Vorstoß der Grünen:Flüchtlinge sollen in gesetzliche Krankenkasse aufgenommen werden

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Viele Flüchtlinge sind krank. Körperliche Leiden sind oft das geringste Problem. (Foto: Britta Pedersen/dpa)

Sie bekommen oft nicht die Medizin, die sie brauchen. Ärzte helfen ihnen ohne Bezahlung. Asylsuchende in Deutschland sollen besser medizinisch versorgt werden. Dafür fordern die Grünen 490 Millionen Euro und eine Gesetzesänderung.

Von Guido Bohsem, Berlin

Wer krank wird als Flüchtling in Deutschland, geht meist nicht zuerst zum Arzt. Er geht zum Amt. Dort muss er sich einen speziellen Krankenschein geben lassen. Und mit diesem Schein kann er dann einen Arzt aufsuchen. Wie Flüchtlinge medizinisch versorgt werden, ist von Bundesland zu Bundesland, mitunter sogar von Kommune zu Kommune unterschiedlich. Oftmals sind die Menschen aber zunächst auf eine behördliche Beurteilung angewiesen. Nur in Notfällen dürfen sie gleich einen Arzt oder ein Krankenhaus aufsuchen.

Stellt ihnen das zuständige Amt keinen Schein für einen Arztbesuch aus, können sie nicht behandelt werden. Chronisch Kranke erhalten mitunter nur sehr schwer die Medizin, die sie regelmäßig benötigen, klagt der Flüchtlingsrat. Selbst mit Krankenschein bekommen die Flüchtlinge nicht alle Leistungen, die einem gesetzlich Versicherten in Deutschland zustehen.

Grüne wollen Zustand beenden

Und auch die Frage, wie der Arzt an sein Geld kommt oder die benötigte Medizin bezahlt wird, ist nicht einfach. Vielerorts kommt es zu Komplikationen zwischen den zuständigen Jugend- und Sozialämtern und - je nach Bundesland - den von ihnen beauftragten Krankenkassen. Angesichts der steigenden Zahl von Flüchtlingen setzen sich viele Mediziner über die behördlichen Auflagen hinweg und helfen kostenlos. Das Geld für die benötigten Medikamente bringen sie durch Spenden auf.

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Die Grünen wollen diesen Zustand beenden. Sie fordern zusätzliche Mittel im Haushalt des kommenden Jahres zur Bewältigung des Flüchtlingsstroms. 490 Millionen Euro soll Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) nach ihren Vorstellungen im Jahr an die Krankenkassen überweisen, um den Flüchtlingen - egal welchen aufenthaltsrechtlichen Status sie haben - medizinische Versorgung zu gewähren. Das Asylbewerberleistungsgesetz solle so geändert werden, dass die gesetzlichen Kassen die Flüchtlinge aufnehmen können.

"Es ist ein humanitäres Armutszeugnis, dass in Deutschland für Schutzsuchende nur eine medizinische Minimalversorgung voller bürokratischer Hürden vorgesehen ist", sagte die gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen, Maria Klein-Schmeink. Das führe dazu, dass Krankheiten unnötig aufträten oder lange verschleppt würden. "Das vergrößert das Leid der Menschen, aber auch den späteren medizinischen Behandlungsaufwand."

In Bremen erhalten Flüchtlinge schon jetzt Gesundheitskarte

Besonders schlimm sei die Situation für Asylsuchende, die an den Folgen traumatischer Ereignisse litten, sagte Klein-Schmeink. Diese hätten keinen Zugang zu psychosozialer und psychotherapeutischer Betreuung. Eine Vermittlung an niedergelassene Therapeuten sei fast unmöglich, weil die Sozialämter in der Regel keine Kostenübernahme für Psychotherapien gewährten, so die Grünen-Expertin.

Nach Angaben der Bundesregierung haben die Länder erhebliche Spielräume, wie sie die Gesundheitsversorgung von Flüchtlingen ausgestalten. Bremen gilt hier als Vorreiter. Dort haben die zuständigen Ämter mit den Krankenkassen Verträge über eine Kostenerstattung für die medizinische Versorgung abgeschlossen. Die Flüchtlinge erhalten dann eine Gesundheitskarte und können besonders in Notfällen problemlos einen Arzt aufsuchen. Bislang ist dieses Modell aber nur in Stadtstaaten aufgegriffen worden.

Nach Angaben des Arbeitsministeriums soll die Gesundheitsversorgung von Flüchtlingen ohnehin demnächst überarbeitet werden, als Reaktion auf eine neue europäische Richtlinie.

© SZ vom 26.11.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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