Bevor die Stadt und bevor er selbst erwacht, gibt es diesen Moment der Illusion. Die jüngsten Tweets stammen noch vom vergangenen Tag. Donald Trump schwärmt da von der "großen Ehre", den französischen Präsidenten Emmanuel Macron in New York zu haben, und ebenso von der "großen Ehre", den Ägypter Abdel Fattah al-Sisi zu begrüßen.
Trump hat auch ein Bild getwittert von der Unterzeichnung eines Freihandelsabkommens mit Südkorea und Aufnahmen von einem Anti-Drogen-Event im UN-Hauptquartier. Zwischendrin kriegen zwar die US-Demokraten ihr Fett weg, weil sie einen angeblich "wundervollen Mann" zerstören wollten, Brett Kavanaugh, seinen Kandidaten für das Oberste Gericht. Aber das ist Innenpolitik. Auf der Weltbühne der UN-Generalversammlung, so scheint es an diesem Morgen flüchtig auf, bringt Trump ein ungewohntes Stück zur Aufführung: Der Staatsmann.
Es ist kurz vor sieben, als Trump dann wieder beginnt, sein Smartphone zu füttern. "Ungeachtet solcher Anfragen habe ich nicht die Absicht, den iranischen Präsidenten Hassan Rohani zu treffen", twittert er. "Vielleicht irgendwann in der Zukunft. Ich bin sicher, dass er ein absolut liebenswerter Mann ist." Ist das Ironie? Oder ein Plan?
In seiner ersten Rede vor den Vereinten Nationen vergangenes Jahr hatte Trump den nordkoreanischen Diktator Kim Jong-un als "kleinen Raketenmann" attackiert, später begann dann eine Art politische Liebesgeschichte. An eine Wiederholung glaubt freilich kaum jemand, als Präsidenten, Minister und Diplomaten ins UN-Hauptquartier eilen. Unter ihnen ist auch Heiko Maas.
Trumps Machtprobe nicht nur mit Iran, sondern mit der Welt
Der Bundesaußenminister steht im Regen, als er gefragt wird, ob er sich denn ein Treffen Trumps mit Rohani wünsche. "In der Beziehung habe ich weder Wünsche, noch will ich sie äußern", sagt er. Wichtig sei, dass die Lage vor Ort nicht noch weiter eskaliere und Iran nicht wieder sein militärisches Atomprogramm aufnehme. "Das wollen wir nicht, das würde die ganze Region in Flammen setzen", kann Maas noch warnen, bevor ein Wolkenbruch ihn ins Trockene treibt.
Iran:Die Europäer wagen den Aufstand gegen Trump
Brüssel versucht Iran mit seiner speziellen neuen Bank zu besänftigen. Bis im Weißen Haus - möglichst schon in zwei Jahren - wieder Vernunft eingekehrt ist.
Drinnen soll gleich, als einer der ersten Redner, Trump sprechen. Klar ist bis dahin nur, dass Trumps Mission, vielleicht sogar Obsession, Iran gilt. Sein Terminkalender ist voll in diesen Tagen. Eine Ansprache hier, ein Empfang dort, und alles mit dem Ziel, Stimmung zu machen gegen die Führung in Teheran. Es ist Trumps Machtprobe nicht nur mit Iran, sondern mit der Welt. Der US-Präsident will beweisen, dass er den ihm so verhassten Atomdeal auch gegen den Widerstand engster Verbündeter in Stücke reißen kann.
In der Generaldebatte macht es Trump dann erst einmal spannend. Nach einer alten Tradition erhält der amerikanische Präsident stets nach dem Staatsoberhaupt Brasiliens das Wort. Doch als er an der Reihe ist, hat Trump offenbar noch keine Lust. Auf dem Podium gibt es Getuschel. Dann wird die Höhe des Rednerpultes verstellt. Es spreche nun erst einmal Lenín Moreno, der Präsident Ecuadors, informiert die Versammlungsleiterin das überraschte Publikum. Moreno ist Rollstuhlfahrer.
Es ist eine Kostprobe jener Selbstherrlichkeit, mit der Trump aller Welt zu verstehen gibt, was er von Regeln hält, die er nicht selbst gemacht hat. Als er dann doch das Wort ergreift, verwendet Trump viel Zeit auf ungehemmtes Eigenlob. Er sagt, seine Regierung habe "in weniger als zwei Jahren mehr erreicht als fast jede Regierung in der Geschichte unseres Landes". Da gibt es - ungewöhnlich in diesem Kreis - Lacher.
In einem Rundumschlag erteilt Trump "globaler Regierung, Kontrolle und Herrschaft" eine Absage, später kommt er auf den "schrecklichen" Atomdeal mit Teheran zu sprechen, aus dem er ausgestiegen sei, weil dieser eine "korrupte Diktatur" nur gestärkt habe. "Wir können dem weltgrößten Terror-Unterstützer nicht erlauben, die gefährlichsten Waffen des Planeten zu besitzen", sagt Trump.
Der iranischen Führung wirft Trump vor, "Chaos, Tod und Zerstörung" über seine Nachbarn gebracht zu haben. Und er fordert "alle Nationen" auf, Iran zu isolieren. Trump lässt keinen Zweifel daran, dass er dabei vor allem auf Amerikas erdrückende wirtschaftliche Macht setzt. "Wer mit Iran Geschäfte macht, wird keine Geschäfte mit den Vereinigten Staaten machen", so lautet die Parole, die er ausgegeben hat.
Europäische Unternehmen etwa stehen vor der Wahl, ihre Tätigkeiten in Iran einzustellen oder massiven Ärger in den USA zu riskieren. Anfang November wollen die USA den Druck noch einmal erhöhen. Dann sollen Ölimporte aus Iran mit Strafen belegt werden. Man gehe davon aus, die iranischen Exporte dann auf "nahe null" zu senken, gab sich Trumps Iran-Beauftragter Brian Hook vor ein paar Tagen zuversichtlich.
Das Kalkül ist angeblich, Teheran durch das Wegbrechen der wichtigsten Einnahmequelle zu Verhandlungen über einen umfassenden Vertrag zu zwingen, in dem es etwa auch um das Raketenprogramm des Landes und seine Einflussnahme in Syrien und Jemen geht. Man glaube, dass Iran "unter Druck eher geneigt ist, an den Verhandlungstisch zu kommen".
Trumps Rechnung geht erst einmal nicht auf
Wenig überraschend geht Trumps Rechnung erst einmal nicht auf. "Die USA machen keinen Hehl daraus, dass sie die Regierung, mit der sie angeblich zu verhandeln wünschen, stürzen wollen", sagt Präsident Rohani, als Trump längst nicht mehr im Saal weilt. Wenig verklausuliert zweifelt Rohani Trumps intellektuelle Fähigkeiten an und beklagt den "Wirtschaftskrieg", den dieser gegen Iran, aber auch zum Schaden anderer Länder führe.
Diese Politik sei aber zum Scheitern verurteilt, das iranische Volk werde sich nicht beugen. Der internationalen Gemeinschaft dankt Rohani für das Festhalten am Atomabkommen. Die Botschaft ist klar: Wir haben Freunde, um Trump wird es einsam.
Tatsächlich stehen die Iraner zwar unter enormem wirtschaftlichem Druck, genießen aber eine ungewohnte Situation: Während die USA sich von vielen klassischen Verbündeten isoliert haben, können die Iraner bislang auf die Unterstützung einer Front aus EU, Großbritannien, Frankreich, Deutschland, China und Russland setzen.
Einträchtig trat die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini am Montag mit dem iranischen Außenminister Mohammed Sarif vor die Kamera, um den Willen zu verkünden, das Atomabkommen "vollständig und effektiv, guten Willens und in konstruktiver Atmosphäre" umzusetzen. Gegen Trump, sollte das heißen.