Vor dem Weltklimagipfel in Kopenhagen:Allerletzte Frist

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Die Hoffnungen auf ein solides Klimaabkommen in Kopenhagen schwinden - ein herber Rückschlag für den Klimaschutz. Den Staaten der Erde bleibt nun nur noch sehr wenig Zeit.

Wolfgang Roth

Was sich seit Monaten angedeutet hatte, was nach dem letzten, ernüchternden Vorbereitungstreffen der Unterhändler in Barcelona keine Überraschung mehr ist, es reift nun zur sicheren Prognose: Das in diversen Konferenzen beschworene Ziel, in diesem Jahr noch den soliden Rahmen für ein globales Klimaschutz-Abkommen in der Nachfolge des Kyoto-Protokolls zu zimmern, ist illusorisch geworden.

Das Treibhausgas Kohlendioxid trägt maßgeblich zur Erderwärmung bei. Im Bild ein Braunkohlekraftwerk in Niedersachsen. (Foto: Foto: dpa)

Daran ist nicht mehr zu zweifeln, wenn nicht einmal der dänische Ministerpräsident Lars Løkke Rasmussen als Repräsentant des traditionell optimistisch auftretenden Gastgebers noch an einen Erfolg glaubt. Kopenhagen wird eine Station von vielen werden auf dem schwierigen Weg der Staatengemeinschaft, die Treibhausgase in diesem Jahrhundert gerade noch auf ein halbwegs erträgliches Ausmaß zu begrenzen.

Nur eine weiche Erklärung

Höchstens eine Erwärmung des Erdklimas um zwei Grad, das ist die Vorgabe. Das Kyoto-Protokoll, 1997 verabschiedet, aber erst 2005 in Kraft getreten, war ein erster Schritt. Der zweite Schritt, die Stabilisierung der Treibhausgase auf globalem Niveau, dieser Schritt steht nun an für den Zeitraum von 2013 bis 2020. Kopenhagen wird nicht die Wegmarke setzen. Die Konferenz im Dezember wird wohl mit einer weichen Erklärung enden, mit jener Art von Minimalkonsens, der keinem Staat Konkretes abverlangt und alle in die moralische Pflicht nimmt, ihren Teil zur Abmilderung des Klimawandels beizutragen.

Das Ergebnis könnte etwas in der Art des "Berliner Mandats" sein, benannt nach dem Treffpunkt der Klimakonferenz 1995, als unter energischem Einsatz auch der deutschen Umweltministerin Angela Merkel der Grundstein für Kyoto gelegt wurde.

Der Grundstein, mehr nicht. Nur noch drei Jahre hat die Staatengemeinschaft Zeit, um die Zielmarken zu setzen - Rückgang der Treibhausgase in den klassischen Industrieländern des Westens, nur noch maßvolle Zunahme in den aufstrebenden Schwellenländern. Ende 2012 soll nämlich abgerechnet werden, dann endet die Verpflichtungsperiode von Kyoto.

Wenn die zweite Periode beginnt, ist der reiche Teil der Welt stärker als bisher mit den verständlichen Transferforderungen der ärmeren und bettelarmen Weltregionen konfrontiert, die moderne Technik für eine klimafreundliche Entwicklung benötigen und viel Geld, um den schlimmsten Folgen des Klimawandels zu begegnen. Etwa 100 Milliarden Euro werden dafür von 2020 an jährlich gebraucht, auf diese Größenordnung haben sich die EU-Mitglieder jüngst geeinigt. Es wird bei weitem nicht reichen, das ist jetzt schon klar.

Drei Jahre: Das klingt nach viel Zeit, ist aber bedrückend kurz angesichts der komplexen Detailfragen. Wie schwierig der Pfad nach dem Kopenhagen-Gipfel sein wird, veranschaulicht der Folgeprozess nach Kyoto. Vieles von dem, worum damals gerungen wurde, wird wieder auf die Tagesordnungen kommen, auch die trickreichen und oft erfolgreichen Versuche, den Klimaschutz-Verpflichtungen mit Hilfe von Schlupflöchern zu entkommen.

Wieder wird es darum gehen, in welchem Umfang Investitionen für den Klimaschutz zur Anrechnung kommen dürfen, die nicht im eigenen Land getätigt werden; wieder wird es darum gehen, ob diese Projekte zusätzlichen Nutzen haben, ob sie nicht sowieso verwirklicht würden, auch ohne ausländische Hilfe und fremdes Knowhow. Erneut werden sich Staaten wie Russland vehement dafür einsetzen, dass die Wälder ihrer Kohlenstoff-Bilanz gutgeschrieben werden, erneut darf gestritten werden, inwieweit sich der Wechsel zu anderen landwirtschaftlichen Methoden niederschlägt, obwohl solche Veränderungen oft kaum messbar sind.

Und es wird eine Wiederauflage der ewigen Debatte geben, ob die Kernkraft als klimafreundliche Energieform einzustufen ist, weil weniger Treibhausgas freigesetzt wird als bei der Verbrennung von Kohle, Gas und Erdöl. Es war nicht zuletzt eine vormals atomkritischere deutsche Regierung, die sich solchen Initiativen widersetzen konnte.

Scheinwerfer auf Obama

Für Norbert Röttgen, den jungen Umweltminister der Bundesrepublik, ist Kopenhagen kein guter Einstand. Aber das Schicksal, sich gleich zu Beginn der Amtszeit in stockenden Verhandlungen bewähren zu müssen, teilt er mit seinem Vorgänger Sigmar Gabriel. Ohnehin wird Angela Merkel im Licht stehen, wenn sie es nicht doch noch vorzieht, sich einen mehr oder weniger zum Scheitern verurteilten Gipfel zu ersparen.

Die meisten Scheinwerfer aber würde einer auf sich richten, der den Kämpfern gegen den Klimawandel weltweit die größte Hoffnung gegeben hat - wenn er denn kommt. Barack Obama, so viel ist sicher, wird aber auch im Fall seiner Absenz ständig präsent sein - in den Reden, in den Gesprächen der Klimakarawane, die seit der Umweltkonferenz in Rio 1992 durch die ganze Welt zieht.

Für Deutschland und die Europäische Union ist ein Stillstand der internationalen Verhandlungen keine Entschuldigung für laxe Klimapolitik: Die Minimierungsziele - 40 Prozent auf nationaler Ebene und 20 Prozent auf europäischer- existieren unabhängig davon, ob andere Staaten mitziehen.

© SZ vom 16.11.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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