- Das in Grundgesetz Artikel 10 festgelegte Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis darf nur durch Gesetze eingeschränkt werden. Ein solches Gesetz gibt es erst seit 1968: das G10-Gesetz. Darin wird den Verfassungsschutzämtern von Bund und Ländern, dem Bundesnachrichtendienst (BND) sowie dem Militärischen Abschirmdienst (MAD) erlaubt, Telekommunikation zu überwachen und Postsendungen zu öffnen. Voraussetzung dafür ist allerdings die schriftliche Genehmigung des Bundesinnenministeriums oder eines Landesinnenministeriums. Diese Aktivitäten kontrollieren Abgeordnete des Bundestages, die das Parlamentarische Kontrollgremium (PKG) sowie die G-10-Kommisson bilden.
- Gleichzeitig wurde 1968 Grundgesetz-Artikel 10 verändert: In Absatz 2 hieß es fortan (und heißt es bis heute): "Dient die Beschränkung dem Schutze der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder des Bestandes oder der Sicherung des Bundes oder eines Landes, so kann das Gesetz bestimmen, daß sie dem Betroffenen nicht mitgeteilt wird (...)". Der Rechtsweg wird zudem ausgeschlossen. Das bedeutet: Bespitzelte müssen nicht informiert werden - und haben auch keine Möglichkeit, zu klagen. Historiker Foschepoth hält diese Ergänzung für fatal: "Es gibt kein Grundrecht mehr auf Unverletzlichkeit des Post- und Fernmeldegeheimnisses", so der Forscher zu Süddeutsche.de.
- Das G-10-Gesetz von 1968 löste zwar das Vorbehaltsrecht der Alliierten von 1955 ab - an der Spähfähigkeit änderte sich aber wenig. Denn gleichzeitig schloss die Bundesregierung von Bundeskanzler Kurt Georg Kiesinger (CDU) eine geheime Verwaltungsvereinbarung, die Verfassungsschutz und BND offiziell zu Handlangern alliierter Dienste machte. Fortan lieferten die deutschen Dienste Informationen und sorgten für die Infrastruktur. Die geheime Verwaltungsvereinbarung gilt bis zum heutigen Tag. Forscher Fotschepoth fand bei seinen Recherchen ein Exemplar des Dokumentes im Archiv des Auswärtigen Amtes. Die Papiere waren verschnürt mit schwarz-rot-goldenem Band - so werden gültige Verträge archiviert. Ein Bundestagsabgeordneter fragte der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung zufolge bei der Bundesregierung nach. Die Antwort: Die Vereinbarungen seien "noch in Kraft, haben jedoch faktisch keine Bedeutung mehr", schreibt das Blatt. Seit der Wiedervereinigung 1990 hätten die Westalliierten keine solchen Ersuchen mehr gestellt (hier mehr dazu).
- In einer Verbalnote zum G-10-Gesetz bekräftigte die Bundesregierung damals den Inhalt eines Adenauer-Briefes. Der erste Kanzler hatte 1954 versichert, dass jeder alliierte Militärbefehlshaber bei einer unmittelbaren Bedrohung das Recht habe, "Schutzmaßnahmen" zu ergreifen - ein schwammiges Plazet, das den westlichen Mächten freien Handlungsspielraum signalisierte. Auf dieser Basis installierten die Vereinigten Staaten ihr Spionage-System "Echelon" bis 2004. Die Zusicherung ist bis heute nicht widerrufen oder eingeschränkt.
Regierungssprecher Seibert bestätigte nun, dass es eine "sehr lange zurückreichende Zusammenarbeit" zwischen der amerikanischen NSA und dem deutschen BND gebe. Diese laufe aber "ganz streng nach Recht und Gesetz" ab, versicherte Seibert. Ob er damit auch die geheimen Vereinbarungen aus der Zeit des Kalten Krieges meinte, ließ er offen.
Mit Material von AFP