Userbriefe an Köhler:"Bitte sagen Sie uns die Wahrheit!"

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Der überraschende Rücktritt von Horst Köhler wurde in den meisten Medien kritisiert. Die Meinungen der sueddeutsche.de-Leser hingegen sind zweigeteilt: von Verständnis bis Verachtung - die Worte zum Abschied.

Dana Hoffmann

Als Horst Köhler am 31. Mai seinen Rücktritt vom Amt des Bundespräsidenten bekanntgibt, herrscht Fassungslosigkeit. Köhler, der erst voriges Jahr wiedergewählt worden war, wirft hin, nur weil eine unglückliche Formulierung in einem Interview über den deutschen Einsatz in Afghanistan auf harte Kritik gestoßen war? Er hatte nach einem Besuch der Truppe in einem Hörfunk-Interview erklärt, im Notfall sei auch "militärischer Einsatz notwendig (...), um unsere Interessen zu wahren, zum Beispiel freie Handelswege". Er sei feige, habe das Amt beschädigt und seine Person über den Posten erhoben, hieß es in den Kommentaren der nächsten Tage.

Abgehängt: Horst Köhlers Portrait wurde nach seinem Rücktritt von den Wänden in öffentlichen Gebäuden genommen. (Foto: dpa)

Diese Meinung teilen auch einige Leser von sueddeutsche.de. Ein Leser schreibt zum Abschied:

"Sehr geehrter Herr Köhler, der Respekt vor dem Amt des Bundespräsidenten beinhaltet auch den Mandatsinhaber selbst. Ihre Äußerungen haben dem Amt und dem Land geschadet. Sie selbst haben den nötigen Respekt vermissen lassen. Ihre Reaktion auf berechtigte Kritik war die Fahnenflucht vor der Verantwortung und das Heraufbeschwören einer weiteren Krise zur Unzeit."

Ein anderer Leser vermisst Bescheidenheit im Amt:

"Sie haben sich zu wichtig genommen. Die heute antiquiert erscheinende Auffassung, dass der Mensch dem Amt zu dienen hat, in das Sie übrigens niemand gedrängt hat, haben Sie auf den Kopf gestellt. Sie haben ihre sehr persönlichen Empfindsamkeiten, für die ich durchaus ein gewisses Verständnis habe, über das Amt gestellt und damit dem Amt im Gegensatz zu Ihrer Auffassung geschadet."

Kurz und knapp resümiert ein weiterer Kommentator:

"Der Verlust ist kleiner als gedacht. Wie will man auch einen Mann um seines Mutes Willen loben, den man zuletzt von hinten sah?"

Einige Leser hingegen glauben nicht daran, dass die öffentliche Kritik an Köhlers Äußerungen der einzige Auslöser für seinen Rücktritt war.

"Der wahre Grund wird ans Licht kommen, Merkel hat Köhler zur Unterschrift unter das Euro-Rettungsfonds Gesetz genötigt. Da blieb ihm nur noch der ehrenvolle Rücktritt."

Nicht alle haben solch konkrete Theorien, viele wittern jedoch mehr hinter dem Abgang als nur gekränkte Eitelkeit:

"Lieber Herr Köhler, bitte sagen Sie uns die Wahrheit: Was war der wirkliche Grund Ihres Rücktrittes? Wurden Sie unter Druck gesetzt? Wenn ja, von wem? Wenn wir das wüssten, könnten wir Sie besser verstehen. Danke für das, was Sie für Deutschland geleistet haben."

Oder einfach: "Sag die Wahrheit!"

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Für Unverständnis sorgt die beträchtliche Pension, die Horst Köhler trotz seines Rücktritts bezieht:

Horst Köhler hinterlässt nicht nur einen unbesetzten Platz, sondern auch die Frage: War die Kritik an seinen Äußerungen zum Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr der einzige Grund für seinen Rücktritt? (Foto: ddp)

"Bitte melden Sie sich in Ihrer zuständigen Arbeitsagentur, da Sie Ihren Posten gekündigt haben, erwartet Sie eine dreimonatige Sperre ihrer Bezüge. Und in einem Jahr gibt es dann Hartz IV. Dass Sie nicht mehr das höchste Amt der BRD bekleiden, sollte Sie nicht daran hindern, sich wie ein mündiger und vorbildlicher Bürger zu verhalten."

Drastischer formuliert klingt es bei einem anderen Schreiber:

"Mach Dich vom Acker und verzichte nach dem Amt bitte auch auf die Besoldung. Sonst könnte die Bevölkerung glauben, Du wolltest nur ein arbeitsfreies Einkommen."

Kopfschütteln auch beim nächsten Leser - sowohl über den Abgang des Bundespräsidenten als auch die Kanzlerin:

"Sehr geehrter Herr Köhler, wer einfach so kapituliert war auch nicht stark genug für dieses Amt. Aus dem Hut gezaubert von Frau Merkel, hatten Sie wohl ein falsches Selbstbildnis. Man läuft nicht so einfach weg bloß weil man glaubt es nicht allen Recht machen zu können. Unverständlich und peinlich."

Auch die Rolle der Koalitionsparteien bei der Auswahl Köhlers als Kandidat für das höchste Amt im Staat wird kritisiert:

"Es wäre in diesen Zeiten sehr schön gewesen, einen Deutschen an der Spitze des IWF zu haben. Kurzsichtige taktische Manöver von Frau Merkel und Herrn Westerwelle haben Sie in das Amt befördert, das nicht zu Ihrer Person passte. Vielleicht finden Sie als 'elder statesman' Ihre Bestimmung für unser Land."

Die meisten Kritiker fügen ihrer sanften Kritik wohlwollende Wünsche an:

"Sehr geehrter Herr Köhler, Sie wollten ein 'unbequemer Präsident' sein und haben in diesem Sinne auch positive Akzente zu setzen gewusst. [...] Ich denke, auch Sie waren oftmals mit uns nicht einverstanden, aber soviel Respekt hätten Sie uns gegenüber wenigstens aufbringen müssen, dass Sie Ihre letzte Amtszeit gemäß Ihrem Versprechen 'Ich möchte Deutschland dienen!' in Würde zu Ende gebracht hätten - erst recht dann, wenn's mal donnerte und blitzte! Es bleiben auch fernab der großen Politk jedoch genug Fragen offen, z.B. [...] Wer Ihnen jetzt nachfolgt? [...] Ich denke, wir werden sowohl mit dem einen als auch mit dem anderen noch unser blaues Wunder erleben. Wenigstens DAS hätten Sie uns ersparen können! Trotzdem wünsche ich Ihnen alles Gute - möge Ihr Weg leichter sein als der unsere."

Was die umstrittenen Äußerungen Köhlers angeht, die zu seinem Rücktritt geführt haben, ist der Tenor einheitlich:

"Danke für Ihren Mut, das Tabuthema Kriegsgründe anzusprechen. Schade, dass Ihnen im anschließenden Streit fast niemand den Rücken gestärkt hat - ich hätte Sie gerne weiter als meinen Präsidenten behalten. Alles Gute für Ihre Zukunft!"

Auch andere nehmen Köhler in diesem Punkt in Schutz:

"Da haben Sie einmal die Wahrheit gesagt und treten deshalb zurück! Es ist ein krankes System, in dem wir leben!"

Einige sind der Meinung, dass Horst Köhler in den vergangenen knapp sechs Jahren sein Amt insgesamt gut ausgefüllt hat:

"Von all den Politikern waren Sie mir stets der sympatischste. Und das Wichtigste: Ich habe Ihnen vertraut. Daran hat Ihr Rücktritt nichts geändert - im Gegenteil. Und weil es dem Großteil der Deutschen so ging, werden irgendwann auch Süddeutsche, Spiegel und Co. einsehen, dass Sie einer der besten Bundespräsidenten waren, die wir je hatten. Ihnen und Ihrer Frau alles Gute!"

Vielleicht war Köhler auch zu menschlich für die Aufgabe, vermutet ein Leser:

"Schade, dass ein Bundespräsident mit echtem Sachverstand dem Druck der Politik nicht stand gehalten hat. Er war eben kein abgebrühter Politprofi, sondern ein feinfühliger Ehrenmann, der seinem Gewissen entsprechend auch einmal ein Gesetz NICHT durchgewunken hat. Das hat ihm offensichtlich die Sympathie der politischen Kaste gekostet."

Bei seiner Rücktrittserklärung schienen Hörst Köhlers Augen an seinem Manuskript zu kleben, die Sätze wirkten abgelesen. Auch diese bekannte Schwachstelle wird kritisiert:

"Sehr geehrter Herr Köhler, Sie haben Deutschland so manchen Impuls gegeben, Debatten angestoßen und uns ordentlich repräsentiert. Ich finde es jedoch bedauerlich, dass gerade Sie als Finanzfachmann in diesen Krisenzeiten nur selten die richtigen Worte gefunden haben. Worte, die den Menschen ihre Verunsicherung nehmen und Mut machen. [...]. "

Aber auch hier findet sich ein Fürsprecher Köhlers: "Herr Köhler, ich bin wie Sie. Ich muss mir auch immer alles auf Zettel schreiben, sonst vergesse ich es."

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