Wahl des EU-Ratspräsidenten:EU-Ratspräsidentschaft: Polen gegen Pole

Lesezeit: 1 min

EU-Ratspräsident Donald Tusk (Foto: REUTERS)

Es wäre ein Novum in der Geschichte Europas. Wird EU-Ratspräsident Donald Tusk wiedergewählt, dann gegen den Willen der Regierung seiner Heimat.

Auf dem EU-Gipfel kommende Woche soll EU-Ratspräsidenten Donald Tusk für eine weitere zweieinhalbjährige Amtszeit gewählt werden. Nun brüskiert die rechtskonservative Regierung in Polen ihren Landsmann und versagt ihm die Unterstützung für eine neuerliche Kandidatur. Anstelle von Tusk nominiert die Regierung in Warschau den Europaabgeordneten Jacek Saryusz-Wolski für den Posten, wie die Nachrichtenagentur PAP berichtet. Der 68-jährige war bislang wie Tusk Mitglied der oppositionellen Bürgerplattform (PO). Unmittelbar nach der Ankündigung seiner Gegenkandidatur schloss ihn der PO-Vorstand aus der Partei aus.

Bislang wurden alle Ratspräsidenten der EU mit der ausdrücklichen Unterstützung ihrer Heimatregierung ins Amt gewählt. Zwingend erforderlich ist diese Unterstützung allerdings nicht: Für die Wahl reicht im EU-Rat eine qualifizierte Mehrheit, Polen könnte beim EU-Gipfel also überstimmt werden.

Gut möglich, dass Tusk nun der erste EU-Ratspräsident wird, der gegen den Willen seines Heimatlandes gewählt wird. Der frühere Regierungschef genießt in den EU-Mitgliedsländern breite Unterstützung und war beim vorangegangenen Treffen der 28 EU-Regierungen auf Malta von mehreren Regierungen ausdrücklich gelobt worden.

Außerdem halten es Experten für unwahrscheinlich, dass derzeit eine Mehrheit der EU-Regierungen daran interessiert wären, einen EU-Spitzenposten neu zu besetzen. Das könnte beispielsweise neue Unwägbarkeiten für die Austrittspläne Großbritanniens mit sich bringen. Hinzu kommt, dass sich die polnische PiS-Regierung derzeit wegen der umstrittenen Justizreformen ohnehin in einem Streit mit der EU-Kommission befindet und nach Ansicht von EU-Diplomaten wenig Unterstützung erwarten könne.

Hintergrund der fehlenden Unterstützung aus Polen ist ein Konflikt zwischen der nationalkonservativen Regierung in Warschau und Tusk, der vor seiner Zeit als EU-Ratspräsident polnischer Ministerpräsident war. Kaczynski hält Tusk für den Flugzeugabsturz im Jahr 2010 "moralisch verantwortlich", bei dem neben mehreren Regierungsmitgliedern auch sein Zwillingsbruder Lech Kaczynski, der damalige Präsident Polens, ums Leben kam. Nach Ansicht von Kaczynski habe Tusk die Aufklärung der Absturzursache behindert.

© SZ.de/AFP/dpa/Reuters/mahu - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Europäische Union
:Pence umschmeichelt die EU

Nach mehrfacher Kritik von Trump sorgen sich Politiker in Brüssel um das künftige Verhältnis zu den USA. Bei seinem Antrittsbesuch versucht sein US-Vizepräsident, die Wogen zu glätten.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: