Westerwelle:"Hier sitzt die Inkarnation des Bösen"

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Der FDP-Parteichef will um jeden Preis den Eindruck vermeiden, Schwarz-Gelb würde sozialen Kahlschlag bedeuten. Recht gelingen will das Guido Westerwelle nicht. Er macht auch klar, dass er Koch sein will, nicht Kellner.

Thorsten Denkler, Berlin

Appetitanregend sollen sie sein, verdauungsfördernd und cholesterinsenkend. Und jetzt weiß die Republik auch, wie FDP-Chef Guido Westerwelle sie gerne isst: "Bei mir sind die Artischocken frisch!"

Das ist insofern interessant, als dass Kanzlerin Angela Merkel (CDU) ganz gerne zu Artischocken aus der Dose greift, wie sie in der vergangenen Woche an gleicher Stelle vor der Bundespressekonferenz bekannte. Westerwelles Frische-Geständnis klingt deshalb fast so wie eine neue Abgrenzungsstrategie gegenüber der CDU.

Doch Merkel ist und bleibt Westerwelles einzige gewollte und damit Lieblings-Koalitionspartnerin. Am Wochenende beschloss ein Parteitag der FDP auf seine Veranlassung hin, dass nur eine schwarz-gelbe Koalition "der bürgerlichen Mitte" für die Freidemokraten in Frage kommen werde nach der Bundestagswahl. Eine Ampel aus SPD, FDP und Grünen schließt er aus. Überraschend ist das nicht, genauso wenig wie die Zweifel, die SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier an der Worttreue des FDP-Vorsitzenden streut.

Westerwelle zeigt sich wohlgelaunt vor der Bundespressekonferenz. Es dürfte allerdings auch schwierig sein, einen schlechtgelaunten Wahlkämpfer zu treffen, sechs Tage vor der Bundestagswahl. Und so plätschert sein Auftritt dahin, in dem er altbekannte FDP-Steuersenkungs-Forderungen wiederholt und sich freut, dass die CSU mit ihrem an diesem Montag vorgestellten 100-Tage-Sofortprogramm wieder in den Chor der Steuersenker einstimmt.

Dahinter stecke offenbar ein "Strategiewechsel", mutmaßt Westerwelle. Nachdem die CSU über Wochen auf Konfrontationskurs zur FDP gegangen sei, sei sie jetzt "auf dem richtigen Weg".

Es gibt also wenig, was die Laune des FDP-Chef trüben könnte. Na, vielleicht doch eines: Die "dümmliche Polemik von links", die FDP wolle den Kündigungsschutz schleifen. Die FDP, führt Westerwelle aus, wolle lediglich den Kündigungsschutz erst in Betrieben ab 20 Mitarbeitern greifen lassen und nicht schon ab zehn. Außerdem würden über die Beteiligungen an Landesregierungen schon jetzt mehr als 60 Millionen Deutsche von der FDP mitregiert. Da sei noch "keine einzige soziale Sicherung durchgebrannt".

Das klingt ein bisschen so, als habe in der FDP niemand die Absicht eine Mauer zu bauen. Doch Westerwelle vergisst zwei Dinge zu erwähnen. Zum einen: Laut FDP-Programm soll der Kündigungsschutz in den ersten beiden Jahren nach der Einstellung gar nicht gelten. Zum zweiten: Die Länder sind für Sozialgesetzgebung nicht zuständig. Da können gar keine sozialen Sicherungen durchbrennen, weil keine eingeschraubt sind.

Westerwelle beugt sich dennoch vor und schaut kopfschüttelnd-lächelnd die Journalisten vor ihm an, als hätte er in ihnen heimliche Mitwisser entdeckt. "Diese Schwarz-gelbe-Socken-Kampagne von links, die verfängt ja gar nicht", sagt er mit verschwörerischem Unterton.

Mag sein, kann aber auch daran liegen, dass viele Wähler das Kleingedruckte nicht lesen.

Als die Frage aufkommt, wie eigentlich die krisenbedingten horrenden Staatsschulden gesenkt und gleichzeitig die Menschen steuerlich entlastet werden sollen, da hebt er wie zufällig das mehrere Zentimeter dicke, sogenannte liberale Sparbuch in die Höhe. Dieses Werk hält Westerwelle seit Jahren jedem hin, der fragt, wie die FDP eigentlich ihre milliardenschweren Steuergeschenke für die Mittelschicht finanzieren will.

Über 400 Vorschläge hat die FDP darin zusammengetragen, mit denen der Bundeshaushalt von aus FDP-Sicht unnötigen Ausgaben entlastet werden könne. Sozialpolitikern dürfte jedoch bei der Lektüre der Schrecken in die Glieder fahren.

Da werden etwa Beihilfen für die Eingliederung von Behinderten in den Arbeitsmarkt gekürzt, soll der gesamte Posten "kommunikative Begleitung der Grundsicherung für Arbeitslose" gestrichen, oder die "Beteiligung des Bundes an der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung" um die Hälfte eingedampft werden.

Die Sozialdemokraten brauchen solche Argumente, um gegen Schwarz-Gelb wettern zu können, was Westerwelle angesichts der Ampel-Träume in der SPD für wenig konsistent hält. Die SPD halte die Liberalen, zitiert Westerwelle, für "Haie", für "schwarz-gelbe Teufel". Er breitet die Arme aus und sagt: "Hier sitzt die Inkarnation des Bösen und gleichzeitig wollen sie mit uns regieren? Das passt nicht."

Es gibt aber zumindest aus CDU-Sicht noch einen weiteren Grund, weshalb von Schwarz-Gelb keine Kahlschlag-Politik zu erwarten sein soll. Angela Merkel hat ihn vergangene Woche angebracht, als sie deutlich machte, wer in einer schwarz-gelben Koalition sozialpolitisch die Hosen anhaben, respektive den Koch geben werde. Sie und niemand sonst. "Das kann ich versichern", sagte sie.

Westerwelle will das nicht unwidersprochen lassen. Und kommt auf die Artischocke zurück. Artischocken würden in viel Salzwasser weich gekocht, wusste der Hobby-Koch zu berichten. Womit aus Westerwelles Sicht auch das von der Dosen-Artischocken bevorzugenden Merkel strapazierte Bild vom Koch und vom Kellner eine neue Bedeutung bekomme: "Bei uns", sagt Westerwelle, "kochen auch die Männer."

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