Wahlen:Großdemonstration in Warschau: Polens Opposition macht mobil

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Oppositionsführer Donald Tusk spricht während des Marsches zur Unterstützung der Opposition gegen die populistische Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS). (Foto: Rafal Oleksiewicz/AP/dpa)

Zwei Wochen vor der Parlamentswahl in Polen demonstrieren die Anhänger der Opposition gegen die PiS-Regierung. Doch die hat in Umfragen weiter die Nase vorn. Bringt die Demo den erhofften Durchbruch?

Von Doris Heimann, dpa

Warschau (dpa) - Immer wieder skandieren die Demonstranten: „Wir werden siegen! Wir werden siegen!“ Dichtgedrängt ziehen die Anhänger von Polens Opposition beim „Marsch der Million Herzen“ durch das Zentrum von Warschau. An einigen Stellen der Innenstadt dauert es mehr als eine Stunde, bis der endlos lange Demonstrationszug vorbeigezogen ist.

Rund eine Million Menschen sollen es nach Angaben der Stadtverwaltung sein, die ihrem Unmut über die Politik der nationalkonservativen PiS-Regierung Luft machen. „Dies ist die größte Demonstration in der Geschichte Warschaus“, sagt die Rathaussprecherin. Das Portal Onet.pl kommt in eigenen Berechnungen auf 800.000 Teilnehmer.

„Diese Kraft kann durch nichts mehr aufgehalten werden“, schwärmt Oppositionsführer Donald Tusk beflügelt vom Erfolg. Ob es tatsächlich so kommt, wird sich am 15. Oktober entscheiden. Dann wählt Polen ein neues Parlament. Und bislang führen die Nationalkonservativen von Jaroslaw Kaczynski in allen Umfragen.

„Marsch der Million Herzen“

Um ihre Anhänger auf der Zielgeraden noch mal richtig zu mobilisieren, hatte Tusks liberalkonservative Bürgerkoalition (KO) zu dem „Marsch der Million Herzen“ aufgerufen. Auch das Linksbündnis Lewica unterstützte die Demonstration. Trotz des kühlen Herbstwetters strömten die Menschen aus dem ganzen Land in die Warschauer Innenstadt.

„Ich will ein offenes, europäisches Polen. Wir möchten in die Zukunft schauen, anstatt ständig in der Vergangenheit zu wühlen und irgendwelche Feindseligkeiten mit Nachbarn wie Deutschland zu suchen“, sagt Iwona (59), die mit ihrem Mann Andrzej aus Bialystok im Osten des Landes angereist ist.

Tomasz Szulc trägt zur Demo eine rothaarige Perücke - genau wie seine beiden Freunde Marek und Franciszek. Die Perücke sei eine Anspielung auf Hetze im von der PiS gleichgeschalteten öffentlich-rechtlichen Sender TVP, dessen Moderator Tusk als „rothaarig und gemein“ bezeichnet hatte, erklärt der 60-jährige Fliesenleger aus Torun. „Mir ist diese Regierung, dieser ganze Staat nur noch peinlich.“

Morawiecki spielt die antideutsche Karte

Während die Opposition durch die Straßen von Warschau zieht, hält die PiS eine Wahlkampfveranstaltung im schlesischen Kattowitz (Katowice) ab. Regierungschef Mateusz Morawiecki spielt einmal mehr die antideutsche Karte. „Donald Tusk hörte auf Angela Merkel, die ihm ins Ohr flüsterte, dass er das Renteneintrittsalter erhöhen soll“, erzählt er dem Publikum. Die PiS versucht seit Jahren, Tusk als Handlager Deutschlands zu diskreditieren.

Glaubt man den Umfragen, dann hat die PiS gute Chancen, auch nach dem 15. Oktober an der Macht zu bleiben. Sie könnte allerdings diesmal einen Koalitionspartner benötigen - und diesen in der ultrarechten Konfederacja finden. Diese Partei fordert ein totales Abtreibungsverbot, ihre Vertreter schrecken auch vor antisemitischen Verschwörungsmythen nicht zurück. Die Konfederacja ist besonders bei jungen Männern vom Land beliebt.

Situation mit Blick auf Koalitionen nicht einfach

Gerade vielen Städtern in Polen erscheint eine Koalition auf PiS und Konfederacja als Alptraum. Doch im Spektrum der liberalen und linken Parteien ist die Situation nicht einfach. Tusks Bürgerkoalition liegt in Umfragen auf dem zweiten Platz. Selbst wenn mit dem Schwung aus der Demonstration noch der Sieg gelingen sollte, bräuchte sie außer der Linken voraussichtlich noch einen weiteren Koalitionspartner.

Dieser Dritte im Bunde wäre das christlich-proeuropäische Bündnis Dritter Weg. Doch die neue Formation des ehemaligen Präsidentschaftskandidaten Szymon Holownia und der Bauernpartei PSL buhlt zum Teil um die gleichen Wähler wie Tusk. Die Führung des Dritten Wegs hatte sich denn auch entschieden, nicht am „Marsch der Million Herzen“ teilzunehmen. Sie befürchtet, dass ein Erfolg der Veranstaltung einzig und allein Tusks Formation mehr Stimmen bringen könnte. Trotzdem findet Tusk bei der Demonstration auch freundliche Worte für die Chefs vom Dritten Weg. Und er appelliert an die Unentschiedenen, unbedingt zur Wahl zu gehen.

© dpa-infocom, dpa:231001-99-404249/2

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