Venezuela:Eine Tat, viele Motive

Der Anschlag auf Maduro könnte viele Interessen bedienen.

Kommentar von Boris Herrmann

Durchaus möglich, dass jemand den venezolanischen Präsidenten Nicolás Maduro töten wollte. Motive dürfte es genug dafür geben. Selten wurde in so kurzer Zeit so viel Reichtum vernichtet und veruntreut wie unter Maduros Kommando. Heute regiert die humanitäre Krise. Es fehlt an Nahrungsmitteln, Medikamenten und Bargeld, die Hyperinflation erinnert an die Lage in der Weimarer Republik.

Gemessen daran war es auf den Straßen zuletzt gespenstig ruhig geblieben. Das liegt an der Angst vor der Brutalität des Regimes. Bei der letzten großen Protestwelle vor gut einem Jahr wurden über einhundert Demonstranten getötet. Maduro hielt sich damals im Amt, weil ihm die mit Privilegien gekaufte Armeeführung treu zur Seite stand. Aber auch Soldaten hungern oder werden krank. Deshalb ist es nicht undenkbar, dass sich Teile der Streitkräfte abgespalten und zum Tyrannenmord entschlossen haben.

Genauso könnte der Anschlag aber auch inszeniert worden sein, um Repressionen zu rechtfertigen. Maduros Behauptung, Kolumbiens scheidender Präsident Juan Manuel Santos stecke hinter dem Attentat, ist sicherlich grober Unfug. Bis zum Beweis des Gegenteils ist deshalb höchste Skepsis angebracht. Die Wahrheit war eines der ersten Opfer im Staate Maduro.

© SZ vom 06.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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