Interview am Morgen: Impeachment:"Sie waren in der Klemme"

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Die Parteiführung der Demokraten um Nancy Pelosi, Sprecherin des Repräsentantenhauses, lehnte ein Impeachment-Verfahren lange Zeit ab. (Foto: Drew Angerer/AFP)

Die US-Demokraten um Nancy Pelosi lehnten ein Impeachment lange Zeit selbst ab. Es sei ihnen aber nichts anderes übrig geblieben, sagt der Historiker David Greenberg.

Interview von Alan Cassidy, Washington

Das US-Repräsentantenhaus wird voraussichtlich am Mittwoch über die Amtsenthebungsklage gegen Präsident Donald Trump entscheiden. In seiner eigenen Partei kann Trump auf scheinbar bedingungslose Unterstützung zählen. Trotzdem sei den Demokraten nichts anderes übrig geblieben, als mit dem Impeachment fortzufahren, sagt David Greenberg, Professor für Geschichte und Journalismus an der Rutgers University und Autor mehrerer Bücher über die US-Präsidentschaft.

SZ: Donald Trump ist der dritte US-Präsident, der vom Repräsentantenhaus formell angeklagt werden wird. Zu Recht?

David Greenberg: Trump hat den Demokraten mit seinem Verhalten in der Ukraine-Affäre ein starkes Argument für ein Impeachment geliefert. Indem der Präsident versuchte, die Intervention einer ausländischen Regierung in die Wahlen zu erzwingen, hat er das Fundament unserer Demokratie angegriffen. Aber die Abstimmung im Repräsentantenhaus ist ja nur der erste von zwei Teilen des Impeachment-Verfahrens. Niemand geht davon aus, dass Trump im Senat tatsächlich des Amtes enthoben werden wird. Die Situation erinnert an das Impeachment gegen Bill Clinton. Auch er wurde vom Repräsentantenhaus angeklagt, aber es war rasch klar, dass er sein Amt deshalb nicht verlieren würde.

Eine sinnlose Übung der Demokraten also?

Die Demokraten lehnten ein Impeachment lange Zeit selbst ab, weil sie wussten, dass sie damit politisch wohl nichts gewinnen. Doch als die Ukraine-Affäre einmal losgebrochen war, änderte sich ihr Kalkül.

David Greenberg, Autor mehrerer Bücher über die amerikanische Präsidentschaft, bescheinigt beiden Parteien heute eine „ideologische Geschlossenheit“: Es gebe für Politiker keine Anreize mehr, von der Parteilinie abzuweichen. (Foto: OH)

Warum?

Man muss die Ukraine-Affäre im Kontext der letzten Präsidentschaftswahl sehen. Schon ab Mitte 2016 wurde klar, dass Wladimir Putin daran war, sich in die Wahl einzumischen, und es war auch offensichtlich, dass er das zugunsten von Trump tat. Trump selbst rief als Kandidat Russland öffentlich dazu auf, seine Gegnerin Hillary Clinton anzugreifen. Dem damaligen Präsidenten Barack Obama war das bewusst, auch vielen in der US-Regierung war es bewusst, aber die verbreitete Haltung war: Trump wird die Wahlen ohnehin verlieren, deshalb spielt die Einmischung keine Rolle. Und bis vor Kurzem dachten die Demokraten ähnlich: Mag sein, dass Trump Dinge getan hat, die ein Impeachment verdienen. Aber 2020 wählen wir ihn einfach ab.

Diese Haltung könnten sie doch immer noch vertreten.

Die Demokraten wollten nicht nochmals nach dem gleichen Drehbuch handeln. Sie hätten verzagt und töricht ausgesehen, wenn sie jetzt nichts getan hätten. Wer zweimal auf den gleichen Trick hereinfällt, ist selber schuld. Ein anderes Vergehen hätten sie Trump wohl durchgehen lassen, nicht aber den Versuch, noch einmal eine freie und faire Wahl mit ausländischer Unterstützung zu unterlaufen. Wenn Sie während eines Spiels feststellen, dass einer die Regeln bricht, spielen Sie auch nicht einfach weiter in der Hoffnung, dass der andere dann schon verlieren wird.

Sie glauben den Demokraten also, wenn diese behaupten, sie hätten gar keine andere Wahl gehabt?

Sie waren in der Klemme. Natürlich gab es einige Demokraten, die sich schon von Anfang an ein Impeachment gegen Trump wünschten. Doch die Parteiführung um Nancy Pelosi hatte gegenüber dem linken Flügel viele Monate klargemacht, dass sie ein Impeachment ablehnt. Sie handelte erst, als es nicht mehr anders ging.

Beim Impeachment gegen Richard Nixon erreichte seine eigene Partei einen Punkt, an dem sie sich gegen den Präsidenten wandte. Das ist heute anders. Was unterscheidet die damaligen Republikaner von den heutigen?

Es gibt heute für Politiker in beiden Parteien keine Anreize mehr, von der Parteilinie abzuweichen. Unsere beiden politischen Parteien waren lange Zeit nicht so ideologisch geschlossen wie heute. Weil wir in unserem Regierungssystem keine Koalitionen kennen, übernahmen die Parteien die Funktion, ideologisch diverse Gruppen unter einem Dach zusammenzuführen. Die Demokraten hatten in ihren Reihen lange Zeit progressive Linke aus dem Norden und konservative, teils offen rassistische Politiker aus den Südstaaten. Bei den Republikanern hingegen gab es immer einen Flügel, der wirtschaftsfreundlich war, aber eine weltoffene und liberale Weltanschauung in sozialen Fragen hatte. Heute sind die Demokraten eine klar progressive Partei, die Republikaner eine klar konservative, und Grautöne innerhalb der Parteien gibt es nicht mehr viele.

Und das führt zu einem manchmal grotesken Kadavergehorsam.

Bei den Republikanern ist das derzeit sicher besonders ausgeprägt. Hätte ein eher liberaler Senator der Republikaner damals für Nixons Amtsenthebung gestimmt, hätte ihn das Unterstützung bei den republikanischen Wählern gekostet - aber er hätte sich dafür Stimmen von demokratischen Anhängern erhoffen können. Es war ja noch vor einigen Jahrzehnten üblich, dass die Wähler ihre Stimmen auf mehrere Parteien verteilten: Sie wählten vielleicht einen Demokraten zum Präsidenten, aber in den Senat schickten sie einen Republikaner, um die Machtbalance zu wahren. Das ist zuletzt deutlich zurückgegangen.

Welche Rolle spielt dabei Trump?

Trump profitiert von dieser Dynamik. Viele Republikaner im Senat mögen ihn nicht. Durch seine Persönlichkeit und seine Provokationen sorgt er eher dafür, dass diese Leute ihn weniger stark unterstützen, als sie könnten. Aber sie können es sich umgekehrt auch nicht leisten, mit ihm zu brechen. Von demokratischen Wählern zu Hause würden sie dafür nicht belohnt. Die republikanischen Wähler würden sie aber dafür bestrafen. An der konservativen Basis ist Trump nun einmal sehr beliebt.

Kann das System der Checks and B alances - der gegenseitigen Machtkontrolle - funktionieren, wenn es geprägt ist durch unbedingten Parteigehorsam?

Nicht wirklich. Am Ende von Watergate und Nixons Präsidentschaft hieß die Parole ja: Das System funktioniert. Republikaner und Demokraten hatten sich im Kongress zusammengetan, um das Richtige zu tun. Die Gerichte hatten ihre Unabhängigkeit bewiesen. Die Medien hatten eine wichtige Rolle gespielt. All diese Checks and Balances stellten sicher, dass einer wie Nixon die Macht des Präsidentenamtes nicht ungestraft missbrauchen konnte. Heute gibt es einige Anzeichen, dass das System nicht mehr so funktioniert, wie es sollte.

© SZ vom 17.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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