Venezuela:Als Diktator abgestempelt

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Die USA verschärfen den Ton gegen Staatschef Maduro - doch dieser feiert seinen "Sieg des Friedens". Sein Parallelparlament soll am Mittwoch zusammenkommen.

Von Boris Herrmann und Claus Hulverscheidt, Buenos Aires/New York

Auch nach der Wahl demonstrieren die Venezolaner gegen Maduros Parallelparlament. In Caracas gedenken sie den 125 Toten, die in den vergangenen Monaten bei den blutigen Unruhen ums Leben gekommen sind. (Foto: Ariana Cubillos/AP)

Kim Jong-un, Baschar al-Assad, Robert Mugabe - es ist eine ebenso illustre wie wenig schmeichelhafte Reihe, in die die US-Regierung den venezolanischen Präsidenten Nicolás Maduro jetzt gestellt hat. Er unterdrücke sein Volk, schere sich nicht um dessen Willen und versuche, ein autoritäres Regime zu errichten, sagte US-Finanzminister Steven Mnuchin am Montagabend in Washington. Deshalb habe man all seine Vermögenswerte in den USA eingefroren und amerikanischen Bürgern wie Firmen untersagt, Geschäfte jedweder Art mit ihm zu machen. Nach amerikanischer Lesart ist Maduro damit offiziell "ein Diktator".

Diese deutliche Verschärfung des Tonfalles gegenüber dem Krisenstaat Venezuela ist eine Reaktion auf die weltweit kritisierte Scheinwahl vom Sonntag. Präsident Maduro hatte sein Volk zur Wahl einer verfassungsgebenden Versammlung aufgerufen. Der Modus bevorteilte eindeutig das Regierungslager, weshalb das Oppositionsbündnis MUD die Abstimmung boykottierte. Der MUD hält im politisch längst kaltgestellten Parlament eine komfortable Mehrheit. Nun hat Maduro in Caracas de facto ein Parallelparlament installiert, das die Verfassung umschreiben soll. Nicht nur in Washington wird das als entscheidender Schritt in Richtung Abschaffung der Demokratie in Venezuela interpretiert.

Gut 30 Millionen Dollar fließen täglich in Cash nach Caracas - fürs Öl

Es geschieht nicht oft, dass die USA einen ausländischen Regierungschef persönlich mit Sanktionen belegen. Meist sind entweder ganze Regierungen, einzelne Minister oder aber Personen betroffen, die den jeweiligen Machthabern bei der Abwicklung von Finanzgeschäften zu Diensten sind. Dass sich Präsident Donald Trump nun Maduro direkt vorknöpft und die nur drei Namen umfassende Liste der übrigen betroffenen Staatschefs aus Nordkorea, Syrien und Zimbabwe gleich mitliefert, macht deutlich, für wie gravierend er den seit Monaten tobenden Machtkampf in dem südamerikanischen Land hält.

Allerdings dürfte Trumps Entscheidung zu einem nicht unerheblichen Teil auch Symbolpolitik sein, denn ob Maduro überhaupt Vermögenswerte in den USA besitzt, blieb zunächst unklar. Vor dem Einsatz seiner schärfsten Waffe, einem Einfuhrstopp für venezolanisches Öl in die USA, schreckte der amerikanische Präsident vorerst zurück. Finanzminister Mnuchin sagte, die Sanktionen zielten direkt auf den Machthaber in Caracas und schonten das Volk. Zugleich betonte er, dass sich Washington für die Zukunft "alle Optionen offenhält" - auch ein Ölembargo.

Es sei der "schwerster Fehler seines Lebens", wenn Trump sich mit ihm anlege, sagte Maduro

Bisher kommen zehn Prozent der US-Ölimporte aus Venezuela, für die Vielzahl der Raffinerien an der Golfküste ist das Land sogar der wichtigste Rohstofflieferant. Umgekehrt sind die USA der größte Kunde des staatlichen venezolanischen Erdölkonzerns PDVSA. Gut 30 Millionen Dollar fließen dafür täglich in Cash nach Caracas. Das sind Devisen, ohne die das Maduro-Regime komplett handlungsunfähig wäre. Die Frage, ob die US-Ölindustrie in die jetzt verhängten Sanktionen einbezogen werden sollte, war nach Medienberichten im Weißen Haus umstritten. Die Befürworter verwiesen darauf, dass ein Embargo Maduro an der empfindlichsten Stelle treffen würde. Die Gegner warnten vor der Verschlimmerung der Krise in Venezuela und vor negativen Auswirkungen auf die Benzinpreise in den USA.

Maduro selbst zeigte sich von den Maßnahmen demonstrativ unbeeindruckt. Wie üblich nutzte er die Attacken von außen für seine Propaganda nach innen. "Ich gehorche keinen Befehlen von Imperialisten", sagte er in einer Ansprache im Staatsfernsehen. Und wenn man Sanktionen gegen ihn verhänge, weil er die Freiheit seines Landes verteidige, dann wünsche er sich "noch mehr von diesen Sanktionen!" Gleichzeitig ließ er wissen, dass Trump den "schwersten Fehler seines Lebens" begehe, wenn er sich mit der Bolivarischen Republik Venezuela anlege. Maduro bezeichnete sein Land tatsächlich als eine "Garantie der Stabilität in Lateinamerika".

Kritiker Maduros beklagen seine notorische Realitätsverweigerung.

In den Grenzgebieten der Nachbarstaaten Kolumbien und Brasilien warnen Menschenrechtsorganisationen vor einer Krise, weil Zehntausende Venezolaner zu Fuß ihr Land verlassen. Manche treibt der Hunger an, manche die Angst vor der ausufernden Gewalt. Maduro feierte nach der Abstimmung vom Sonntag einen "Sieg des Friedens". Allein an diesem Tag gab es im Zusammenhang mit dieser Scheinwahl mindestens zehn Tote. Viele unabhängige Beobachter sind sich zudem einig, dass die angebliche Wahlbeteiligung von gut 41 Prozent frei erfunden ist. Die Opposition spricht von einer Verdreifachung der tatsächlichen Zahl und vom "größten Wahlbetrug unserer Geschichte".

Zwei der bekanntesten Leute des MUD-Bündnisses, Leopoldo López und Antonio Ledezma, wurden am Dienstag offenbar vom Geheimdienst verhaftet. Beide saßen zuletzt im Hausarrest fest. Maduro hatte zuvor Festnahmen von Oppositionspolitikern angekündigt, die zum Widerstand gegen seine Verfassungsreform aufgerufen hätten. "Ihre Gefängniszellen warten schon."

Maduros Parallelparlament soll an diesem Mittwoch erstmals zusammenkommen - und zwar im selben Gebäude, in dem auch die 2015 gewählte, legitime Nationalversammlung sitzt. Der stellvertretende Parlamentspräsident Freddy Guevara rief die Venezolaner dazu auf, das Haus gegen diesen Angriff zu verteidigen. Die nächsten blutigen Ausschreitungen sind praktisch programmiert.

© SZ vom 02.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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