In der Bundesregierung hat sich ein Streit über die Beobachtung von Abgeordneten der Linkspartei durch den Verfassungsschutz entzündet. Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) kritisierte scharf, dass frei gewählte Abgeordnete ins Visier der Verfassungsschützer gerieten. Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) verteidigte das Vorgehen.
Der Verfassungsschutz dürfe nicht die Arbeit gewählter Abgeordneter beeinträchtigen, sagte Leutheusser-Schnarrenberger der Süddeutschen Zeitung. "Wenn es tatsächlich wahr ist, dass langjährige Bundestagsmitglieder bis hin zur Bundestagsvizepräsidentin überwacht werden, wäre das unerträglich." Die Ministerin forderte den Verfassungsschutz auf, seine "Schwerpunkte zu überdenken".
CSU-Minister Friedrich widersprach seiner Kabinettskollegin. Es gebe eine "Reihe von Hinweisen" darauf, dass es in der Linkspartei verfassungsfeindliche Tendenzen gebe, sagte der Minister in Berlin. Deshalb müsse der Verfassungsschutz "zumindest darüber berichten". Das gelte insbesondere für Führungsmitglieder der Partei. Es sei "einigermaßen abwegig", wenn Leutheusser-Schnarrenberger ein Ende der Beobachtung von Abgeordneten fordere.
CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt verlangte, die Beobachtung der Linksfraktion noch auszuweiten. Die Beobachtung "gehört intensiviert statt reduziert", sagte Dobrindt der Passauer Neuen Presse. Es stelle sich die Frage, warum nicht die gesamte Bundestagsfraktion beobachtet werde.
Die Linkspartei veröffentlichte derweil die Liste mit den 27 beobachteten Abgeordneten auf ihrer Internetseite. Unter anderem sind darauf die Namen von Fraktionschef Gregor Gysi, seiner Stellvertreter Sahra Wagenknecht und Dietmar Bartsch sowie von Parteichefin Gesine Lötzsch zu finde. Ko-Parteichef Klaus Ernst steht dagegen nicht auf der Liste. Fast alle Beobachteten stammen aus der früheren PDS und haben Wahlkreise in Ostdeutschland.
Nachfolgend dokumentiert die Süddeutsche Zeitung jene Liste, die Gysi am Dienstag in der Fraktionssitzung vorgetragen hat. Die Partei verwies auf die teils falschen Sprecherfunktionen und Ausschussmitgliedschaften, die den Abgeordneten zugeordnet worden waren. Die SZ dokumentiert diese Liste unverändert:
1. Dietmar Bartsch - stellv. Fraktionsvorsitzender, Mecklenburg-Vorpommern; Haushaltsausschuss
2. Matthias W. Birkwald - Sprecher für Rentenpolitik, NRW; Ausschuss für Arbeit und Soziales
3. Christine Buchholz - Friedenspolitische Sprecherin, Hessen; Auswärtiger Ausschuss
4. Steffen Bockhahn - Mecklenburg-Vorpommern; Haushaltsausschuss, Vertrauensgremium § 10
5. Eva Bulling-Schröter - Umweltpolitische Sprecherin, Bayern; Umweltausschuss (Vorsitzende)
6. Martina Bunge - Gesundheitspolitische Sprecherin, Mecklenburg-Vorpommern; Gesundheitsausschuss
7. Roland Claus - Sachsen-Anhalt; Haushaltsausschuss, Finanzmarktstabilisierungsgremium
8. Diether Dehm - Europapolitischer Sprecher, Niedersachsen; Ausschuss für Europäische Angelegenheiten
9. Dagmar Enkelmann - Parlamentarische Geschäftsführerin, Brandenburg; Ältestenrat, Vermittlungsausschuss, Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung (stellv. Vorsitzende)
10. Wolfgang Gehrcke - Außenpolitischer Sprecher, Hessen; Auswärtiger Ausschuss
11. Nicole Gohlke - Hochschulpolitische Sprecherin, Bayern; Ausschuss Bildung und Forschung
12. Gregor Gysi - Fraktionsvorsitzender, Berlin; Gemeinsamer Ausschuss
13. Ulla Jelpke - Innenpolitische Sprecherin, NRW; Innenausschuss
14. Katja Kipping - stellvertretende Bundesvorsitzende, Sozialpolitische Sprecherin, Sachsen; Ausschuss für Arbeit und Soziales (Vorsitzende)
15. Harald Koch - Sachsen-Anhalt; Finanzausschuss, Verteidigungsausschuss
16. Jan Korte - Datenschutzbeauftragter, Sachsen-Anhalt; Innenausschuss
17. Katrin Kunert - Sport- und Kommunalpolitische Sprecherin, Sachsen-Anhalt; Sportausschuss, Unterausschuss Kommunalpolitik
18. Michael Leutert - Sachsen; Haushaltsausschuss
19. Ulla Lötzer - Gewerkschaftspolitische Sprecherin, NRW; Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
20. Gesine Lötzsch - Bundesvorsitzende, Haushaltspolitische Sprecherin, Berlin; Haushaltsausschuss, Rechnungsprüfungsausschuss
21. Dorothée Menzner - Parlamentarische Geschäftsführerin, Energiepolitische Sprecherin, Niedersachsen; Umweltausschuss, Gorleben-Untersuchungsausschuss
22. Petra Pau - Berlin; Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages, Ältestenrat (stellv. Vorsitzende), Innenausschuss
23. Paul Schäfer - Verteidigungspolitischer Sprecher, NRW; Verteidigungsausschuss
24. Ilja Seifert - Behinderten- und Tourismuspolitischer Sprecher, Sachsen; Ausschuss für Tourismus
25. Kersten Steinke - Thüringen; Petitionsausschuss (Vorsitzende)
26. Sahra Wagenknecht - Stellv. Fraktionsvorsitzende, Wirtschaftspolitische Sprecherin, NRW; (stellv. Mitglied im Wirtschafts- und im Finanzausschuss)
27. Halina Wawzyniak - stellvertretende Bundesvorsitzende, Berlin; Rechtsausschuss (stellv. Vorsitzende)