Der neue US-Präsident Donald Trump will die nationalen Interessen Amerikas künftig zum alleinigen Maßstab seiner Politik machen. Die Welt müsse zur Kenntnis nehmen, dass seine Regierung jede politische Entscheidung danach bewerten werde, ob sie den Amerikanern nütze oder nicht, sagte Trump am Freitag nach seiner Vereidigung in Washington. "Amerika zuerst" sei von nun an das Leitmotiv der US-Politik.
Trump macht damit ein zentrales Versprechen aus dem Wahlkampf zur offiziellen Regierungslinie - America first. Wie schon bei vielen Wahlveranstaltungen beklagte er auch in seiner Antrittrede, dass die USA seit Langem unter offenen Grenzen und Freihandel litten und sich zu sehr um das Wohlergehen anderen Staaten in der Welt gekümmert hätten. Das habe Amerika Milliarden gekostet und fremde Länder reich gemacht, den Amerikanern seien indessen die Jobs "gestohlen" worden. "Der Reichtum wurde der amerikanischen Mittelklasse entrissen und über die ganze Welt verteilt", so Trump. Damit sei nun Schluss, er werde die Grenze schützen - gegen illegale Einwanderer genauso wie gegen wirtschaftliche Konkurrenz. "Wir werden unser Land wieder aufbauen", versprach Trump. Davon würden amerikanische Firmen und Arbeiter profitieren, nicht das Ausland.
Trump geht deutlich weiter
Zwar haben die USA bei ihrer Politik schon immer ihre nationalen Interessen im Blick gehabt. Trump ging jedoch deutlich weiter. Seine Rede hatte nicht nur den in den USA üblichen patriotischen, sondern einen regelrecht nationalistischen Unterton. Macht er wahr, was er angekündigt hat, so wird Amerikas unmittelbarer Nutzen - und vor allem der wirtschaftliche Nutzen - künftig das wichtigste Entscheidungskriterium in Washington sein. Das kann enorme Folgen für die gesamte amerikanische Außen- und Sicherheitspolitik haben, ebenso für die Handels-, Einwanderungs- oder Klimaschutzpolitik.
Der nationale Populismus in Trumps Rede war gepaart mit fast schon revolutionärem Pathos. Trump übte wie schon im Wahlkampf heftige Kritik an den Politikern in Washington, die angeblich nur für sich sorgten, nicht für die einfachen Leute. Das "Establishment" habe immer nur sich selbst geschützt, alle Kosten aber den Bürgern aufgeladen, so Trump. Mit seinem Amtsantritt habe das ein Ende, die Macht gehe nun an das Volk über: "Dies ist der Tag, an dem das Volk wieder zum Herrscher geworden ist."
Konkrete politische Vorhaben sprach Trump nicht an, außer dem vagen Versprechen, neue Straßen und Brücken bauen zu wollen. Ebenso wenig ging er auf seine Kritiker zu oder denjenigen Teil der amerikanischen Wähler, die nicht für ihn gestimmt haben. Versöhnliche Gesten, Verständnis für seine politischen Gegner oder ein Zeichen, dass er die zerrissene amerikanische Gesellschaft einen möchte, fehlten völlig in der Rede.
Stattdessen zeichnete Trump wie im Wahlkampf ein düsteres Bild des Landes. Die USA seien von Drogen, Gewalt und Kriminalität zerfressen, verrostete Fabriken stünden in der Landschaft wie Grabsteine, beklagte er. "Diese Verwüstung Amerikas wird hier und heute ein Ende finden", versprach der neue Präsident - ein harter Hieb gegen seinen anwesenden Vorgänger Barack Obama, der durch seine Wirtschaftspolitik Amerika aus einer tiefen Rezession geholt hat und Trump ein durchaus prosperierendes Land und einen Aktienmarkt auf Rekordhoch hinterlässt.
Auch die Europäer werden sich auf einen neuen Ton im Umgang mit Amerika einstellen müssen
Durch seine populistische Rede bestätigte Trump, was sich schon in den zweieinhalb Monaten seit seinem Wahlsieg gezeigt hatte - dass er nicht die Absicht hat, sich oder seinen politischen Kurs zu ändern, sondern dass er sein Wahlkampfprogramm so weit als möglich umsetzen will. Ob dieses aggressive Auftreten gut ist für das Land, das Trump regieren wird, kann man bezweifeln. Die amerikanische Gesellschaft ist politisch, sozial, kulturell und wirtschaftlich tief gespalten. Und Trump, der die Wahl nur knapp gewann, ist alles andere als unumstritten. Der Vorwurf der US-Geheimdienste, Russland habe versucht, die Wahl zu seinen Gunsten zu manipulieren, die Berufung etlicher Milliardäre und Banker ins Kabinett, seine beleidigten Wortduelle mit Kritikern - all das hat Trumps Ansehen seit dem Wahlsieg sinken lassen. Umfragen zufolge ist der neue Präsident nur noch bei 40 Prozent der Amerikanern beliebt.
Trotzdem will Trump das Land politisch umkrempeln. Das meiste von dem, was Obama als sein politisches Erbe sieht, wollen Trump und die Republikaner im Kongress rückgängig machen, vor allem die verhasste Gesundheitsreform Obamacare. Die Macht dazu hat Trump: Zumindest für die nächsten beiden Jahre haben seine Republikaner sowohl im Abgeordnetenhaus als auch im Senat die Mehrheit.
Auch die Europäer werden sich auf einen neuen Ton im Umgang mit Amerika einstellen müssen. Trump hat in seiner Rede klar gemacht, dass er im Kern ein nationalistischer Außenpolitiker ist, seine Ansprache enthielt keinerlei Referenz an Amerikas Verbündete. Seine Bereitschaft, für die Verteidigung anderer Länder Geld auszugeben, ist gering. Er sieht die USA auch nicht als Schutzmacht demokratischer Werte in der Welt; und er ist der erste US-Präsident seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs, der offen Zweifel am Wert der europäischen Einigung und der Existenz der Nato geäußert hat. In einer Zeit, in der Russland mit diplomatischen, geheimdienstlichen und militärischen Mitteln versucht, den Westen zu schwächen, ist das eine Haltung, die für das geeinte Europa eine ernsthafte Gefahr darstellt.
Während Trumps Amtseinführung kam es in der Innenstadt von Washington zu teilweise gewalttätigen Protesten. Vermummte Demonstranten schlugen Scheiben ein, die Polizei versprühte Tränengas. Am Wochenende sind weitere Protestmärsche geplant.