Der nächste Versuch, Obamas Gesundheitsreform rückgängig zu machen, nimmt Formen an. Am Mittwochabend gab sich Kevin McCarthy, Mehrheitsführer der Republikaner im Repräsentantenhaus, gegenüber Reportern zuversichtlich: "Haben wir die Stimmen? Ja. Werden wir das Gesetz verabschieden? Ja."
Erst im März waren die Republikaner mit dem Versuch gescheitert, das "Obamacare" genannte Gesundheitssystem abzuschaffen - eine herbe Niederlage für US-Präsident Donald Trump, aber auch für den republikanischen Repräsentantenhaus-Sprecher Paul Ryan. Der Entwurf war hoch umstritten, einer Schätzung des unabhängigen Budgetbüros zufolge hätten in den kommenden zehn Jahren etwa 24 Millionen US-Amerikaner ihren Versicherungsschutz verloren. Zu den Verlierern hätten vor allem Geringverdiener gehört, zu den Gewinnern Amerikaner mit mehr als 200 000 US-Dollar Einkommen, die dadurch steuerlich entlastet würden.
Verschärfung eines umstrittenen Gesetzes
Damals hatte der erzkonservative "Freedom Caucus" das Gesetz blockiert, dem die Deregulierung nicht weit genug ging - und außerdem hatten moderate Republikaner die Zustimmung verweigert, weil die Vorschläge zu radikal waren. Vergangene Woche hatte das Weiße Haus die Gruppe jedoch durch Konzessionen als Unterstützer gewinnen können: Die gesetzlich festgelegten Mindestleistungen, die Bundesstaaten Versicherungsnehmern garantieren müssen, fallen ebenso weg wie die Verpflichtung für Versicherungen, Menschen mit Vorerkrankungen nicht stärker als Gesunde zur Kasse zu bitten.
Bereits am Donnerstag sollen die Abgeordneten nun über den neuen Entwurf abstimmen - viele von ihnen haben den aktuellen Entwurf jedoch noch nicht einmal gesehen. Die Republikaner dürfen nicht mehr als 22 Abweichler in ihren Reihen haben. Ab Freitag läuft erneut eine zweiwöchige Sitzungspause an.
Nur geringe Zugeständnisse an die Moderaten
In den vergangenen Tagen hatte eine Verabschiedung noch als unwahrscheinlich gegolten; am Mittwoch allerdings konnte der moderate Flügel der Republikaner acht Milliarden Dollar zusätzlich für den sogenannten "Risiko-Pool" aushandeln: In diese Gruppe fallen Zuschüsse für Menschen, die wegen Vorerkrankungen keine Versicherung erhalten.
Diese 1,6 Milliarden Dollar pro Jahr sollen auf die US-Bundesstaaten verteilt werden; Gesundheitsexperten sind sich allerdings einig, dass die zugesagte Summe viel zu gering ist. Statt mehrerer Millionen von Vorerkrankungen Betroffener könne sie nur etwa 400 000 Menschen unterstützen. Der benötigte Zuschuss wird konservativ auf mindestens 20 Milliarden US-Dollar pro Jahr geschätzt, eine Berechnung kommt sogar auf 32 Milliarden.
Wie viele US-Amerikaner ihre Gesundheitsversicherung verlieren würden, ist unklar: Die Republikaner warten mit der Abstimmung entgegen den Gepflogenheiten nicht auf die Einschätzung des Budgetbüros. Allerdings wurde der Entwurf seit der ersten Einschätzung (24 Millionen Menschen in zehn Jahren) eher verschärft.
Am Mittwochabend, so hat die Washington Post nachgezählt, hatten 20 konservative Abgeordnete zu einem "Nein" geneigt oder sich darauf festgelegt. Drei Dutzend Republikaner gelten noch als unentschlossen. Gerade die Abgeordneten aus Wahlkreisen, in denen die Demokraten strukturell eine Mehrheit haben, wollen sich nicht durch eine Zustimmung in der Zwischenwahl 2018 angreifbar machen.
Trump am Telefon
Trump versucht wie alle US-Präsidenten vor solchen Abstimmungen, in Telefonaten genügend Unentschlossene auf seine Seite zu ziehen. Die Demokraten werden geschlossen gegen den Entwurf stimmen, womöglich werden Aktivisten mit Protestaktionen und Dauer-Telefonanrufen versuchen, die Abgeordneten zu beeinflussen. Am Ende könnte es ganz knapp zu einer Verabschiedung mit ein oder zwei Stimmen Mehrheit reichen.
Selbst bei einer Mehrheit wäre das Gesetz allerdings noch lange nicht durch: Auch der Senat, in dem die moderaten Kräfte der Republikaner stärker sind, muss noch zustimmen. Die Kritiker dort haben sich bislang zurückgehalten, auch weil eine weitere Niederlage im Repräsentantenhaus verheerend wäre. Im Senat wird mit zahlreichen Änderungen gerechnet, zum Beispiel am Enddatum der Zuschüsse für die Rentenversicherung von Senioren.
Was macht der Senat?
Die Version, die der Senat verabschiedet, müsste dann wiederum von der chronisch unberechenbaren Republikaner-Fraktion im Repräsentantenhaus angenommen werden. Ein Ende dieses komplexen Änderungsprozesses wird wohl frühestens im Juli erreicht - wenn es überhaupt dazu kommt: Die Demokraten hoffen darauf, dass das Gesetz im Senat keine Mehrheit findet. Dafür genügen schon drei abweichende Republikaner.
Gesundheitsreform in den USA:Mit Risiken und Nebenwirkungen
Nirgendwo sonst brauchen Amerikaner so viel Hilfe bei der Krankenversicherung wie in West Virginia, trotzdem wollen sie Obamacare loswerden. Ein Besuch.
Damit wäre das Ende von Obamacare abgewendet; zugleich könnten die Demokraten 2018 in moderaten Bezirken jene republikanischen Abgeordneten attackieren, die für die ultrakonservativen Gesundheitspläne gestimmt haben.