USA:Trump soll Pence in hitzigem Telefonat als "Weichei" beschimpft haben

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Trump war offenbar nicht in der Leitung: Ein Foto bei der Anhörung zeigt, wie Pence aus seinem Versteck auf dem Kapitol-Gelände telefoniert, als der Mob im Gebäude wütete. (Foto: Drew Angerer/AP)

Vor dem Untersuchungsausschuss zum Sturm auf das Kapitol beschreiben Zeugen, wie der damalige US-Präsident Druck auf seinen Vize ausübte. Pence versteckte sich offenbar in einem Parkhaus, als der Mob wütete - und ihm gefährlich nahe kam.

Im Untersuchungsausschuss zum Angriff auf das US-Kapitol am 6. Januar 2021 haben Zeugen neue Details zu den chaotischen Stunden an jenem Tag offengelegt. Ein früherer Berater des damaligen US-Vizepräsidenten Mike Pence, Greg Jacob, beschrieb am Donnerstag in einer öffentlichen Anhörung, wie Pence sich damals trotz des Gewaltausbruches am Kongresssitz gegen den Rat seiner Sicherheitskräfte geweigert habe, das Gelände zu verlassen.

"Der Vizepräsident wollte auf keinen Fall riskieren, dass die Welt sieht, wie der Vizepräsident der Vereinigten Staaten aus dem US-Kapitol flieht", sagte Jacob, der Pence damals begleitete. Sein Chef sei entschlossen gewesen, die begonnene Zertifizierung des Präsidentschaftswahlergebnisses abzuschließen. Er habe es als "verfassungsmäßige Pflicht" gesehen, dies zu Ende zu bringen.

Greg Jacob, Berater des ehemaligen Vizepräsidenten Pence, wird von dem Sonderausschuss des Repräsentantenhauses, der den Angriff auf das Kapitol am 6. Januar 2021 untersucht, befragt. (Foto: Susan Walsh/dpa)

Pence habe daher über Stunden an einem sicheren Ort auf dem Kapitol-Gelände ausgeharrt, um von dort aus später in den Senatssaal zurückzukehren - offenbar in einem Parkhaus unter dem Besucherzentrums des Kapitols, wie die Washington Post aus der Anhörung berichtet. Die Randalierer seien dem Versteck dabei sehr nahe gekommen und gerade einmal gut zwölf Meter von Pence entfernt gewesen. Auf die Frage, ob Präsident Donald Trump zu irgendeinem Zeitpunkt bei Pence angerufen habe, um zu fragen, ob er in Sicherheit sei, sagte Jacob: "Das tat er nicht." Pence habe das "frustriert".

Mehrere Zeugen beschrieben außerdem ein hitziges Telefonat zwischen Trump und Pence am Morgen jenes Tages, bei dem der damalige Präsident mehrere Schimpfwörter benutzt habe. So habe Trump Pence als "Weichei" bezeichnet, weil dieser den Versuch verweigern wollte, das Wahlergebnis zu kippen, wie die Washington Post weiter berichtet. Trumps Tochter Ivanka sei von dem Telefonat so beunruhigt gewesen, dass sie durch die Flure des Weißen Hauses lief und ihren Unmut gegenüber mehreren Mitarbeitern zum Ausdruck brachte, wie mehrere Zeugen aussagten. So soll sie dem Stabschef berichtet haben, dass "ihr Vater gerade ein beunruhigendes Gespräch mit dem Vizepräsidenten geführt hatte".

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Anhänger Trumps hatten am 6. Januar 2021 den Parlamentssitz erstürmt. Dort war der US-Kongress zusammengekommen, um den Wahlsieg von Trumps demokratischem Herausforderer Joe Biden formal zu bestätigen. Die gewalttätige Menge wollte das verhindern. Pence leitete damals in seiner Rolle als Vizepräsident die Kongresssitzung.

Der Ausschuss zeigte erneut Videomitschnitte von vorherigen Zeugenbefragungen, in denen auch damalige Trump-Berater die Theorie abtaten, dass Pence die Wahlniederlage Trumps bei dem formalen Prozedere im Kongress noch hätte umdrehen können. Der frühere Trump-Anwalt im Weißen Haus, Eric Herschmann, etwa nannte diese Theorie "völlig verrückt". Er habe damals einem von Trumps Beratern - John Eastman, der diese Idee vorangetrieben habe - gesagt: "Bist du verrückt geworden?". Er habe Eastman auch gewarnt, dies würde "Unruhen auf den Straßen verursachen".

Kurz vor der Erstürmung des US-Kapitols hatte Trump seine Anhänger bei einer Kundgebung erneut damit aufgewiegelt, dass ihm der Wahlsieg gestohlen worden sei. Dabei hetzte er seine Unterstützer auch explizit gegen Pence auf. Diese suchten damals im Gebäude nach dem Vizepräsidenten, den sie als Verräter beschimpften und zu hängen drohten, weil er Bidens Bestätigung nicht verhinderte.

Der demokratische Vorsitzende des Untersuchungsausschusses, Bennie Thompson, würdigte Pences Haltung. "Er hat dem Druck standgehalten", sagte Thompson. "Er wusste, dass es illegal war. Er wusste, dass es falsch war." Das Land könne sich glücklich schätzen, dass der damalige Vizepräsident so mutig gewesen sei. "Dieser Mut brachte ihn in enorme Gefahr." Thompson mahnte: "Am 6. Januar kam die Demokratie einer Katastrophe gefährlich nahe."

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