Deutschland und die USA:Eine komplizierte Freundschaft

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  • Deutschland und die USA sind sich bei vielen Themen uneins.
  • Beim Antrittsbesuch von US-Außenminister Pompeo soll die schöne Kulisse an Partnerschaft und Freundschaft appellieren.
  • Von den Deutschen fordert Pompeo eine härtere Haltung gegen Iran und China.
  • Für Maas besteht die Herausforderung darin, Streit auf offener Bühne zu vermeiden, ohne Pompeo in der Sache zuzustimmen.

Von Daniel Brössler, Berlin

Heiko Maas hat einiges auf dem Zettel, aber das Wichtigste steht gar nicht drauf. "Lieber Mike", hebt er an, "herzlich willkommen zu Deinem ersten Besuch als Außenminister hier in Berlin. Wir freuen uns sehr darüber." So sehr, dass Maas Pompeo nicht im nüchternen Außenministerium am Werderschen Markt empfängt, sondern inmitten träumerischer Pracht der Villa Borsig am Tegeler See. Die nette Kulisse ist die unausgesprochene, aber gewissermaßen die wichtigste Botschaft an diesem Tag. Ein Jahr hat sich Pompeo Zeit gelassen mit seinem Antrittsbesuch. Und einen eigentlich schon vor mehr als drei Wochen angesetzten Termin hatte er kurzfristig abgesagt, weil er eine Irak-Reise wichtiger fand. Alles nicht so schlimm, soll die Kulisse nun sagen. "Der enge Draht zwischen Europa und den USA ist nicht nur in unserem gegenseitigen Interesse. Er ist auch der Ausdruck einer tief empfundenen Freundschaft", sagt Maas.

Mit dieser "tief empfundenen Freundschaft" ist es freilich kompliziert. Einen Tag vor Pompoes Besuch in Berlin ist Bundeskanzlerin Angela Merkel von der Universität Harvard mit der Ehrendoktorwürde ausgezeichnet worden. Aus diesem Anlass hat sie eine sehr grundsätzliche Rede gehalten ( siehe nebenstehenden Text). Sie hat Mut eingefordert und "Wahrhaftigkeit gegenüber anderen und - vielleicht am wichtigsten - gegenüber uns selbst". Dazu gehöre, "dass wir Lügen nicht Wahrheiten nennen und Wahrheiten nicht Lügen". Den Namen Trump erwähnte die Kanzlerin kein einziges Mal, aber dass das jubelnde Publikum in Harvard Kritik am US-Präsidenten heraushörte, war sicher nicht unbeabsichtigt. Außenpolitisch sind die letzten Jahre der Merkel-Kanzlerschaft geprägt von diesem Spagat: einerseits am Gegenentwurf zu Nationalismus und Polterei festhalten, andererseits den Schaden in den Beziehungen zum wichtigsten Verbündeten begrenzen.

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Genau darum geht es auch in der Villa Borsig, denn die Liste der Meinungsverschiedenheiten ist lang. Die USA sind verärgert, weil Deutschland bei den Verteidigungsausgaben weit entfernt ist vom Zwei-Prozent-Ziel der Nato. Sie verlangen, dass die Bundesregierung den Bau der auch in Europa sehr umstrittenen Ostsee-Pipeline Nordstream 2 stoppt, und sie sind mit Deutschland und anderen überkreuz wegen des Atomabkommens mit Iran. Trump ist aus dem Deal ausgestiegen - Deutsche, Briten, Franzosen, Russen und Chinesen wollen ihn retten.

Pompeo gilt als Hardliner, aber die zentrale Botschaft scheint beim Gast erst einmal anzukommen. Er lobt den "wunderschönen Ort", entschuldigt sich für die Verschiebung des Besuches und findet am Anfang erst einmal ein paar warme Worte über 30 Jahre Mauerfall. Dann kommt er allerdings doch schnell zur Sache mit einem Anliegen, das den Amerikanern dieser Tage noch mehr am Herzen zu liegen scheint als das deutsche Wehrbudget oder die deutsch-russische Gasröhre. Er hoffe, dass Deutschland sich gegen "chinesische Korruption und Spionage" stellen werde. Die USA erwarten von ihren Verbündeten, den chinesischen Huawei-Konzern vom Aufbau des 5G-Mobilfunknetzes auszuschließen. Überdies bekräftigt Pompeo noch einmal die US-Agenda in Sachen Iran und nennt das Land den "Terrorsponsor Nummer eins in der Welt".

Für Maas besteht die Herausforderung nun darin, Streit auf offener Bühne zu vermeiden, ohne Pompeo in der Sache zuzustimmen. "Wir sind uns einig, dass wir einen Griff Irans nach Atomwaffen verhindern müssen", sagt er. Es sei aber "auch kein Geheimnis, dass wir unterschiedliche Ansichten auf dem Weg dahin verfolgen". Er habe Pompeo dargelegt, warum aus deutscher Sicht der Nukleardeal mit Teheran die internationale Sicherheit erhöhe. Tatsächlich versucht die Bundesregierung ungeachtet eines iranischen Ultimatums immer noch, das Abkommen zu erhalten. Kürzlich entsandte Maas seinen Politischen Direktor Jens Plötner nach Teheran, um die Iraner bei der Stange zu halten. Im Zentrum der Bemühungen steht derzeit der Versuch, angesichts massiver US-Sanktionen zumindest einen kleinen wirtschaftlichen Nutzen des Abkommens für Iran zu erhalten, das bereits einen großen Teil seiner Einnahmen aus dem Ölverkauf eingebüßt hat.

Dafür soll ein Zahlungskanal namens Instex aufgebaut werden, der es ermöglichen soll, Geschäfte ohne Dollar und abseits des US-Zugriffs abzuwickeln. "Wir werden unser Bestes tun, das US-Sanktionsregime durchzusetzen", stellt Pompeo klar. Es gebe allerdings Güter wie Medikamente, die nicht mit Sanktionen belegt seien. Wenn der Handel solcher Güter über Instex abgewickelt werde, sei das "unproblematisch". Nur darum gehe es, bestätigt Maas. Doch als ganz so unproblematisch erweist sich der Aufbau von Instex bislang nicht. Unternehmen mit US-Geschäft wollen mit dem neuen Zahlungskanal jedenfalls lieber nichts zu tun haben. Ungewiss ist, ob es - wie den Iranern in Aussicht gestellt - schon in den nächsten Wochen gelingt, die ersten Geschäfte über Instex abzuwickeln.

Keine Gratulation zur Ehrendoktorwürde

Ob Deutschland denn eine Vermittlerrolle einnehmen könne, wird Maas bei der Pressekonferenz gefragt. In Sachen Iran sei man mit den USA "in außerordentlich engem Austausch", weicht der Außenminister aus. Es sei "gut, Dialog zu haben und auch zu nutzen, um gerade in einer sehr angespannten Situation in der ganzen Region möglicherweise auch dafür zu sorgen, dass Spannungen Stück für Stück abgebaut werden". Pompeo wiederum lässt einen Wunsch nach einer irgendwie gearteten deutschen Vermittlerrolle oder sonstiger Hilfe zumindest nicht erkennen. Etwas anders sieht es in Sachen Syrien aus. Dort bemühe man sich, sagt Pompeo, um eine "politische Lösung" und strebe so etwas wie eine "Pufferzone" an, die die Türkei vor Terrorangriffen, aber auch die Kurden im Norden des Irak schütze. Hier sei man an europäischer Unterstützung interessiert. Die Bundeswehr sei ja, erklärt Maas, mit Tornado-Aufklärungsflügen und Luftbetankung in Jordanien bis Oktober im Einsatz. Über alles weitere werde "zu gegebener Zeit im Bundestag zu diskutieren und auch zu entscheiden sein". In diesem Punkt jedenfalls möchte Maas, so scheint es, den USA entgegenkommen. Vor einer Verlängerung der Mission müsste er allerdings Widerstand in seiner SPD-Fraktion überwinden.

Als sich das Treffen in der Villa Borsig dann dem Ende nähert, hat sich in den wesentlichen Streitfragen wenig bewegt. Sanktionen wegen Nordstream 2 will Pompeo nicht ausschließen, und in Sachen Huawei wird er noch einmal deutlich. Es müsse sichergestellt werden, dass Datennetzwerke, in denen US-Informationen flössen, vertrauenswürdig seien und diese nicht in die Hand der Kommunistischen Partei Chinas gerieten. Wenn ein Unternehmen die Sicherheitsgarantien nicht erfülle, habe es wenig Chancen, den Zuschlag zu erhalten, sagt Maas lediglich zu.

Später hat Pompeo noch einen kurzen Termin bei Merkel. Man rede, sagt sie, im "Geiste der Partnerschaft". Pompeo lobt Deutschland als "großen, wichtigen Partner und Verbündeten". Nun gäbe es auch die Gelegenheit, Merkel vor den Kameras zum Ehrendoktor zu gratulieren. Sie verstreicht ungenutzt.

© SZ vom 01.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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