USA:Das Wort "Erbe", ein Schlachtruf

Lesezeit: 3 min

Ein Militär-Denkmal von vielen in den Vereinigten Staaten: Das Monument des Generals Thomas Stonewall Jackson in Charleston, West Virginia. (Foto: AFP)

In den USA tobt ein Streit darüber, was zum "Heritage" des Landes zählt: Der Stolz auf die Vergangenheit ist oft nur ein Stolz der Weißen.

Kommentar von Hubert Wetzel

Wenn die Alten sterben, erben die Jungen. Ein Stück Vergangenheit wird in die Gegenwart hinübergereicht. Manchmal ist das Erbe gut, dann bereichert es die neue Generation. Manchmal ist es schlecht, es besteht nur aus Schulden, dann belastet es die Nachkommen. Und manchmal ist das Erbe vergiftet. Dann führt es zu Streit und Misstrauen und spaltet die Erben. Das passiert in Familien, es kann aber auch in Gesellschaften geschehen. Wie das aussieht, kann man in den USA beobachten.

Normalerweise sind die Amerikaner stolz auf ihre Vergangenheit, auf ihr kulturelles und politisches Erbe, auf das, was sie Heritage nennen. Sie sehen es als Kitt für eine Gesellschaft, die aus so vielen Gruppen besteht, dass sie eigentlich nicht zusammenhalten kann.

Aber sie soll zusammenhalten - "eine Nation unter Gott, unteilbar", wie es im Fahneneid heißt. Derzeit müssen die Amerikaner jedoch erleben, dass dieses Erbe nicht zwangsläufig die Gemeinsamkeit stärkt. Sondern dass es Streit und Gewalt auslösen kann.

USA
:In den USA tobt ein Kulturkrieg

Es geht um Freiheitsrechte, Geschichtsdeutung, Waffen oder sexuelle Orientierung. In Charlottesville wurde der Kampf nun auf die Straße getragen. Doch es ist nicht Trumps Kampf.

Kommentar von Stefan Kornelius

Südstaaten-Generäle: Ein "Erbe" der Weißen

Das ist so im Süden, wo nun plötzlich Denkmäler für die Generäle oder die Armee der Konföderierten abmontiert werden, die dort 50 oder gar 100 Jahre weitgehend unbeachtet gestanden haben. Bisher gehörten sie ganz selbstverständlich zu dem, was die Südstaaten als ihr kulturelles Erbe sahen. Der äußerst verlustreiche - und dazu verlorene - Krieg gegen den Norden ist ein wesentlicher Bestandteil davon, nicht weil die Leute im Süden heute noch alle Rassisten wären und der Sklaverei nachtrauern, sondern weil er ein prägender Teil der Geschichte dieser Gegend und vieler Familien ist.

In Wahrheit freilich sind diese Generäle aber eben keineswegs ein unumstrittener Teil des Erbes der Südstaaten. Das war von jeher die Sichtweise der Weißen. Für die Afroamerikaner waren die Statuen immer schon Sinnbilder einer brutalen Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung, in der Schwarze nur eine rechtlose Ware waren. Und je mehr sich diese Bewertung des gemeinsamen Erbes auch im Süden verbreitet, weil die Region sich modernisiert und öffnet, desto mehr Generäle werden von ihren Sockeln gehoben.

Für Native Americans ist die Natur mehr als eine Freizeitkulisse

Im Westen der USA gibt es eine ähnliche Auseinandersetzung darüber, was das wahre Erbe ist und wie man damit umgehen sollte. Dort streiten Rancher, deren Familien seit Generationen öffentliches Land nutzen, um dort Rinder grasen zu lassen, mit der Regierung, die immer größere Flächen zu Naturschutzgebieten erklärt. Die Viehzüchter sehen sich als Teil des American Heritage. Sie können ohne das Land nicht existieren. Und sie sind wütend, dass der Staat Felsen und Schildkröten für schützenswerter hält, als diesen Teil des kulturellen Erbes Amerikas.

Aber natürlich ist auch das nur eine bestimmte Sicht auf das gemeinsame Erbe. Viele Indianerstämme, die dort einst vertrieben wurden, unterstützen die Ausdehnung der Naturschutzgebiete. Für sie sind die Ebenen, Berge und Canyons im Westen heiliges Land. Für Zugezogene aus den Großstädten an der Küste ist das Land wiederum nur Landschaft - eine schöne Kulisse, in der sie wandern gehen. Je größer der Nationalpark, desto besser.

Rechtsgerichtete US-Amerikaner vereinnahmen den Kampfbegriff

Derartige Erbstreitigkeiten sind normal zwischen Generationen. Man kann sie aushalten, vielleicht sind sie sogar notwendig. Aber sie können gefährlich werden, wenn unredliche Politiker sie ausnutzen und als Munition für ganz andere Kämpfe verwendet, zum Beispiel um ein bisschen mit Rassismus zu taktieren. Es ist kein Zufall, dass viele, welche die Statuen im Süden behalten und die Naturparks im Westen verkleinern wollen - unterstützt von Präsident Donald Trump -, gerne den Begriff Heritage verwenden. Sie tun es nicht, weil sie an historischen Fakten interessiert wären oder Kühe mögen. Sondern weil das Wort zugleich vage und bedeutungsschwer genug ist, um viele Menschen zu mobilisieren. Es taugt als Schlachtruf. In Charlottesville hat es eine junge Frau das Leben gekostet.

Es wäre die Pflicht der Politik, diesen Streit zu dämpfen und zu moderieren, anstatt ihn wie Trump anzuheizen. Das würde dem Frieden in der Gesellschaft dienen, vor allem aber der nicht immer geradlinigen Geschichte der USA gerecht werden. Der Bürgerkrieg gehört ebenso zum Erbe Amerikas wie die Bürgerrechtsbewegung. Man kann an beides erinnern, ohne die Grenze zu verwischen, wer jeweils auf der falschen und wer auf der richtigen Seite der Geschichte gestanden hat.

In Washington hat man eine ganz gute Lösung gefunden: Auf dem Nationalfriedhof in Arlington gibt es seit 1914 ein Denkmal für die Gefallenen der Südstaaten. Von der anderen Seite des Potomac schaut seit 2011 eine Steinfigur hinüber - ein Mann mit verschränkten Armen und trotzigem Blick: Martin Luther King.

© SZ vom 28.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Debatte um Konföderierten-Denkmäler
:Robert E. Lee: Für die einen Idol, für die anderen Sklavenhalter

Der Südstaaten-General wird zum Symbol für den Umgang der USA mit der Vergangenheit: Teile der konservativen weißen Bevölkerung feiern ihn. Für Gegner ist er ein Rassist.

Von Johannes Kuhn

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: