USA: Obama und die Gesundheitsreform:Letzte Ausfahrt Waterloo

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Zurück in der Rolle des Kandidaten: Obama kämpft für seine Gesundheitsreform. Weil die Botschaft nicht ankommt, ruht die Hoffnung nun auf der Äußerung eines Republikaners.

Michael König

Drei Wörter und maximal vier Buchstaben pro Wort: so sieht ein perfekter Slogan aus. Das meinen offenbar die PR-Strategen Barack Obamas, die nach ihrem weltweit beachteten und erfolgreichen Spruch "Yes, we can" nun versuchen, eine neue Botschaft in die Köpfe der Amerikaner zu pflanzen.

US-Präsident Barack Obama ist in Umfragen abgerutscht. Seine politischen Gegner haben seine Mittel der Mobilisierung längst kopiert. (Foto: Foto: AP)

"It is time" lautet die und bezieht sich auf die von Barack Obama angestrebte Gesundheitsreform. Das bisherige amerikanische System gilt als das teuerste der Welt, dabei nehmen 46 Millionen Einwohner daran gar nicht teil - sie kommen selbst für Ärzte und Operationen auf. Oder bleiben krank, wenn sie nicht zahlen können.

Die Demokraten doktern seit Jahren an diesem System herum, bislang erfolglos. Barack Obama hat bereits im Wahlkampf eine Reform angekündigt, sie beinhaltet staatlichen Schutz für alle Amerikaner - koste es, was es wolle.

Eine Billion Dollar hat der Präsident veranschlagt. Kritiker gehen von deutlich höheren Summen aus. Und so sind es nicht nur die oppositionellen Republikaner, sondern auch Mitglieder der Demokraten, um deren Zustimmung Obama kämpfen muss.

Dick wie Ölpipelines

Dass er kämpfen kann, hat er bewiesen. Im parteiinternen Wettbewerb um die Präsidentschaftskandidatur hat er 2008 die favorisierte Hillary Clinton ausgestochen. Den späteren Wettstreit mit John McCain gewann er, obwohl ihm Republikaner unterstellten, er stehe dem Islam nahe, unterhalte Kontakte zu Terroristen und habe keinerlei außenpolitische Erfahrung.

Fallstricke dick wie texanische Ölpipelines waren das, doch Obama überwand sie mit Eleganz. Sein Wahlkampfstil imponierte Politikern aus aller Welt - selbst im tiefsten Bayern waren plötzlich "Yes, we can"-Slogans zu lesen, und im Vorlauf auf die Bundestagswahl baute die SPD beinahe den kompletten Internetauftritt der US-Demokraten nach.

Nun also "It is time". In Youtube-Videos auf barackobama.com sind Amerikaner zu sehen, die mit verängstigter Miene von ihrer mangelnden Krankenversicherung berichten. Auch Obama selbst tritt vor die Kamera, nun wieder in der Rolle des Kandidaten, der für die gute Sache kämpft: "Wir können uns eine Politik der Verzögerung und Ablehnung nicht leisten, wenn es um Gesundheitsvorsorge geht."

Anders als im Wahlkampf ist Obama jedoch derzeit nicht in der Lage, seine Anhänger zu mobilisieren. In aktuellen Umfragen gab eine Mehrheit der Befragten an, dass die USA politisch auf dem falschen Kurs seien. Zwar sind noch 55 Prozent mit Obamas Arbeit zufrieden, doch amerikanische Medien verweisen darauf, dass George W. Bush sechs Monate nach seinem Amtsantritt 56 Prozent vorweisen konnte.

Kenner der amerikanischen Politik gehen davon aus, dass sich die "Independents", also die Wechselwähler, von dem Thema nicht fesseln lassen, ja einem Programm, dass Milliarden verschlingen wird, eher kritisch gegenüberstehen.

Auf der nächsten Seite: Mehr Zeit für Wankelmütige und eine unbedachte Äußerung.

Der Präsident spielt auf Zeit: Der ursprünglich angesagte Termin, bis Anfang der Sommerpause August ein entsprechendes Gesetz durchzubringen, wurde auf "Ende des Jahres" verschoben. Damit räumt Obama seinen Parteifreunden allerdings noch mehr Bedenkzeit ein - Zeit, die die Politiker womöglich damit verbringen, in ihrer Heimat mit kritischen Wählern zu diskutieren - und darüber selbst ins Wanken kommen.

Zugleich bekommen die Gegner des Vorhabens mehr Gelegenheit, ihre Argumente gegen den staatlichen Schutz in Stellung zu bringen. Dabei vertrauen sie auf genau die Mittel, deren Erfindung Obama zugeschrieben wird: Intensive Nutzung des World Wide Webs und virales Marketing. Die Republikaner lassen derzeit ihren Internetauftritt modernisieren, private Versicherungsunternehmen werben in Youtube-Videos für eine Reform, die äußerst moderat ausfallen müsse, um das bestehende System nicht zu gefährden.

In der Not klammert sich Obama an ein Zitat eines Senators aus South Carolina, der dem ungeliebten Thema unfreiwillig die pathetische Note verschaffen könnte, die Obama benötigt. Der Republikaner Jim DeMint hatte behauptet, der Präsident werde sein "Waterloo" erleben, "wenn wir ihn in dieser Angelegenheit stoppen können". DeMint fügte hinzu. "It will break him" - "es wird ihn zerstören".

Kurz darauf war auf der Website der Demokraten ein neues Video zu sehen, in dem Obama DeMints Worte aufgreift und reagiert: "Denken Sie mal über dieses Zitat nach! Es geht nicht um mich, es geht nicht um Politik, es geht um ein Gesundheitssystem, das Amerikas Familien zerstört."

Die Ansprache scheint ihre Wirkung nicht zu verfehlen: Bei Youtube sammeln sich unter dem Video empörte Kommentare, die den Republikanern eine "sture Haltung" vorwerfen und sich beschweren, den Präsidenten beschädigen zu wollen.

So könnte am Ende der Slogan "It will break him" dem Präsidenten die nötige Zustimmung im Volk bescheren, die er braucht, um den Kongress zu überzeugen - ein Slogan mit vier Wörtern, von denen eines mehr als vier Buchstaben hat.

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