Trump:Geschichten aus einer "bösartig dysfunktionalen Familie"

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Mary L. Trump: Zu viel und nie genug, Heyne Verlag, 288 Seiten, München 2020, 22 Euro (Foto: Uncredited/dpa)

Das Buch Mary Trumps über ihren Onkel Donald ist schonungslos. Die promovierte Psychologin analysiert einen vielfältig deformierten Charakter.

Von Alan Cassidy, Washington

Zufälle gibt's: Das Buch von Mary Trump erscheint eigentlich erst nächste Woche. Doch bereits am Dienstag gelangten fast sämtliche Medien der Vereinigten Staaten in den Besitz einer Druckfahne, was sie ihre Leser mit allerlei aufgeregten Push-Meldungen wissen ließen. Den Verlag Simon & Schuster, der das Buch herausgibt, wird es besonders freuen: So viel Gratiswerbung war selten. Mary Trump ist natürlich nicht die erste Person, die über den US-Präsidenten schreibt. Aber in ihrem Fall ist der Präsident eben ihr Onkel, und die breite Resonanz erklärt sich auch dadurch, dass sie über diesen Onkel nichts Gutes zu sagen hat - ganz im Gegenteil.

Nach den seitenweisen Auszügen zeichnet Mary Trump, die einen Doktortitel in Psychologie besitzt, ein vernichtendes Bild der Trump-Familie, von der sie sich entfremdet hat. Donald Trumps Vater Fred senior bezeichnet sie darin als einen Tyrannen, der seine fünf Kinder emotional missbraucht habe: "Die Atmosphäre der Spaltung, die mein Großvater in der Familie Trump geschaffen hat, ist das Wasser, in dem Donald immer geschwommen ist." Es habe sich um eine "bösartig dysfunktionale Familie" gehandelt, in der den Geschwistern beigebracht wurde, niemals Schwächen zu zeigen und sich gegenseitig als Rivalen zu betrachten. Als Kind habe Donald seine anderen Geschwister oft mit "Grausamkeit" behandelt.

Ihrem Großvater Fred senior wirft Mary Trump sogar eine Mitschuld am frühen Tod ihres eigenen Vaters Fred junior vor. Er hatte an einer Alkoholsucht gelitten und war im Alter von nur 42 Jahren an einem Herzinfarkt verstorben. Als Fred junior ins Krankenhaus eingeliefert wurde, habe ihn niemand von der Familie begleitet. Donald Trump und seine Schwester Elizabeth seien am Tag seines Todes ins Kino gegangen, schreibt Mary Trump.

Der Präsident sei ein "Soziopath", der "nie geliebt" worden sei, schreibt Mary Trump

Die 55-Jährige, die mit ihrer Tochter in New York lebt, schätzt ihren Onkel als charakterlich ungeeignet dafür ein, als Präsident im Weißen Haus zu sitzen. Dieser sei ein "Soziopath", der "nie geliebt" worden sei, und er erfülle sämtliche Kriterien für die Diagnose einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung.

Schon als Jugendlicher habe Donald Trump überdies andere die harte Arbeit für sich machen lassen. Er habe sogar einen Bekannten dafür bezahlt, Aufnahmeprüfungen fürs College für ihn zu schreiben - eine Darstellung, die von der Familie des inzwischen verstorbenen Bekannten allerdings bestritten wird. Von Trumps Sexismus seien zudem auch Familienmitglieder betroffen gewesen. Als Donald Trump sie einmal im Badeanzug gesehen habe, habe er ihre Brüste kommentiert, schreibt Nichte Mary Trump.

Über die Wahl ihres Onkels zum Präsidenten der Vereinigten Staaten war offenbar nicht nur Mary Trump erschüttert, sondern auch dessen ältere Schwester Maryanne, die bis vor Kurzem als Richterin tätig war. Sie halte Donald für einen "Clown", der keinerlei Prinzipien habe.

Das Buch trägt den vielsagenden Titel "Zu viel und niemals genug. Wie meine Familie den gefährlichsten Mann der Welt erschuf". Donald Trump war vor Gericht gezogen, um die Veröffentlichung des Werkes zu verhindern - vergeblich.

In einer Stellungnahme wies eine Sprecherin des Weißen Hauses in Washington unterdessen die Darstellungen Mary Trumps zurück. Der Präsident habe vielmehr eine "warme Beziehung" zu seinem Vater gepflegt, und dieser sei eine liebevolle Person gewesen. Die Behauptung, dass der Präsident der Vereinigten Staaten bei einer Aufnahmeprüfung für das College betrogen habe, sei außerdem "vollkommen absurd".

© SZ vom 09.07.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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