UN-Tribunal in Den Haag:Richter wirft Mladic aus dem Gerichtssaal

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"Nein, nein, ich höre nicht zu": Der Anwalt des mutmaßlichen serbischen Kriegsverbrechers Ratko Mladic hatte einen Boykott der Verhandlung angekündigt. Dann erscheint dieser doch vor dem UN-Tribunal - und provoziert den Richter so sehr, dass er den Saal verlassen muss.

Vor der Anhörung war lange gerätselt worden: Kommt Mladic? Oder hält sich der serbische Ex-General und mutmaßliche Kriegsverbrecher an seine Drohung und bleibt der Anhörung vor dem Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien fern?

Bilder aus dem Gerichtssaal
:Der General und sein Richter

Viele Jahre lang fehlte von ihm jede Spur, nun musste sich Ratko Mladic, der bis zu seiner Verhaftung meistgesuchte Kriegsverbrecher Europas, erstmals den Augen der Öffentlichkeit stellen.

Mladic hatte einen Boykott angekündigt, um seiner Forderung nach freier Wahl seiner Verteidiger Nachdruck zu verleihen. Einen Antrag seines Pflichtverteidigers auf Verschiebung der Anhörung lehnten die Richter ab, zugleich aber mehr Zeit erbeten, um die Qualifikationen der von Mladic vorgeschlagenen Anwälte zu prüfen.

Der 69-jährige soll bei der Verhandlung an diesem Montag vor allem erklären, ob er sich schuldig oder nicht schuldig bekennt. In elf Anklagepunkten werfen ihm die Ermittler Völkermord, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor - vor allem wegen der Massaker in Srebrenica im Sommer 1995, sowie die jahrelange Belagerung von Sarajevo, der etwa 10.000 Einwohner zum Opfer fielen.

Dann erscheint Mladic doch. Im hellgrauen Anzug tritt der 69-Jährige vor das Tribunal - und provoziert, bevor die Sitzung richtig begonnen hat, indem er versucht, mit Zuschauern zu reden. Der niederländische Richter Alfons Orie ruft ihn zur Ordnung, aber davon lässt sich Mladic nicht einschüchtern.

Erst nach mehreren Aufforderungen nimmt er seine Schirmmütze ab, fordert dann aber, sie wieder aufsetzen zu dürfen. "Ich friere am Kopf, lassen Sie mich die Kappe wieder aufsetzen. Wenn ich friere, reagiert die Hälfte meines Körpers nicht. Sie stellen hier unmögliche Bedingungen."

Zum Auftakt der Anhörung verlangt er vom Gericht die Erlaubnis, den Gerichtssaal zu verlassen. Richter Orie weist den Antrag ab. Mladic bekommt allerdings seinen Willen: Der Richter wirft Mladic aus dem Saal, nachdem dieser die Anhörung andauernd gestört hat.

"Sie lassen mich nicht atmen"

"Nein, nein, ich höre nicht zu!" ruft Mladic, als die Punkte der Anklage vorgetragen werden sollen. Dazu, ob er auf schuldig oder nicht schuldig plädiere, will sich der mutmaßliche Kriegsverbrecher mit Verweis darauf, dass seine beantragten Verteidiger noch nicht bestätigt worden seien, nicht äußern. "Herr Orie, Sie können tun, was immer Sie wollen. Ohne meine Anwälte gibt es für mich keinen Grund, etwas entgegenzunehmen oder zu sagen", sagt er dem Richter. Dem Gericht zufolge reichte der Angeklagte nur wenige Tage vor der zweiten Anhörung eine Liste mit sieben Anwälten ein, was zu spät gewesen sei, um die Qualifikation der Verteidiger zu prüfen.

Als der serbische Ex-General den Richter mit den Worten "Sie lassen mich nicht atmen" anschreit, lässt dieser ihn vom Sicherheitspersonal abführen. "Sie wollen meine Verteidigung bestimmen, was für ein Gericht sind Sie?", ruft Mladic noch. Nach einer kurzen Unterbrechung nimmt der Richter die Anhörung wieder auf und plädiert für Mladic auf nicht schuldig, wie es dem normalen Verfahren entspricht, wenn ein Angeklagter sich zu den erhobenen Vorwürfen nicht äußert. Nach Angabe einer Gerichtssprecherin kann Mladic dies jederzeit revidieren.

Eine neue Anhörung vor Gericht muss nun laut den Regeln des UN-Tribunals in spätestens drei Monaten stattfinden.

Bereits bei seinem ersten Erscheinen vor dem Tribunal am 3. Juni hatte Mladic die Anklage als "abscheuliche Vorwürfe" sowie "ungeheuerliche Worte" bezeichnet und ein Plädoyer verweigert. Mladic folgt damit dem Beispiel seines ideologischen Mentors Radovan Karadzic. Der ebenfalls wegen des Völkermords von Srebrenica angeklagte frühere politische Führer der bosnischen Serben hatte die Vorwürfe in seinem 2009 eröffneten Prozess als "Sammlung von Lügen" bezeichnet.

© sueddeutsche.de/AFP/dpa/woja - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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