Westerwelle in der Krise:Dem FDP-Chef kann nur der Außenminister helfen

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Die Popularitätswerte des Guido Westerwelle sind so tief gesackt wie nie zuvor die eines Außenministers oder FDP-Vorsitzenden. Der Vizekanzler hält sich als innenpolitischer Angreifer für unentbehrlich. Dann aber hätte er nicht Außenminister werden dürfen.

Daniel Brössler, Berlin

Diese Woche hat für Guido Westerwelle im kanadischen Gatineau begonnen, beim Gipfeltreffen der Außenminister der G-8-Staaten. Weit weg von Berlin, wo die vergangene Woche für den FDP-Chef am Boden der politischen Tatsachen zu Ende gegangen ist.

Da waren seine Popularitätswerte so tief gesackt wie nie zuvor die eines Außenministers oder FDP-Vorsitzenden. Wenn es nun stimmt, dass die schwarz-gelbe Koalition verstanden hat, dass sie ihr Erscheinungsbild verbessern will, dann ist Westerwelle am richtigen Platz für einen Neuanfang. Dem FDP-Chef kann nur noch der Außenminister helfen.

Auch wenn es weh tut: Zum besseren Verständnis dessen, was er falsch gemacht hat in den ersten Amtsmonaten, würde Westerwelle ein Blick darauf helfen, was seine Vorgänger richtig gemacht haben. Der Grüne Joschka Fischer ist angetreten in einer nicht unähnlichen Situation - ohne Regierungserfahrung im Bund, als Vertreter des kleineren Koalitionspartners und gegen das Misstrauen vieler. Fischer gelang die rasche Mutation zum Staatsmann.

Iran und Israel: Chancen für Westerwelle, zu glänzen

Er redete seiner Partei nicht nach dem Mund, sondern mutete ihr gleich zu Beginn mit der deutschen Beteiligung am Kosovo-Krieg viel zu. Frank-Walter Steinmeier hatte diese Probleme nicht. Aus dem toten Winkel der öffentlichen Wahrnehmung aber trat der einstige Kanzleramtschef als honoriger Außenpolitiker ins Bewusstsein der Bürger. Beide haben im Amt an Statur gewonnen.

An Gelegenheiten, sich in der Diplomatie zu beweisen, fehlt es auch Westerwelle nicht: Im sich gefährlich zuspitzenden Nahost-Konflikt kommt Deutschland eine europäische Schlüsselstellung zu. Zum einen bringt Israel keinem anderen Land in der EU so viel Vertrauen entgegen. Zum anderen verfügen nur wenige Länder mit so guten Beziehungen zu Israel über so brauchbare Drähte in die arabische Welt.

Auch beim beherrschenden internationalen Thema der kommenden Wochen, dem Konflikt um das iranische Atomprogramm, spielt Deutschland keine Nebenrolle. Es geht darum, die Russen für Sanktionen gegen Teheran bei der Stange zu halten und die Chinesen ins Boot zu holen. Dies ist, selbst wenn das in Berlin kaum wahrgenommen wird, auch eine Aufgabe für den deutschen Außenminister. Und nicht zuletzt in Europa muss Westerwelle Flagge zeigen, indem er deutsche Interessen wahrt beim Aufbau des Europäischen Auswärtigen Dienstes.

Es sind dies alles Aufgaben, welche die volle Aufmerksamkeit eines Außenministers erfordern. Er muss sie erledigen - nicht, weil dies einen Popularitätsgewinn verspricht, sondern deshalb, weil er einen Amtseid abgelegt hat. Wenn die Bürger den Eindruck gewinnen, dass Westerwelle diesen Eid ernst nimmt, werden sie auch ihn wieder ernster nehmen. Mag sein, dass der FDP-Chef sich in seiner Rolle als innenpolitischer Angreifer für unentbehrlich hält. Dann aber hätte er nicht Außenminister werden dürfen.

© SZ vom 30.03.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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