Anschlag in Österreich:Was über die Lage in Wien bekannt ist

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Mindestens ein Täter mit islamistischem Motiv hat am Montagabend in der Wiener Innenstadt einen Anschlag verübt. Was wir wissen - und was wir nicht wissen.

Was wir wissen

Die Tat: Am Montagabend gegen 20 Uhr gingen bei der Wiener Polizei mehrere Notrufe ein; in der Wiener Innenstadt seien Schüsse gefallen, berichteten Augenzeugen. Später steht fest: Drei Menschen sind an diesem Abend getötet worden, eine weitere Frau erlag offenbar am Dienstagmorgen ihren Verletzungen. Viele weitere wurden verletzt.

Für den Anschlag ist nach den Worten von Österreichs Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) "mindestens" ein islamistischer Terrorist verantwortlich. Die Polizei riegelte am Abend das Stadtgebiet weiträumig ab. Die Menschen wurden aufgefordert, in den Gebäuden zu bleiben, öffentliche Verkehrsmittel hielten nicht mehr in der Innenstadt. In den Restaurants und Lokalen verschanzten sich Gäste und Personal. Spezialkräfte der Polizei waren im Einsatz, Hubschrauber kreisten über der Stadt.

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Das teilt Außenminister Heiko Maas mit. Das Innenministerium in Österreich hat bislang keinen Hinweis auf einen zweiten Täter. Die Terrormiliz IS reklamiert den Anschlag für sich.

Von SZ-Autoren

Die Opfer: Vier Menschen wurden getötet, zwei Männer und zwei Frauen. 22 weitere erlitten Verletzungen - einige von ihnen gelten als schwer verletzt, darunter ein Polizeibeamter. Nach Informationen der österreichischen Nachrichtenagentur APA schweben sieben Opfer in Lebensgefahr.

Ein Täter: Sicher ist, dass für den Anschlag "mindestens" ein islamistischer Terrorist verantwortlich ist, wie Österreichs Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) am Dienstag mitteilte. Derzeit gebe es allerdings keine Hinweise auf weitere Täter. Der 20-Jährige sei zweifelsfrei ein Anhänger der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) gewesen. Er sei am 25. April 2019 zu 22 Monaten Haft verurteilt worden, weil er versucht hatte, nach Syrien auszureisen und sich dort dem IS anzuschließen. Am 5. Dezember sei er vorzeitig bedingt entlassen worden, da er als junger Erwachsener unter die Privilegien des Jugendgerichtsgesetzes (JGG) gefallen sei.

Der Mann war von den Sicherheitskräften am Montagabend um 20.09 Uhr getötet worden - also schon wenige Minuten, nachdem er das Feuer eröffnet hatte. Den Behörden zufolge war der Mann mit einem "automatischen Sturmgewehr", einer Pistole und einer Machete bewaffnet. Zudem trug er scheinbar einen Sprengstoffgürtel - dabei handelte es sich allerdings um eine Attrappe. Seine Wohnung wurde mit Sprengstoff geöffnet und durchsucht.

Die dpa berichtet unter Berufung auf die österreichische Agentur APA, dass der erschossene Attentäter laut Nehammer einen österreichischen und einen nordmazedonischen Pass hatte. Der Chefredakteur der österreichischen Wochenzeitung Falter, Florian Klenk, berichtete, dass der mutmaßliche Täter in Wien geboren und aufgewachsen sei. Auch der SZ ist die Identität des Mannes inzwischen bekannt.

Die Tatorte: Die ersten Meldungen verorteten den mutmaßlichen Anschlag in der Seitenstettengasse, wo sich Wiens größte Synagoge befindet sowie der Hauptsitz der Jüdischen Gemeinde. Später bestätigte die Polizei, dass es in der Wiener Innenstadt sechs verschiedene Tatorte gegeben habe. Die Gegend nahe des Schwedenplatzes ist ein äußerst beliebtes Ausgehviertel. Am letzten Abend, ehe in Österreich wegen der Coronavirus-Pandemie ein Lockdown mit nächtlichen Ausgangssperren verhängt werden sollte, waren die Lokale und Außenbereiche der Restaurants voll. Augenzeugen zufolge waren in der Innenstadt viele Menschen unterwegs.

Was wir nicht wissen:

Weitere Täter: Die Behörden schließen derzeit nicht aus, dass es neben dem getöteten Angreifer weitere Attentäter gibt, die flüchtig sind. "Wir gehen derzeit davon aus, dass es mehrere Täter gegeben hat", sagte Innenminister Nehammer am Morgen. Der Sprecher des Innenministeriums, Harald Sörös, präzisierte später, man gehe von "maximal vier Tätern" aus. Im weiteren Verlauf des Tages sagte Nehammer allerdings, dass es derzeit keinen Hinweis auf einen weiteren Täter gebe.

Bei Hausdurchsuchungen "im Umfeld des Täters" seien mehrere Menschen festgenommen worden, erfuhr die österreichische Nachrichtenagentur APA aus dem Innenministerium. Neben Wien wurden auch in St. Pölten Hausdurchsuchungen vorgenommen. Etwa 20 000 Videos von dem Anschlag sind offiziellen Angaben zufolge bei der Polizei bisher eingelaufen, die Auswertung des Materials sei im Gange.

Das Motiv: Der getötete Angreifer sei identifiziert und ein Sympathisant der Terrormiliz "Islamischer Staat" gewesen, sagte Nehammer am Morgen in Wien.

Unklar ist nach wie vor, ob die nahegelegene Synagoge womöglich Ziel des Angriffs war, ob der Anschlag also einen antisemitischen Hintergrund hat. Der Vorsitzende der Israelitischen Kultusgemeinde, Oskar Deutsch, sagte am Abend der SZ, er wisse nicht, ob der Stadttempel eines der Ziele war. Die Gemeindeeinrichtungen seien zum Zeitpunkt des Anschlags geschlossen gewesen. Aber in der Umgebung der Synagoge habe der Täter in Bars und Restaurants geschossen, sagte Deutsch. Der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) sagte am Abend, es sei "wahllos in Schanigärten" geschossen worden.

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