US-Präsident über gefallene Soldaten:Trump in Not

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Versucht die Vorwärtsverteidigung: Donald Trump. (Foto: REUTERS)

Die abschätzigen Bemerkungen, die Donald Trump über gefallene und verwundete Soldaten gemacht haben soll, belasten zunehmend seinen Wahlkampf. Der Präsident steht vor einem Problem.

Von Alan Cassidy, Washington

An diesem Montag ist in den USA Labor Day, der Tag der Arbeit, an dem viele Amerikaner noch ein letztes Mal an den Strand fahren, wenn sie können. Danach beginnt gefühlt der Herbst, danach beginnt traditionell auch die heiße Phase des Präsidentschaftswahlkampfs. In diesem Pandemie-Jahr allerdings ist alles etwas anders als sonst: die Reisepläne vieler Amerikaner, aber auch die Umstände, unter denen diese Wahlen stattfinden.

In North Carolina, einem der umkämpftesten Bundesstaaten, haben sie genau genommen bereits begonnen. Mehr als 600 000 Wähler erhalten dort gerade ihre Stimmzettel per Post zugeschickt, so viele wie noch nie. Fast die Hälfte aller Bundesstaaten verschicken die Unterlagen in diesem Monat. Viele Amerikaner werden ihr Kreuz also nicht erst am eigentlichen Wahltag am 3. November machen - sondern schon jetzt, in diesen Tagen.

Das ist wohl mit ein Grund für die anhaltende Aufregung über den Artikel der Zeitschrift Atlantic, in dem nachzulesen war, dass sich Donald Trump auf abschätzige Weise über gefallene und verwundete US-Soldaten geäußert haben soll: Sie seien "Verlierer" und "Trottel". Der Artikel, der sich auf vier anonyme Quellen stützt, erschien bereits am vergangenen Donnerstag, aber auch am Sonntag setzte Donald Trump seine Attacken auf den Atlantic fort. Es handle sich um ein "linksradikales Magazin", das "Fake News und Hass" verbreite, twitterte er.

Fehlende Achtung vor dem Militär: das ist exakt das, was der US-Präsident anderen vorwirft

Donald Trump hat in den vergangenen Jahren schon viele Menschen beleidigt und mit Schimpfwörtern bedacht: Einwanderer, Rivalen, Parteifreunde, Frauen, Journalisten. Die Empörung, die er damit auslöste, überstand er bisher noch immer. Doch wenn es stimmt, was der Atlantic berichtete, steht Trump vor einem Problem - weil es den Kern seiner Basis berührt. Fehlender Respekt vor dem Militär, den Soldaten und Veteranen: Das ist exakt das, was Trump seit Langem den anderen vorwirft. Zum Beispiel den Football-Spielern, die aus Protest gegen Polizeigewalt in die Knie gehen, wenn die Nationalhymne abgespielt wird. Kein Wunder also, dass Trump darin eine akute politische Gefahr sieht - und die Darstellung des Atlantic mit selbst für seine Verhältnisse ungewohnter Vehemenz bestreitet. Er bot dazu in den vergangenen Tagen ein Heer von aktuellen und früheren Mitarbeitern seiner Regierung auf, die zu Protokoll gaben, dass Trump sich niemals abschätzig über Angehörige der Streitkräfte äußern würde. Gleichzeitig bestätigten mehrere andere US-Medien zentrale Passagen des Atlantic-Artikels, gestützt auf eigene Recherchen. Dazu gehörte ausgerechnet auch Trumps Haussender Fox News, was den Präsidenten dazu trieb, die Entlassung der Pentagon-Korrespondentin des Senders zu fordern.

Ebenfalls nicht hilfreich für Trump ist der Umstand, dass einige seiner negativen Bemerkungen durchaus verbürgt sind. So bezeichnete er den verstorbenen republikanischen Senator John McCain bereits früher öffentlich als "Verlierer". Er sagte auch, dass McCain kein Kriegsheld sein könne, weil er in Gefangenschaft geraten war, und beleidigte im Wahlkampf 2016 die Familie eines gefallenen US-Soldaten - Aussagen, an die nun viele Kommentatoren lautstark erinnern. Der pensionierte Generalmajor Paul Eaton, Gründer einer Organisation von progressiven Veteranen, wandte sich in einem Video an Trump und sagte: "Sie haben zu unzähligen Gelegenheiten ihre Respektlosigkeit gegenüber dem Militär gezeigt."

All dies hat zur Folge, dass die Affäre plötzlich die Berichterstattung über den Wahlkampf beherrscht - und nicht mehr die Proteste gegen Polizeigewalt und Rassismus, die mancherorts in gewalttätige Ausschreitungen umgeschlagen sind. Dabei war es das, worüber Trump lieber reden wollte, weil er darin eine Gelegenheit sah, seinen demokratischen Gegner Joe Biden als Marionette radikaler Gruppen zu attackieren. Biden wiederum lässt seit der Erscheinung des Atlantic-Artikels keinen Tag verstreichen, ohne den Präsidenten für seine angeblichen Aussagen zu kritisieren. Sie seien "abscheulich", sagte Biden am Sonntag.

Fraglich ist, ob es Wähler gibt, die sich von all dem beeinflussen lassen. Viele konservative Kommentatoren stellten den Atlantic-Artikel in eine Reihe all der anderen medialen Angriffe, die Trump seit seinem ersten Amtstag erdulden müsse. Ändern würde sich das wohl nur, wenn eine der anonymen Quellen mit Namen an die Öffentlichkeit treten würde. Bisher ist das nicht geschehen.

© SZ vom 07.09.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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