Seit die große Politik nach Bad Bergzabern gekommen ist, versteht Angelika Hirsch die Welt nicht mehr. Immer öfter muss sie sich von Bekannten und Kunden fragen lassen, was denn da los sei in ihrem beschaulichen Städtchen in der Südpfalz.
Für die Opposition aus CDU und FDP im Mainzer Landtag steht Bad Bergzabern kein halbes Jahr vor den Landtagswahlen für Filz und Vetternwirtschaft, sie sieht Parallelen zu dem Debakel am Nürburgring. Angelika Hirsch findet, man solle nicht alles schlechtreden.
Wie in den meisten Läden in der Altstadt sind auch in Hirschs Geschäft für Näh- und Strickbedarf die Kunden immer weniger geworden in den vergangenen Jahren. Der ehemals stolze Kurort leidet darunter, dass die Krankenkassen kaum noch Kuren bezahlen, und wohlhabende Patienten bevorzugen das mondäne Baden-Baden.
Da sei es doch eine Aufwertung für die ganze Stadt und vielleicht sogar eine Rückkehr zu altem Glanz, wenn das Nebengebäude des barocken Schlosses endlich saniert werde, findet Hirsch. Zehn Jahre lang war das leerstehende alte Ritterhaus ein Schandfleck, nun beherbergt es ein "Vier-Sterne-Plus-Hotel" mit 21 Zimmern und einem Gourmet-Restaurant.
Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) persönlich habe dafür gesorgt, dass die Sanierung großzügig von der öffentlichen Hand gefördert werde, sagt die CDU-Abgeordnete Christine Schneider. Bad Bergzabern ist Becks Geburtsort und liegt in seinem Wahlkreis.
Das Land trägt 90 Prozent der förderfähigen Kosten und die seien von 3,7 auf 8,4 Millionen Euro gestiegen, rechnet Schneider vor. Wie beim Bau des Freizeitzentrums am Nürburgring sollte eigentlich ein Privatinvestor einen Teil der Kosten tragen. Wegen der Kostensteigerung und weil dem Innenministerium einfiel, dass Privatinvestitionen nicht so stark gefördert werden können, stieg der Investor Christian Gutland im Herbst 2009 aus.
Dem Schlosshotel bleibt Gutland gleichwohl verbunden; für eine durchschnittliche jährliche Pacht von 117.000 Euro steht es ihm renoviert und eingerichtet zur Verfügung. Eine Ausschreibung gab es nicht. Auch an der Sanierung soll Gutland gut verdient haben: Laut der CDU-Abgeordneten Schneider übernahmen von ihm erst kurz zuvor gegründete Firmen die Wirtschaftlichkeitsuntersuchung und die Baubetreuung - ebenfalls ohne Ausschreibung. Ein weiteres Detail aus Gutlands Vertrag: In zehn Jahren kann er das Haus für 1,4 Millionen Euro kaufen. Da ist es für die Opposition ein gefundenes Fressen, dass Gutland auch noch SPD-Mitglied ist.
Das "System Beck"
Der zuständige Innenminister Karl-Peter Bruch (SPD) hat inzwischen Fehler eingeräumt und zugegeben, dass Dinge "gegen die Vorschrift gelaufen" seien. Sein Ministerium hatte die Förderung ohne die erforderliche baufachliche Prüfung abgesegnet. Die Kaufoption bezeichnete Bruch als politisch falsch. Dass Gutland SPD-Mitglied ist, habe er allerdings erst aus der Zeitung erfahren.
Für Christine Schneider fügen sich all die Ungereimtheiten zu einem Bild, sie nennt es das "System Beck": Der Abgeordnete Beck habe seine Macht als Ministerpräsident benutzt, um seinem Wahlkreis und Heimatort eine Wohltat zukommen zu lassen. "Beck hat gesagt, er will dieses Projekt und dann wird das auch gemacht."
Zum Beleg dafür, dass Beck persönlich mit der Sache zu tun hatte, zitiert Schneider aus der Wirtschaftlichkeitsuntersuchung. Darin heißt es, mit der Förderung könne fest gerechnet werden, schließlich handele es sich um die Heimatstadt des Ministerpräsidenten und somit bestehe ein "erhöhtes Interesse" daran, diese Region zu unterstützen.
Beck selbst weist alle Anschuldigungen zurück und bestreitet, näher mit dem Projekt befasst gewesen zu sein. Die Vorwürfe der Vetternwirtschaft nennt er eine "Sauerei". Dabei dürfe sich der Ministerpräsident wirklich nicht beschweren, sagt der FDP-Fraktionsvorsitzende Herbert Mertin: "Wenn es nur diese eine Sache wäre, würde ich mich vielleicht nicht aufregen. Aber bis hin zum Nürburgring gab es in den vergangenen Jahren so viele Affären, dass es schwer fällt, an Zufälle zu glauben."
Vom Schandfleck zum Schmuckstück
Im Innenministerium spricht man von ärgerlichen Fehlern und konzentriert sich ansonsten darauf, das Förderprojekt inhaltlich zu begründen. Die Stadt befinde sich in einer schwierigen Lage und müsse unterstützt werden, heißt es. Zudem komme die Förderung nicht nur dem Schloss zugute, sondern habe "einen breiten Effekt für die ganze Region". Zumindest dem Schlosshotel selbst sieht man heute schon an, was die Steuermillionen bewirkt haben.
Aus dem Schandfleck ist ein Schmuckstück geworden, mit Naturstein in den großzügigen Bädern, geschmackvoller Einrichtung und bestem Service. So etwas hat es lange nicht gegeben in Bad Bergzabern. An einem durchschnittlichen Wochentag ist sogar das Restaurant gut besucht, derzeit gibt es dort ein fünfgängiges "Wildmenü" für 72 Euro.
Bevor die ersten Gäste eintreffen, trifft sich Rolf Enke hier gerne zum Gespräch. Ausgerechnet jetzt muss Enke seinen Chef, Bürgermeister Harald Bratz, vertreten. Der weilt im Urlaub auf Kreta. Enke zeigt sich erschrocken über die ganze Aufregung. "Das Schloss ist doch nur Teil einer Gesamtstrategie", sagt er. Kurt Beck habe sich lediglich für seinen Wahlkreis eingesetzt, "das Schloss selbst war nie Chefsache". Alles andere sei nichts als Wahlkampf. Das sähen übrigens alle Parteien im Ort so.
Enke selbst ist SPD-Mitglied, Bürgermeister Bratz ist in der CDU. All die Ungereimtheiten, über die sich die Opposition erregt, lassen sich aus Enkes Sicht plausibel erklären. Dicke Akten hat er mitgebracht, sie sollen zeigen, dass die angeblichen Kostensteigerungen zum größten Teil auf Rechentricks beruhen. Sauber gerechnet sei die Sanierung nämlich nur 1,4 Millionen Euro teurer als zunächst gedacht.
Die Summen, die Gutland für die Pacht und später vielleicht für den Kauf des Hotels zahlen soll, wurden laut Enke von einem unabhängigen Gutachter ermittelt. Auch die fehlende Ausschreibung hat für ihn nichts Anrüchiges: "Der Bauprozess lief doch schon und einen anderen Pächter hätten wir nicht gefunden."
Was für den ehrenamtlichen Politiker Enke am Ende bleibt, ist Frustration: "Wir waren überzeugt, hier etwas Positives zu machen." Geschäftsfrau Angelika Hirsch ist ihrem Ministerpräsidenten einfach nur dankbar dafür, dass er sich so einsetze für seine Heimatstadt. "Und wenn dabei nicht alles mit rechten Dingen zugegangen sein sollte", sagt sie, "dann können wir auch nichts machen."