Ihr neues Land haben die Gründer der Vereinigten Staaten vom Amerika einst auf zwei Fundamentsteinen aufgebaut. Der eine ist die Vernunft. Man findet sie in der Unabhängigkeitserklärung von 1776, ein Dokument des Verstandes und der Logik. Wie in einer juristischen Anklageschrift wird darin dargelegt, warum die Kolonien in Übersee das Recht haben, sich von der britischen Krone abzuspalten.
Der zweite Fundamentstein ist die Einhegung der Macht der einzelnen staatlichen Institutionen - Präsident, Abgeordnetenhaus, Senat und Gerichte - durch die Möglichkeit, sich gegenseitig zu blockieren. Verankert sind diese checks and balances in der Verfassung, die 1789 in Kraft trat.
Man könnte es, weniger abstrakt, so sagen: George Washington und seine Mitstreiter wollten, als sie ihre Revolution begannen, nicht nur den König in England loswerden. Sie wollten ebenso wenig zulassen, dass ein dummer Herrscher nachfolgt, der zwar vom Volk gewählt ist, aber seine Macht missbraucht, weil er glaubt, er stehe über Staat und Gesetz.
Trump denkt wie ein Sonnenkönig: Amerika bin ich
Womit man bei Donald Trump ist. Der amtierende Präsident verkörpert alles, was Amerikas Gründerväter verachteten, fürchteten - und verhindern wollten. Trump kümmert das Staatswohl nicht, er interessiert sich nur für sich. Er denkt wie ein Sonnenkönig - Amerika, das bin ich! -, nur dass er sich zu seinem Ruhm keine Schlösser bauen lässt, sondern lediglich erzählt, wie viele Bundesstaaten er gewonnen hat und wie viele Menschen bei seiner Vereidigung zugeschaut haben.
Trump wird nicht von Vernunft geleitet, sondern von Egomanie, er hat keinerlei Respekt für die Institutionen, die seiner Macht Grenzen setzen. Wenn er auf Widerstand stößt, ist er beleidigt wie ein Kind und schlägt um sich.
Das ging jetzt vier Monate so. In dieser Zeit haben die Republikaner im Kongress tapfer und mit zusammengebissenen Zähnen mitgemacht. Aber das hatte nichts mit Loyalität, Überzeugung oder Respekt zu tun, nicht einmal mit Angst, sondern nur mit purem Machtwillen. Die Republikaner wollen endlich regieren, und sie wissen, dass der Mann im Weißen Haus jedes Gesetz unterschreiben wird, das der Kongress ihm schickt. Deswegen tolerieren sie das Chaos und das Drama, das Trump verbreitet, deswegen schleppen sie sich immer wieder vor die Kameras und verteidigen einen Präsidenten, der sich, die Partei und das Land lächerlich macht.
In den vergangenen Tagen freilich ist etwas ins Rutschen und Stürzen geraten. Trumps Präsidentschaft war zuvor wie ein morscher, hohler Turm, der im Inneren bröselte, der aber von außen mit Stützbalken halbwegs aufrecht gehalten wurde. Nun beginnen diese Balken wegzubrechen.
Am Montag erfuhren die Amerikaner, dass ihr Präsident aus Naivität und Angeberei den Russen Staatsgeheimnisse erzählt hat. Tags darauf mussten sie lesen, dass Trump den FBI-Chef darum gebeten hat, Ermittlungen gegen einen engen Berater einzustellen, der ebenfalls mit den Russen verbandelt war. Der FBI-Chef weigerte sich, ein paar Wochen später warf Trump ihn raus. Und nun bietet der russische Präsident Wladimir Putin mit schelmischem Unterton seine Hilfe an und will Unterlagen zur Entlastung des US-Kollegen zur Verfügung stellen. Was ist doch gleich zwei plus zwei?
Binnen 36 Stunden wurden nicht nur die Schludrigkeit und Inkompetenz des Präsidenten öffentlich, sondern auch sein Versuch, eine laufende kriminalpolizeiliche Ermittlung abzuwürgen. Das hässliche Wort "Watergate" geistert durch Washington. Und es sind längst nicht nur Demokraten, die es in den Mund nehmen.
Nun ist Dummheit keine Straftat, und es ist nicht wahrscheinlich, dass der republikanisch beherrschte Kongress Trump wegen einer möglicherweise illegalen Bitte an den FBI-Direktor des Amtes entheben wird. Aber genauso unwahrscheinlich ist es, dass Trump den Verfall seiner Präsidentschaft noch aufhalten oder wieder umkehren kann. Denn es gibt nichts, was dieser Präsidentschaft noch Halt und Stütze geben, was die Wände des Turms am Einsturz hindern könnte. Es gibt kein politisches Programm, keine ausgearbeiteten Pläne - nur Sprüche und Gepluster.
Trump hat nicht einfach nur einen schlechten Start hingelegt, sodass er jetzt einen neuen Anlauf beginnen könnte, vielleicht mit besserem Personal. Was Amerika und die Welt bisher gesehen haben, war alles, wozu Donald Trump fähig ist.
Doch Trump bleibt Präsident der USA. Er bleibt der Mann, der die größte Militär- und Wirtschaftsmacht der Welt führt. Das aufgeklärte, kunstvoll ausbalancierte politische Gebilde, das Amerikas Revolutionäre vor fast einem Vierteljahrtausend geschaffen haben, ächzt unter dieser Last. Aber mit etwas Glück wird es den Zerstörer Trump überstehen.