Neue Enthüllungen über Praktiken der Regierung Bush im Kampf gegen den islamistischen Terror beschäftigen die jetzige US-Regierung mehr, als ihr lieb ist. Entgegen dem Wunsch von Präsident Barack Obama erwägt US-Justizminister Eric Holder die Einsetzung eines Sonderermittlers, der Foltervorwürfe gegen CIA-Agenten bei Verhören von Terrorverdächtigen untersuchen soll.
Unabhängig davon meldete die New York Times am Wochenende, dass die CIA auf Anweisung des früheren Vizepräsidenten Richard Cheney die Existenz eines geheimen Antiterror-Programms selbst vor dem für die Überwachung des Dienstes zuständigen Kongress geheimgehalten habe. Der neue CIA-Direktor Leon Panetta habe das Programm sofort beenden lassen und den Kongress informiert, nachdem er darüber im vergangenen Monat unterrichtet worden sei.
Nach einem Bericht des Nachrichtenmagazins Newsweek ist sich Holder über die erheblichen politischen Konsequenzen einer Untersuchung von Foltervorwürfen im klaren. Neue Erkenntnisse über Misshandlungen, insbesondere ein CIA-interner Geheimbericht über Vorgänge in den CIA-Geheimgefängnissen, hätten Holder aber zutiefst verstört. "Welche Entscheidung ich auch treffe, ich hoffe sehr, dass sie keine negative Auswirkung auf die Vorhaben des Präsidenten haben wird", sagte Holder, "aber dies darf nicht Teil meiner Entscheidung sein."
Die Aufnahme von Ermittlungen würde mit Sicherheit einen Sturm der Entrüstung auf Seiten der Republikaner auslösen. Das Weiße Haus hat bisher stets eine Untersuchung der von Präsident George W. Bush angeordneten sogenannten verschärften Verhörpraktiken abgelehnt. Obama selbst hatte wiederholt erklärt, dass er "nach vorne und nicht zurück" schauen wolle.
Die Untersuchung würde sich nicht auf die Anordnungen hochrangiger Mitarbeiter der Bush-Regierung erstrecken. Sie dürfte sich nach übereinstimmenden Medienberichten auf die tatsächlichen Geschehnisse bei Verhören seit den Anschlägen vom 11. September 2001 konzentrieren und auf die Frage, ob Verhörtechniken jenseits der von Bush autorisierten Praktiken verwandt wurden. Bush hatte das Water Boarding erlaubt, also das simulierte Ertränken von Gefangenen. Nun soll wohl geprüft werden, ob Agenten beim Verhör eingenmächtig noch radikalere Methoden anwendeten.
Zentrale Rolle Cheneys
Auf was sich das Geheimprogramm erstreckt, dessen Existenz jetzt bekannt wurde, ist unklar. Offenbar betrifft es allerdings nicht die Verhörmethoden in den CIA-Gefängnissen, die Holder untersuchen lassen will. Das Programm wurde bereits kurz nach den Anschlägen im September 2001 eingerichtet, kam aber wohl nie voll zur Anwendung. Selbst der Top-Mann der Republikaner im Geheimdienstausschuss, Peter Hoekstra, sagte, dass der Kongress das Programm höchstens in der ersten Entrüstung nach den Anschlägen genehmigt hätte.
Das Geheimprogramm wirft ein neues Licht auf die zentrale Rolle Cheneys bei der Entwicklung und Ausführung der Anti-Terror-Maßnahmen der Bush-Administration. Cheney hatte in jüngster Zeit vehement vor Änderungen der Anti-Terror-Praktiken und vor jeder weiteren Untersuchung der Maßnahmen der Bush-Administration gewarnt.
Unterdessen wurde auch bekannt, dass die Bush-Administration Untersuchungen eines mutmaßlichen Massenmords im Herbst 2001 an gefangenen Taliban durch Truppen des afghanischen Warlords General Abdul Raschid Dostum unterbunden hat. Offenbar wollten neben dem Roten Kreuz auch das FBI und das State Department entsprechende Berichte untersuchen. Das Weiße Haus soll die Untersuchungen verhindert haben, weil Dostum zeitweise von der CIA unterstützt wurde. Die UN hatten ein entsprechendes Massengrab im vergangenen Jahr entdeckt.