Vatikan:Kardinal Pell zu Besuch beim Papst

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Papst Franziskus (re.) und Kardinal George Pell im Apostolischen Palast. (Foto: dpa)

Papst Franziskus empfängt den australischen Kurienkardinal Pell in seiner Bibliothek - ein Zeichen der Rehabilitierung. Pell war in Australien wegen sexuellen Missbrauchs verurteilt, dann aber vom Obersten Gericht freigesprochen worden.

Von Oliver Meiler, Rom

Bilder haben Gewicht, gerade wenn sie von schwerem Protokoll unterlegt sind. Vielleicht gereichen sie in diesem Fall zu einer moralischen Wiedergutmachung - oder sogar zu einer späten Revanche für den australischen Kurienkardinal George Pell, den einst mächtigsten Mann im Finanzapparat des Vatikans.

Papst Franziskus hat den 79 Jahre alten Pell in seiner Bibliothek empfangen, eine halbe Stunde lang. Das allein ist noch nicht außergewöhnlich: Privataudienzen mit hohen Gästen und Prälaten finden meistens im zweiten Stock des Apostolischen Palasts statt, auch die Dauer ist ungefähr immer dieselbe. Wenn sich der Pontifex aber mit seinen Mitarbeitern trifft, sind normalerweise keine Fotografen und Kameraleute dabei. Diesmal schon.

Die vatikanische Zeitung Osservatore Romano berichtete ausgiebig. Vatican News vertrieb die Videosequenz der Begegnung und meldete, das Treffen sei "sehr herzlich" ausgefallen. Man hört Franziskus darin sagen: "Es ist eine Freude, Sie zu sehen. Danke für das Zeugnis, danke - mehr als ein Jahr."

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Zu diesem Ergebnis kommt eine Untersuchung der australischen Regierung von 2017. Doch erst jetzt wurden die Erkenntnisse über den ehemaligen Finanzchef des Vatikans veröffentlicht.

404 Tage - so viele waren es genau - saß George Pell in seiner Heimat in Haft. Verurteilt wegen angeblichen sexuellen Missbrauchs von zwei Chorknaben in der Sakristei der Kathedrale von Melbourne 1996 und verwahrt in einem Hochsicherheitsgefängnis, bis ihn im vergangenen April das Oberste Gericht Australiens freigesprochen hat.

Drei Jahre war er weg, nun ist er zurück in Rom. "Rehabilitiert" gewissermaßen, aber offenbar keineswegs besänftigt. Aus seiner Entourage haben italienische Zeitungen erfahren, dass Pell enttäuscht sei darüber, dass ihm der Papst während der drei Jahre, da er im Sturm falscher Anschuldigungen stand, nie öffentlich seine Solidarität kundgetan habe. Erst als er dann freikam, sprach Franziskus in einer Frühmesse von der "Verfolgung Jesu" und "Verbissenheit der Doktoren des Gesetzes". Gemeint war Pells Schicksal.

Die Bilder aus der päpstlichen Bibliothek sind wohl auch eine Entschädigung für das lange Schweigen. Aber ob sie ausreicht? Der groß gewachsene Australier, den man wegen seines rauen Umgangstons und seiner sportlichen Vorliebe auch den "Rugbyspieler Gottes" nennt, traut jetzt angeblich niemandem mehr über den Weg.

Er soll gar mit dem Gedanken spielen, seine Wohnung im Schatten der vatikanischen Mauern aufzugeben und stattdessen in die Domus Australia zu ziehen - so heißt eine schöne Residenz für hohe Geistliche aus Australien beim römischen Hauptbahnhof. Italienische Medien berichten, Pell treibe die Vermutung um, seine Wohnung sei in seiner Abwesenheit womöglich verwanzt worden.

Vor allem aber glaubt er, Opfer einer Verschwörung geworden zu sein, orchestriert von seinem früheren Gegenspieler im Vatikan, dem neulich erst in Ungnade gefallenen sardischen Kardinal Angelo Becciu. Als Pell 2014 vom Papst zum Präfekten des neu geschaffenen Wirtschaftssekretariats berufen wurde, damit er die Finanzen des Kirchenstaates aufräume, war Becciu Substitut im Staatssekretariat und als solcher Verwalter der päpstlichen Kasse, in der unter anderem auch der Peterspfennig für karitative Zwecke eingelegt ist.

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Die beiden mochten einander nicht, das war bekannt. Als Pell dann den dubiosen Investitionsmethoden Beccius auf die Schliche kam, entbrannte die Rivalität mit aller Wucht. Pell forderte Becciu auf, seine Anlagen und Ausgaben in der ordentlichen Buchhaltung zu notieren, für alle einsehbar. Der weigerte sich und gewann den Machtkampf, fürs Erste wenigstens.

Vor zweieinhalb Wochen aber stürzte Becciu über die vielen Ungereimtheiten seines Handelns - etwa beim Kauf einer Luxusimmobilie in London, bei seinen üppigen Zuwendungen für seine drei Brüder und für eine mysteriöse 39 Jahre alte Sardin. Alles aus der "reservierten Kasse". Der Papst zwang ihn zum Rücktritt.

Nun beschäftigten sich die vatikanischen Ermittler auch mit mehreren Zahlungen nach Australien, umgerechnet insgesamt 700 000 Euro, die Becciu in Auftrag gab. Wozu diente das Geld? Der Verdacht: Becciu könnte falsche Zeugenaussagen gegen seinen Rivalen gekauft haben, damit der nie wieder in den Vatikan zurückkehre. Becciu dementiert kategorisch. Doch Pell fordert nun eine "internationale Ermittlung". So jedenfalls nennen es seine Anwälte. Den vatikanischen Ermittlern allein traut er nicht.

© SZ vom 14.10.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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