mit Schweden, die Flucht in die Botschaft, die internen Streitigkeiten. Der Boykott des Kreditkartenunternehmens Visa und die daraus resultierenden Geldprobleme setzten der Organisation zu. Wikileaks als Idee und Projekt galt vielen schon als gescheitert.
Das war nie richtig, denn Wikileaks existiert weiter. Die Enthüllungen haben nicht das Format der Sammlungen, die die Internetplattform berühmt machten, aber auch in diesem Genre gibt es ein Auf und Ab - die Enthüllungsindustrie kennt Konjunkturen.