Wahl in Niedersachsen:Rot-Grün erringt Mehrheit im Landtag, FDP fliegt raus

Lesezeit: 3 min

Ministerpräsident Weil von der SPD kann weiterregieren, seine Partei landet klar vor der CDU. Die Liberalen scheitern an der Fünf-Prozent-Hürde, die AfD holt ein zweistelliges Ergebnis.

Von Benedikt Peters, München

Bei der Landtagswahl in Niedersachsen wird die SPD laut vorläufigem Endergebnis mit klarem Abstand stärkste Kraft. Die Partei des amtierenden Ministerpräsidenten Stephan Weil erhält laut Forschungsgruppe Wahlen 33,4 Prozent der Stimmen. Die CDU liegt nach starken Verlusten mit 28,1 Prozent an zweiter Stelle. Die Grünen können ihr Ergebnis im Vergleich zur letzten Landtagswahl steigern, vorhergesagt werden 14,5 Prozent. Die AfD kann ihr Ergebnis fast verdoppeln und landet bei 10,9 Prozent. Die FDP wird im kommenden Landtag nicht mehr vertreten sein, sie erzielt 4,7 Prozent der Stimmen. Die Linke verpasst mit 2,7 Prozent ebenfalls den Einzug in den Landtag.

Damit zeichnet sich ab, dass Niedersachsen künftig wieder von einer rot-grünen Koalition regiert werden könnte. Da die FDP nicht in den Landtag kommt, hat das Bündnis eine komfortable Mehrheit. Entsprechend zufrieden äußerte sich Ministerpräsident Weil am Sonntagabend. "Die Wählerinnen und Wähler haben der SPD den Regierungsauftrag erteilt und niemand anderem sonst."

Weil hatte Rot-Grün als Ziel im Wahlkampf ausgerufen und bereits von 2013 bis 2017 in einem solchen Bündnis regiert, danach in einer großen Koalition. Die niedersächsischen Grünen ließen ebenfalls erkennen, mit der SPD regieren zu wollen. "Wir müssen diesen Winter gut durch diese Krise kommen. Da haben SPD und Grüne gute Konzepte und ich denke, das werden wir dann auch voranbringen", sagte Spitzenkandidatin Julia Willie Hamburg.

Die Wahl in dem Flächenland mit etwa acht Millionen Einwohnern dürfte ein großes Echo in der Bundespolitik auslösen, insbesondere wegen des schlechten Abschneidens der FDP. Vor der Wahl war bereits spekuliert worden, dass die Liberalen nach einer Schlappe in Niedersachsen versuchen könnten, sich auf Kosten ihrer Partner in der Ampel-Regierung zu profilieren.

FDP-Chef Christian Lindner sagte am Sonntag, das enttäuschende Wahlergebnis sei auch der Regierungsbeteiligung im Bund geschuldet. "Viele unserer Unterstützerinnen und Unterstützer fremdeln mit dieser Koalition." Weiter sagte der FDP-Chef: "Wir sind in der Ampelkoalition aus staatspolitischer Verantwortung, nicht weil SPD und Grüne uns von den inhaltlichen Überzeugungen so nahe stünden." Spekulationen, die FDP könne sich aus der Bundesregierung zurückziehen, wies Lindner aber zurück. Dafür sei die Lage angesichts des Krieges in Europa und der drohenden Rezession zu ernst.

Krieg und Energiekrise sowie die Entlastungspakete für die Bürgerinnen und Bürger hatten auch den Wahlkampf in Niedersachsen dominiert. Die CDU hatte die Landtagswahl zu einer Abstimmung über die Krisenpolitik der Bundesregierung erklärt. Ihre Strategie, von Unzufriedenheit über die Berliner Politik zu profitieren, ging allerdings nicht auf. Mit etwa 28 Prozent erzielt sie das schlechteste Ergebnis in Niedersachsen seit 1955. Ihr Spitzenkandidat, der bisherige Landeswirtschaftsminister Bernd Althusmann, sagte am Abend, er übernehme die "persönliche Verantwortung" für die Niederlage. Den CDU-Landesvorsitz werde er abgeben.

Die Stimmung in der Bundes-CDU dürfte sich nun verschlechtern. Nach der Schlappe bei der Bundestagswahl hatte sich die Partei überraschend schnell wieder stabilisiert und Siege in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen eingefahren, in Umfragen im Bund ist sie stärkste Kraft. Parteichef Friedrich Merz steht dennoch bei einem Teil seiner Partei in der Kritik, etwa wegen seiner Aussagen zum angeblichen "Sozialtourismus" ukrainischer Flüchtlinge. CDU-Generalsekretär Mario Czaja äußerte sich nach der Wahl in Niedersachsen enttäuscht: "Es ist für uns kein schönes Ergebnis."

Landtagswahl
:Comeback der Wut-Partei

AfD legt in Niedersachsen zu - und erhält viel Zuspruch auf der Straße.

Von Till Uebelacker

Der SPD hingegen verschafft ihr Sieg auch im Bund ein wenig Luft. In den Umfragen hatte sie deutschlandweit zuletzt bei etwa 18 Prozent gelegen und damit deutlich unter ihrem Ergebnis bei der Bundestagswahl. Entsprechend positiv fiel die Reaktion der Bundes-SPD aus. Generalsekretär Kevin Kühnert wertete den Sieg Weils als Zeichen der Stärke der Sozialdemokraten. "Wenn man nicht selber stark ist, holt man nicht so ein Ergebnis in Krisenzeiten", sagte Kühnert. Bundeskanzler Olaf Scholz gratulierte Weil am Abend via Twitter. "Die Bürgerinnen und Bürger trauen Dir zu, Niedersachsen auch in Zukunft mit Plan voranzubringen. Ich auch - Niedersachsen bleibt in guten Händen", schrieb er. Demoskopen führen den Sieg der SPD auf Weils hohe Beliebtheitswerte zurück.

Die Grünen können sich einerseits über die wahrscheinliche Regierungsbeteiligung freuen. Andererseits liegen sie mit 14,5 Prozent deutlich unter den Werten, welche ihnen die Demoskopen noch vor einigen Monaten prophezeiten. Bei der AfD ist die Lage umgekehrt. Die in Teilen rechtsextreme Partei kann offenbar wieder von der Krisenstimmung in Deutschland profitieren. Im Vergleich zur letzten Wahl hat sie ihr Ergebnis beinahe verdoppelt. "Wir sind wieder da", sagte AfD-Chef Tino Chrupalla am Abend.

In Niedersachsen zeichnete sich eine Wahlbeteiligung etwa auf demselben Niveau wie bei der letzten Landtagswahl 2017 ab. Die Prognosen gehen von etwa 61 Prozent aus. Die niedrigste Wahlbeteiligung war in Niedersachsen 2008 mit 57,1 Prozent festgestellt worden. Wegen der Corona-Pandemie wird damit gerechnet, dass der Anteil der Briefwähler in diesem Jahr besonders hoch ist.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Niedersachsen
:Fünf Erkenntnisse aus der Landtagswahl

In Hannover verlieren alle außer Grünen und AfD, die SPD wird weiter die Regierung führen. Das Wahlergebnis übertüncht aber ihre wahre Lage im Bund - für die Ampelkoalition dürften schwierigere Zeiten anbrechen. Eine Blitzanalyse.

Von Kassian Stroh

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: