Wahlkampf der AfD:Mut zur Halbwahrheit

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So hat die AfD ihre "Lichtinstallation" auf dem Neubau der EZB in Frankfurt gesehen. Photoshop lässt grüßen. (Foto: Screenshot: alternativefuer.de)

Die etablierten Parteien zittern vor der AfD. In Umfragen kommt die "Mut zur Wahrheit"-Partei auf bis zu vier Prozent, auch wegen ihrer Wahlkampf-Aktionen. Die sind allerdings manchmal zu schön, um wahr zu sein: Eine "Lichtinstallation" wirft Fragen auf und ein angebliches "Duell" mit Angela Merkel erzürnt sogar die eigenen Anhänger.

Von Michael König, Berlin

Ein Gespenst geht um in Berlin. Es heißt "Alternative für Deutschland" und ängstigt die etablierten Parteien. Ein ranghoher CDU-Wahlkämpfer sagt hinter vorgehaltener Hand: "Wir haben keine Ahnung, wie stark die werden." AfD-Chef Bernd Lucke rechnet mit sieben Prozent, Meinungsforscher mit bis zu vier Prozent. Das wäre womöglich genug, um eine schwarz-gelbe Mehrheit zu gefährden. Ein Kollege von der SPD sagt, es sei "gruselig, wie gut die AfD in Sachen Social Media ist." Bei Facebook hat die Partei 59.000 Fans, 16.000 mehr als die CDU.

Der Erfolg der Anti-Euro-Partei basiert auf aufsehenerregenden Wahlkampf-Aktionen. Manche sind allerdings zu spektakulär, um wahr zu sein. Zum Beispiel der neueste Coup, das "Blaue Wunder": In der Nacht von Dienstag auf Mittwoch will die Partei ihr Logo und den Slogan "Der Euro spaltet Europa" auf den Neubau der Europäischen Zentralbank in Frankfurt projiziert haben. Eine "Botschaft der Vernunft" an die EZB, die nach Meinung der AfD die Insolvenz kriselnder Euro-Staaten verschleppt.

Das entsprechende Foto sammelte bei Facebook schnell knapp 4500 Gefällt-mir-Klicks. Die AfD ist so stolz auf die Aktion, dass sie das entsprechende Foto zum Titelmotiv ihrer Facebookseite erhoben hat.

Das "D" hängt in der Luft

Dumm nur, dass es sich offenkundig um eine Fälschung handelt - oder zumindest um die geschönte Aufnahme einer verunglückten Aktion. Die EZB teilt auf Anfrage von SZ.de mit: "Wir haben es geprüft, das muss eine Fotomontage sein. Das Gebäude wurde nicht angestrahlt."

Aufmerksame Facebook-Nutzer wiesen die AfD darauf hin, dass "D" in "Der Euro spaltet Europa" hänge in der Luft. Wäre der Spruch wirklich auf das Gebäude projiziert worden, dürfte es nicht zu sehen sein.

Im "Beweisvideo" (links) ist blau-roter Lichtmatsch auf dem EZB-Neubau zu sehen. Das Foto rechts soll dieselbe Aktion zeigen. (Foto: Screenshot: alternativefuer.de)

Eine Anfrage von SZ.de bei der AfD blieb bislang unbeantwortet. Anhänger der Partei verweisen auf ein "Beweisvideo": Darin ist der Sprecher des AfD-Landesverbands Hessen, Eberhard von dem Bussche, zu sehen, wie er vor mehreren Lichtprojektoren steht. Die Projektion auf dem Hochhaus ist hingegen nur kurz zu sehen, etwa bei Sekunde sieben bis neun. Sie hat mit der auf dem Foto nichts gemein.

Kein Wunder, sagt Albert Künnemeyer von Lichtinstallationen.com, einer Kreativagentur aus Stuttgart. Die Geräte, vor denen der AfD-Sprecher in dem Video steht, seien offenkundig Diaprojektoren und viel zu lichtschwach. "Mit solchen Geräten auf diese Entfernung - das kann gar nicht funktionieren", sagt Künnemeyer zu SZ.de. "Ich nehme an, sie haben die Aktion durchgeführt, aber auf dem Hochhaus war dann allenfalls ein schwammiger rot-blauer Fleck zu sehen. Das Youtube-Video deutet darauf hin."

Parteisprecher Lucke (rechts) neben der angeblichen Lichtinstallation auf dem Düsseldorfer Rheinturm? Das Logo wirkt wie aufgepappt. (Foto: Screenshot: alternativefuer.de)

Noch etwas dreister wirkt die Dokumentation einer anderen Lichtprojektion: In Düsseldorf will die AfD den Rheinturm* mit ihrem Logo angestrahlt haben. Darauf deutet zumindest ein vermeintliches Beweisfoto hin. In dem entsprechenden Video mit Lucke ist allerdings zu erkennen, dass lediglich der Stumpf des Turms angestrahlt worden ist. Andernfalls hätte die AfD auch hier besonders lichtstarke Projektoren gebraucht, deren Tagesmiete der Experte Künnemeyer mit 15.000 Euro veranschlagt.

Zu den offenbar manipulierten Aufnahmen passt eine Geschichte, über die das Handelsblatt berichtet: Der Berliner Landesverband der AfD hatte für den 4. September zu einem "Duell" zwischen seinem Spitzenkandidaten Joachim Starbatty und Kanzlerin Angela Merkel eingeladen. Das wäre ein echter Coup gewesen, den sich viele AfD-Anhänger gerne live angesehen hätten.

Kurz nach der Ankündigung stellte die Partei jedoch klar: Es handelte sich um einen - missglückten - Scherz. Auf Facebook schrieb die AfD: "Wir haben tatsächlich nicht gedacht, das für die Veranstaltung tatsächlich Flüge gebucht werden. Das tut uns sehr leid." Durch die "offensive Bewerbung" habe man "die Absurdität" offenlegen wollen, "dass Frau Merkel sich außer dem TV-Duell, zu dem sie gezwungen ist, keiner Diskussion stellt!"

Übrigens ist "Der Euro spaltet Europa" nur ein Slogan der AfD. Es gibt noch einen anderen, der auf vielen Plakaten steht. Er lautet: "Mut zur Wahrheit."

* Update: In einer früheren Version dieses Eintrags hieß es, der Berliner Fernsehturm sei das Ziel einer Lichtprojektion gewesen. Nach Angaben der AfD fand die Aktion jedoch am Düsseldorfer Rheinturm statt, wie aus der Beschreibung des Youtube-Videos hervorgeht. Allerdings haben uns Leser darauf hingewiesen, dass es sich hierbei auch nicht um den Rheinturm handelt. Vielmehr handelt es sich bei dem Gebäude wohl um den Hamburger Fernsehturm. Vergleichen Sie dazu die Detail-Bilder in den beiden Links zum Rheinturm und zum Telemichel.

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