Werkstatt Demokratie in Berchtesgaden:"Ich mache mir Sorgen um Europa"

Vom leidenschaftlichen Europäer über den besorgten Vater bis hin zur frustrierten Britin: was die Teilnehmer der Werkstatt Demokratie bewegt und was sie sich für Europa wünschen.

Protokolle von Lena Jakat und Jana Anzlinger

Jörg Bothe, 54, Weinheim in der Kurpfalz

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(Foto: Jessy Asmus)

"Ich bin aus Weinheim bei Heidelberg zur Werkstatt Demokratie in Berchtesaden gekommen, weil Europa für mich ein extrem wichtiges Thema ist. Nicht nur wegen der Brexit-Frage, sondern auch, wenn ich an meine Kinder denke, an den Klimawandel, gegen den nur eine konsequente gemeinsame EU-Umweltpolitik hilft. Meine Kinder sind zehn, elf, 13, 23 und 25 Jahre alt. Ich glaube, Europa ist im Moment in einer institutionellen Krise. Es ist nicht richtig klar, wo es eigentlich hingehen soll. Alles verharrt im Klein-Klein: Hier noch eine Million, da eine Milliarde. Dieses ist blöd, jenes wollen wir nicht. Das finde ich traurig. Das ist alles viel zu klein gedacht! Europa braucht eine Vision, ein übergeordnetes Thema. Ich nehme aus dem Workshop eine konkrete Aufgabe mit: Zu dieser gemeinsamen Idee einen Text zu entwerfen, an dem ich zusammen mit den anderen Teilnehmern weiter arbeiten will. Einen Text, in dem es nicht um rechtliche Details geht, sondern einen, wie er in der Präambel einer europäischen Verfassung stehen könnte. Daraus könnte später vielleicht eine Online-Petition entstehen. Europa hat mehr als 500 Millionen Einwohner. Wir können darauf warten, dass die sich alle auf eine gemeinsame Vision einigen. Oder wir fangen einfach mal an."

Eva Mayerthaler, 71, Klagenfurt in Kärnten

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(Foto: Jessy Asmus)

"Mir ist Europa eine Herzensangelegenheit. Ich lebe in Kärnten - einem Dreiländereck, wo man mit Italienisch, Slowenisch und Deutsch eine romanische, eine slawische und eine germanische Sprache auf engstem Raum zusammen hat. Das ist eine großartige Erfahrung, aber auch eine konfliktreiche. Die Beziehung zur slowenischen Minderheit war aufgrund der historischen Konstellation schwierig, wurde aber unter anderem durch die EU immer besser. In den Kindergärten bei uns können die Kinder Italienisch oder Slowenisch lernen - da zeigt sich, wie groß die Vorurteile noch sind. Lernt ein Kind Italienisch, sagt jeder: "Ah, super!". Lernt das Kind Slowenisch, heißt es: "Was willst du denn mit der Bauern-Sprache?" So etwas ist wichtig, um zu verstehen, warum sich zum Beispiel slawische Völker manchmal abschätzig behandelt fühlen. Es gibt viele positive Ansätze, aber die müssen wir ausbauen. Ich glaube an die Zivilgesellschaft, daran, Ideen auszutauschen und zu bündeln. Nichts wirkt aus meiner Sicht besser gegen Nationalismus als persönliche Erfahrungen und Netzwerke."

Tehmeena Hussain, 33, München

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(Foto: Jessy Asmus)

"Ich bin in der EU geboren und aufgewachsen. Ich bin Europäerin. Ich habe die britische Staatsangehörigkeit, wohne aber seit fast zehn Jahren in München. Nach dem Brexit-Referendum ist mir der Austausch mit anderen besonders wichtig, zum Beispiel über das Thema europäische Identität. In unserer Diskussionsrunde wurde schnell klar: Wir wollen zusammen Probleme lösen, egal, wer welche Staatsangehörigkeit hat. Hier sind wir alle Europäer. Die Unklarheit beim Brexit belastet mich jeden Tag. Ich bin MEP-Kandidatin für Deutschland, ich trete für die paneuropäische Partei Volt an. Solange Großbritannien noch EU-Mitglied ist, darf ich auf der Liste bleiben. Wenn Großbritannien austritt, wird mein Name gestrichen - das ist sehr frustrierend."

Robert Schardt, 20, Inzell in Oberbayern

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(Foto: Jessy Asmus)

"Ich bin leidenschaftlicher Europäer. Ich finde, die EU ist das beste, was uns Europäern jemals passiert ist. Es macht mir immer wieder Spaß, durch Europa zu reisen. Nach meinem Abitur habe ich einen Monat lang Interrail quer durch Spanien und Frankreich gemacht. Dieses Jahr geht es in Richtung Osten. Ich sammle auf diesen Reisen so viele Erfahrungen. Die ganzen Kulturen, die man da kennenlernt, finde ich wahnsinnig spannend. Und mir ist der europäische Austausch wichtig. Ich lerne Mechatronik im zweiten Lehrjahr, nach der Ausbildung möchte ich in einer Großstadt Maschinenbau studieren, am liebsten in München oder in Wien. Ich kann mir gut vorstellen, dass ich dann mit 40 oder so hierher zurückkomme. Wenn ich könnte, würde ich morgen meinen deutschen Pass gegen einen europäischen tauschen. Ich bin Europäer und wünsche mir die Vereinigten Staaten von Europa."

Michaela Obermeier, 50, Salzburg

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(Foto: Jessy Asmus)

"Für mich ist die europäische Integration Alltag - in meinem Job und im Privatleben. Ich wohne in Salzburg und arbeite in Bayern, fahre also täglich über die Grenze. Diese Grenzkontrollen kann ich nicht nachvollziehen, die machen den Menschen im Grenzgebiet nur das Leben schwer. Ich arbeite in der Erwachsenenbildung und stelle dabei fest: Es ist nicht einfach, neben Bildung und Wissen auch Begeisterung über Europa zu vermitteln. Unter anderem deshalb habe ich mich zu dieser Veranstaltung der Werkstatt Demokratie angemeldet, weil ich neugierig auf Anregungen bin. Ich mache mir Sorgen um Europa: Mir kommt es gerade so vor, als ob es eher rückwärts geht als vorwärts. Ich möchte mehr Europa und nicht weniger. Ich wünsche mir, dass die EU durchsetzungsstärker wird, wenn sich ein Mitglied nicht an die Vereinbarungen hält. Und ich wünsche mir eine Sozialunion. Dass die aber noch in weiter Ferne ist, spüre ich als deutsche Staatsbürgerin in Österreich: Welche Krankenversicherung wofür zuständig ist, von wem das Kindergeld kommen sollte, welches Finanzamt zuständig ist - das ist alles kompliziert und kann einem die Freude an Europa verderben."

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