USA:Beispielloser Affront gegen den Präsidenten

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Zwischen Obama und dem Republikaner Boehner ist ein bizarrer Streit um den Termin einer präsidialen Ansprache ausgebrochen. Der öffentlich ausgetragene Zwist wirft ein Schlaglicht auf das angespannte politische Klima in den USA.

Reymer Klüver

Ein bizarrer Streit um eine Rede von Präsident Barack Obama vor dem US-Kongress in der kommenden Woche wirft ein Schlaglicht auf das angespannte politische Klima in den USA und auf den beginnenden Präsidentschaftswahlkampf. Obama musste die zunächst für Mittwoch geplante Rede vor beiden Häusern des Kongresses, in der er sein neues Arbeitsmarktprogramm vorstellen will, um einen Tag auf Donnerstag verlegen. Der Sprecher des Repräsentantenhauses, der Republikaner John Boehner, hatte ihn wissen lassen, dass seine Parlamentskammer am Mittwoch, dem ersten Sitzungstag nach der Sommerpause, nicht zur Verfügung stehe.

Barack Obama hat im Streit um seinen Redetermin eingelenkt. (Foto: AP)

Nach dem öffentlich ausgetragenen Disput - beide Seiten gaben ihren Briefwechsel umgehend an die Medien weiter - lenkte das Weiße Haus am Mittwochabend ein und stimmte dem neuen Redetermin zu. Einen solchen Affront des Präsidenten hat es noch nie gegeben: "Dem Büro für Senatsgeschichte ist kein Vorgang bekannt, in dem der Kongress dem Präsidenten die Erlaubnis verweigert hat, in einer gemeinsamen Sitzung beider Kammern des Kongresses zu sprechen", heißt es in einer Erklärung der Senats-Historiker.

Obama will in der Rede Vorschläge machen, wie neue Jobs geschaffen werden können, um die konstant hohe Arbeitslosenquote von 9,1 Prozent zu senken. Der Präsident sei vollkommen "auf die dringende Notwendigkeit konzentriert, Jobs und Wirtschaftswachstum zu schaffen", hieß es in einer Erklärung des Weißen Hauses. In Umfragen kommt Obama seit Wochen nur noch auf eine Zustimmungsrate von etwa 40 Prozent, vor allem aufgrund der durchwachsenen Wirtschaftsdaten. Nur ein Drittel aller Amerikaner glaubt noch, dass er das Richtige für die US-Wirtschaft tut. Mit der Rede will Obama also die Initiative zurückgewinnen - was den Republikanern alles andere als lieb sein kann. Sie hatten bereits im August kritisiert, dass eine vom Weißen Haus als Informationsreise deklarierte Bustour Obamas durch Iowa eher einer Wahlkampfreise geglichen habe.

Der beginnende Wahlkampf dürfte auch die entscheidende Rolle hinter dem Terminstreit gespielt haben. Eröffnet hatte ihn das Weiße Haus am Mittwochmittag mit einem Brief an Repräsentantenhaus-Sprecher Boehner, in dem Obama ihn bat, am kommenden Mittwochabend zur besten Sendezeit beiden Kammern "eine Reihe von parteiübergreifende Vorschlägen" zu unterbreiten, "die der Kongress sofort aufgreifen kann, "um Amerikanern wieder Arbeit zu verschaffen". Kaum versendet, erhielten die US-Medien eine Kopie des Schreibens.

Der Haken an Obamas Vorschlag war indes, dass für kommenden Mittwoch zur selben Zeit die erste ernstzunehmende Fernsehdebatte der Bewerber um die republikanische Präsidentschaftskandidatur angesetzt ist. Mit Spannung wird darin der Auftritt des texanischen Gouverneurs Rick Perry erwartet, der in den vergangenen Wochen zum Favoriten unter den Bewerbern aufgestiegen ist und zum ersten Mal an einer solchen Debatte teilnehmen wird. Dem Weißen Haus war der Terminkonflikt klar. Präsidentensprecher Jay Carney sagte, "eine Debatte von vielen" sei kein Grund dafür, eine Rede des Präsidenten zu verschieben.

Nur Stunden nach der Ankündigung des Weißen Hauses erklärte der Fernsehsender NBC, der die Debatte übertragen wird, sie würde trotz der Obama-Rede nicht verschoben werden. Am späten Nachmittag kam dann die abschlägige Antwort von Boehner auf das Gesuch des Weißen Hauses, ebenfalls sofort an die Medien weitergeleitet. Darin erwähnte er zwar die TV-Debatte mit keiner Silbe. Allgemein aber wird sie als entscheidender Grund für seine Absage gesehen.

Offiziell schrieb Boehner, dass die Abgeordneten erst anderthalb Stunden vor dem gewünschten Redetermin Obamas aus der Sommerpause zurückkehrten und so aus "logistischen" Gründen nicht genug Zeit bleibe, den Sitzungssaal des Repräsentantenhauses für die Rede Obamas vorzubereiten. Am Abend dann hisste das Weiße Haus die weiße Flagge und nahm offiziell Boehners Angebot an, die Rede um einen Tag auf Donnerstagabend zu verlegen. Aber auch da gibt es eine Terminkollision: Es ist der Eröffnungsabend der Football-Saison in den USA.

© SZ vom 02.09.2011/beu - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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