Kurz vor der Wahl wurde Alexis Tsipras, Chef der griechischen Linken, gefragt, was er sich für das Jahr 2030 wünsche. Ob seine Söhne, die jetzt noch im Kindergartenalter sind, dann auch - wie einst er selbst - als Schulbesetzer Furore machen sollten? Ja, dies würde ihm gefallen, ließ der künftige Premier wissen. Bis zuletzt hat Tsipras sein Rebellenimage kultiviert. Doch viele seiner Landsleute gehen nun davon aus, dass der Linkspolitiker nach seinem fulminanten Aufstieg rasch das machen wird, was die Griechen eine Kolotumba nennen: einen Purzelbaum.
Mit der Turnübung hat Tsipras sogar bereits begonnen. Schon eine Weile war nichts mehr zu hören von dem großspurigen Versprechen, Syriza werde die Memoranda, die Milliardenkreditverträge mit der EU, zerreißen wie Altpapier. Stattdessen versicherte die erste Garde der Linkspartei zuletzt, einseitige Maßnahmen Athens seien auch unter ihrer Ägide ausgeschlossen, die Bürger müssten sich auch um ihre Bankkonten keine Sorgen machen.
Das wollten viele Griechen hören.
Dagegen schürten die Konservativen um den bisherigen Premier Antonis Samaras die Ängste vor einem neuerlichen Absturz ins Bodenlose. Damit ignorierten sie, was Wahlforschern schon vor Wochen aufgefallen war: Die Furcht der Griechen nahm ab, ihre Wut aber stetig zu. Wut ist ein starkes Gefühl, es kann Welten zum Einsturz bringen.
Die Wähler hoffen auf die Unverbrauchten, Unerfahrenen
Die Wut und die Empörung so vieler Griechen richtete sich gegen all jene, die sie dafür verantwortlich machen, dass ihre Opfer in fünf Krisenjahren weitgehend umsonst waren. Weil Griechenland nicht wirklich vorangekommen ist. Weder mit den inneren Reformen des Staates, also dem Ausmisten des klientelistischen Augiasstalles. Noch mit dem Neuaufbau der Wirtschaft.
Nun hat Tsipras ein klares Mandat, mit dieser Wut etwas anzufangen. So wird sein Wahlsieg zur Herausforderung für Europa, auch wenn der Linkspolitiker seine Forderungen mäßigen und nicht wie ein Rambo auftreten dürfte, denn dafür ist die Lage Griechenlands zu ernst. Das wissen auch die Polit-Neulinge in Athen.
Schönreden hilft nicht
In Berlin und Brüssel aber wird man zugeben müssen, dass die Griechenland-Rettung noch kein Erfolg war, auch wenn sich das Kanzlerin Angela Merkel und ihr Finanzminister gewünscht hatten. Schönreden hilft eben nicht, so wenig wie die vielen guten Ratschläge von außen, wenn die verlangten Reformen in den Händen derer liegen, die für das alte Schlamassel maßgeblich mitverantwortlich sind. Deshalb schenkten so viele Griechen den unverbrauchten, aber auch unerfahrenen Linken ihr Vertrauen.
Ob Tsipras diese Hoffnungen erfüllen kann, wird nicht allein davon abhängen, ob er in Berlin und Brüssel eine schöne Kolotumba macht, um den Verbleib in der Euro-Zone mit neuen Kreditlinien abzusichern. Für die Zukunft des Landes ist es mindestens so bedeutend, dass die Wahlsieger den Bruch mit dem alten Gefälligkeitsstaat wagen. Nur so kann es ein neues Griechenland geben.