Die Neugier der deutschen Leserinnen und Leser auf Bücher über die USA im Allgemeinen und Präsident Donald Trump im Speziellen ist ungebrochen. Das Werk von Mary Trump über ihren Onkel als "gefährlichsten Mann der Welt" führt weiter die Bestsellerliste an und stand kurz nach der Publikation in Amerika in deutscher Übersetzung in den Läden. Beim Sachbuch von Ezra Klein hat dies acht Monate gedauert, aber die Lektüre lohnt sich noch immer.
Der 36-Jährige ist ein Journalismus-Wunderkind: Er begann als linker Blogger, baute bei der Washington Post die Erklärsektion Wonkblog auf und gründete mit 29 das Medienunternehmen Vox. Seine trotz vieler Zahlen lesbare Studie über die Polarisierung der US-Gesellschaft beginnt mit einer in Europa verdrängten Tatsache: Die Präsidentschaftswahl 2016 war nichts Besonderes.
2004 stimmten 55 Prozent der Männer für die Republikaner, 2008 und 2012 waren es 52 Prozent. Wie viel bekam Trump? 52 Prozent. Trotz aller sexistischen Sprüche und der Vorwürfe, gegenüber Frauen sexuell übergriffig gewesen zu sein, votierten 41 Prozent der Frauen für Trump (und die Mehrheit der weißen Wählerinnen!).
Mitt Romney und John McCain schnitten kaum besser ab. Es zählt nicht der Glaube an den eigenen Kandidaten: Entscheidend sind die "negativen Gefühle gegenüber der Partei, die man ablehnt".
Anders war es 1950: Damals rief die "American Political Science Association" Demokraten und Republikaner dazu auf, unterscheidbarer zu werden. Die Parteien arbeiteten viel zu reibungslos zusammen, weshalb "die Wähler ratlos seien, wen sie nun eigentlich wählen sollten und warum".
Dies verblüfft angesichts der heutigen Dauerblockade, aber Klein zeichnet nach, wie "Mega-Identitäten" entstanden. Ob man zum Team der Republikaner oder der Demokraten gehört, lässt sich anhand von Religion und Rasse, Klasse, Geografie und Kultur erschreckend gut prognostizieren.
Klein bereitet meisterhaft Studien von Sozialpsychologen, Soziologen und Politologen auf, um die wachsende Polarisierung zu erklären. Er gibt gute Einblicke, wie Trump die Republikaner erobern konnte, die Richter am Supreme Court zur Trophäe wurden und welchen Einfluss Fox News hat. Kleins Ton ist unaufgeregt und er verbirgt nicht, dass er ein progressiver Großstädter ist.
Für Biden stimmen - aus Verachtung für Trump
Dass die Demokraten ausgewogenere Politik machen können, erklärt er so: Die Republikaner sind "in überwältigender Weise abhängig von weißen Wählern" und Christen. Die Demokraten hingegen sind "eine Koalition aus liberalen Weißen, Afroamerikanern, Hispanics und Asiaten". Diese werden bei der anstehenden Wahl mit riesiger Mehrheit für Joe Biden stimmen - weil sie Trump fürchten und verachten.
Der würde das Land in einer zweiten Amtszeit weiter spalten; Biden dürfte es nach einem Sieg schwer haben, die Gesellschaft wieder zu einen. Kleins Buch wird sicher nicht so schnell altern wie viele Trump-Biografien.