Weihnachtsgeschenke vom Minister:"Billig-Krempel aus China"

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Wenn der Minister Ramsch verschenkt und die Christmette wegen Raketenbeschuss ausfällt, leidet die Stimmung. Militärdekan Marcus Wolf erzählt vom Einsatz im Kundus.

Susanne Klaiber

Marcus Wolf ist seit fünf Jahren katholischer Militärseelsorger. Einmal hat er Heiligabend bei den Truppen in Sarajewo verbracht, vergangenes Jahr war er an Weihnachten im Feldlager der Bundeswehr im afghanischen Kundus - als einziger Seelsorger für bis zu 800 Soldaten.

Militärdekan Marcus Wolf musste die Christmette 2008 in Kundus ausfallen - Raketenalarm. (Foto: Foto: KMBA)

SZ: Herr Wolf, Sie waren vergangenes Jahr zu Weihnachten in Kundus. Kam zwischen feindlichen Taliban Weihnachtsfreude auf?

Marcus Wolf: Bis zum Nachmittag des 24. Dezember war davon nur sehr vereinzelt was zu spüren. Erst dann kam eine rührselige Stimmung auf.

SZ: Warum erst so spät?

Wolf: Vielleicht haben die Soldaten das verdrängt, weil sie sich vorher nicht mit dem Thema beschäftigen wollten. Außerdem: Die Extremisten dort wissen, welcher Tag das für uns ist. Viele Soldaten waren 2008 deswegen nicht im Lager, sondern auf Patrouille und in den Stützpunkten außerhalb, um schneller vor Ort zu sein, wenn irgendwo was ist.

SZ: Wie haben Sie dann gefeiert?

Wolf: Wir hatten am Nachmittag eine Feier und dafür im Freien einen Altar gebaut, aus einem Tisch mit Tischdecke, Kerzen und der Bibel. Rechts und links davon standen Fackelträger. In der einbrechenden Dunkelheit haben die Soldaten das Weihnachtsevangelium aus Lukas vorgelesen und Fürbitten für die Soldaten draußen und die Familien daheim. Zum Schluss hat einer, der wunderbar singen kann, Stille Nacht gesungen.

SZ: Passt dieses Lied in dem Umfeld?

Wolf: Ja. Es ist eine Sehnsucht nach einer stillen Nacht.

SZ: Eine Sehnsucht, die sich nicht erfüllt hat ...

Wolf: Am frühen Abend flogen Raketen aufs Lager. Genau können die Angreifer nicht zielen, es ist immer ein Lotteriespiel, wo die Dinger einschlagen. Dann mussten alle in Schutzgebäude und die Christmette musste ausfallen. Das war schon schade.

SZ: Glauben Sie, dass es dieses Weihnachten ruhiger wird?

Wolf: Bis jetzt hat man wenig von Anschlägen gehört. Aber an Heiligabend könnte es noch mal heiß werden.

SZ: Stellt man sich an Weihnachten die Frage, was man eigentlich am Hindukusch soll?

Wolf: Im Einsatz stellt man nicht die Sinnfrage. Ob das sinnvoll ist, muss ich mir persönlich vorher beantworten. Es wäre dasselbe, wenn ich jetzt fragen würde, ob ich Ihnen überhaupt ein Interview geben will.

SZ: Was konnten Sie als Pfarrer für die Soldaten tun?

Wolf: Es geht nicht in erster Linie um Religion, sondern um Fürsorge. Man muss etwas zum Feiern vorbereiten und dafür sorgen, dass Stimmungen ihren Raum bekommen.

SZ: Welche Stimmungen waren das?

Wolf: Viele Soldaten wären gern zu Hause gewesen. Und es gab die berechtigte Angst, dass wir einen Todesfall bekommen könnten. Der Tod nimmt auf Weihnachten keine Rücksicht. Dann hätten die Soldaten nie mehr unbeschwert Weihnachten feiern können. Es ist eine Gratwanderung, ehrlich mit seinen Ängsten umzugehen, aber keine Panik zu verbreiten.

SZ: Haben die Soldaten Geschenke von ihren Familien bekommen?

Wolf: Tonnenweise. Die Bundeswehr achtet darauf, dass Transportkapazitäten dafür frei sind.

SZ: Was war drin in den Paketen?

Wolf: Unmengen an Süßigkeiten. Viel mehr, als jeder essen konnte. Sportklamotten, Armbanduhren ... Und Weihnachtsgeschenke des Ministers. Die sind schlecht angekommen.

SZ: Warum?

Wolf: Es war Billig-Krempel aus China. Kugelschreiber, Taschenrechner, eine Taschenlampe - in einem sehr einfachen Karton. Die Soldaten waren sauer. Ein Spieß hat dann mit seinen Leuten für seine Kompanie 250 Päckchen nochmal in Geschenkpapier verpackt, um sie hübscher zu machen.

SZ: Was haben die Soldaten erwartet?

Wolf: Nicht unbedingt ein Geschenk. Eine nette Weihnachtskarte wäre vielleicht mehr gewesen. Oder etwas Einfaches, das aber schön ausgewählt wurde.

SZ: Gab es wenigstens Weihnachtsschmuck?

Wolf: Ja, schon im Sommer wird abgefragt, wo man überall einen Christbaum hinstellen kann. Sogar ein Krippchen haben wir. Und auch das Wetter passte zu Weihnachten, wie es in Deutschland ist.

SZ: Inwiefern?

Wolf: Es gab Schnee. Vor Weihnachten und danach. Nur nicht an Heiligabend.

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