Verteidigungspolitik:Im Dickicht des Beschaffungswesens

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Stürmische Zeiten für Ursula von der Leyen? Im Beschaffungswesen drohen ständig neue Skandale. (Foto: dpa)

Ursula von der Leyen muss sich mit einem Thema beschäftigen, bei dem Verteidigungsminister fast nur verlieren können: den Rüstungskäufen für die Bundeswehr. Wegen der jüngsten Probleme bei der Aufklärungsdrohne "Euro Hawk" steht vor allem ein Mann heftig in der Kritik: Staatssekretär Stéphane Beemelmans.

Von Christoph Hickmann, Berlin

Es war eine Nachricht der kuriosen Art, die in der vergangenen Woche die Runde machte. Leicht zugespitzt lautete sie: Der Euro Hawk ist wieder im Spiel.

Der Euro Hawk? Jene Aufklärungsdrohne, deren Beschaffung der damalige Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) im vergangenen Jahr gestoppt hatte, um sich dann in Widersprüche zu verwickeln, deretwegen er fast zurückgetreten wäre? Jenes Fluggerät, das nach landläufiger Vorstellung längst eingemottet ist, nutzlos, weil es zu teuer geworden wäre, eine Zulassung zu bekommen? Die Nachricht löste nicht nur bei Kennern der wehrtechnischen Szenerie Erstaunen aus.

Und so kam sie zustande: Der Euro Hawk bestand stets aus zwei Komponenten - dem eigentlichen Fluggerät und dem Aufklärungssystem Isis. Als im vergangenen Jahr klar war, dass das Verteidigungsministerium mit dem Euro Hawk Millionen in den Sand gesetzt hatte, rechneten die Verantwortlichen stets vor, dass wegen Isis eben nicht alles umsonst gewesen sei: Das System könne man notfalls auch in ein anderes Fluggerät einbauen, etwa ein Passagierflugzeug - dann sei zumindest dieser Teil des Entwicklungsprojekts nicht umsonst gewesen.

Ein undankbarer Komplex

Nun aber stellt sich heraus, dass sämtliche angedachten Varianten deutlich teurer sind als erwartet - und zwar so teuer, dass man nicht mehr unendlich weit von jener Summe entfernt wäre, die eine Zulassung des Euro Hawk wohl noch gekostet hätte. Könnte die eigentlich gescheiterte Drohne also doch noch mal eine Option werden? So wird es wohl nicht kommen - doch die Posse ist nur eine von vielen Absurditäten, auf die man bei der Beschäftigung mit Rüstungsvorhaben trifft.

Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) hat während ihrer ersten beiden Monate im Amt einen Crashkurs in Sicherheitspolitik hinter sich gebracht, nun beginnt die Auseinandersetzung mit jenem Gebiet, das schon manchen Vorgänger ins Straucheln gebracht hat: mit dem sogenannten Beschaffungswesen. Hier drohen ständig neue Skandale, hier kann im Dickicht des Ministeriums samt nachgelagerter Behörden stets etwas aus dem Ruder laufen, ohne dass es oben ankommt.

Die neuste Entwicklung in Sachen Euro Hawk war das erste Indiz dafür, dass von der Leyen sich nun mit diesem undankbaren Komplex beschäftigen muss, am Mittwoch berichtete Spiegel Online über ein neues Ärgernis: Die Grünen werfen dem Verteidigungsministerium vor, knapp 55 Millionen Euro ausgegeben zu haben, ohne den Bundestag informiert und um seine Zustimmung gebeten zu haben.

Dabei geht es um eine (an sich nicht umstrittene) Ausgleichszahlung an das Unternehmen MTU, einen Hersteller von Flugzeugturbinen. Grund für die Zahlung ist die Verkleinerung der deutschen Eurofighter-Bestellung von zunächst geplanten 180 auf 140 Kampfflugzeuge. Ende Dezember wurde überwiesen - ohne dass der Haushaltsausschuss zugestimmt hätte. Ministerin von der Leyen, vereidigt am 17. Dezember, sei "stinksauer", so werden Verteidigungspolitiker der großen Koalition zitiert. Auf wen?

Unterschrieben haben im Dezember die Staatssekretäre Rüdiger Wolf und Stéphane Beemelmans. Wolf ist nicht mehr im Amt, von der Leyen ersetzte ihn unmittelbar nach Dienstantritt durch ihren Vertrauten Gerd Hoofe. Also dürfte sich der Zorn gegen Beemelmans richten. Den hatte sie von ihrem Vorgänger de Maizière übernommen.

Zwar hatte Beemelmans in der Euro Hawk-Affäre eine recht unglückliche Figur abgegeben und im Verteidigungsausschuss durch überhebliche Auftritte regelmäßig Befremden ausgelöst. Doch de Maizière empfahl von der Leyen seinen Staatssekretär als den Garanten dafür, dass die Bundeswehrreform umgesetzt werde. Schon damals unkte mancher im Ministerium, die neue Chefin brauche Beemelmans weniger als Reformer denn als Puffer - um beim ersten Rüstungsskandal jemanden zur Verantwortung ziehen zu können.

Großprojekte mit Risiken

Hört man sich dieser Tage unter Verteidigungspolitikern um, entsteht der Eindruck, dass Beemelmans womöglich bereits jetzt auf der Kippe stehen könnte. Da ist nicht nur die Rede von der stinksauren Ministerin. Es kursiert auch die Geschichte von einem Vermerk, auf dem von der Leyen ihn in deutlichen Worten zurechtgewiesen haben soll. Und da war sein Auftritt im Verteidigungsausschuss am Mittwoch. Als Beemelmans dort gegen Mittag erschien, um in Sachen Eurofighter und Euro Hawk Rede und Antwort zu stehen, hielt ihm der SPD-Obmann Rainer Arnold vor, es sei "Vertrauen zerstört". Zwar hatte sich Arnold bereits während der Euro Hawk-Affäre an Beemelmans abgearbeitet - aber da war er noch Oppositionspolitiker.

Was die Zahlung am Parlament vorbei angeht, muss man Beemelmans zugute halten, dass es offenbar eine Rückzahlklausel für den Fall gibt, dass der Haushaltsausschuss nicht zustimmen sollte. Ansonsten verteidigte er sich damit, dass es im Dezember ja wegen der langen Koalitionsverhandlungen keinen Haushaltsausschuss gegeben habe. (Allerdings gab es den Hauptausschuss als provisorisches Gremium.) Im Verteidigungsausschuss gab Beemelmans außerdem an, es habe die klare Anweisung gegeben, die zuständigen Ausschüsse zu informieren, sobald es möglich sei.

Es gibt weitere Problem-Projekte, etwa den Schützenpanzer Puma, der zuletzt noch diverse Mängel hatte. Noch hat von der Leyen die Chance, sich von jedem Rüstungsmurks als "Altlast" zu distanzieren. Tauchen aber in der zweiten Jahreshälfte neue Schwierigkeiten auf, dürften ihr die bereits voll angerechnet werden. Umso gründlicher sollte die Bestandsaufnahme ausfallen. Für Mittwochabend hatte die Ministerin die Verantwortlichen im Haus zu einem sogenannten Rüstungs-Board eingeladen. Besprochen werden sollten die Großprojekte - samt sämtlicher Risiken.

© SZ vom 20.02.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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