Umweltpolitik:Verfahrene Lage

Lesezeit: 3 min

Eine eigene Kommission sollte Wege zur klimafreundlichen Mobilität weisen, doch weit kam sie nicht: Weil sich Industrie und Umweltschützer nicht einig wurden.

Von Markus Balser und Michael Bauchmüller, Berlin

Elektrofahrzeuge auf einer Konferenz in Leipzig: Verbindliche Quoten wird es in Deutschland vorerst nicht geben. (Foto: Jan Woitas/dpa)

Um 3.47 Uhr war der Verkehrskollaps komplett. Monatelang hatten Experten über eine klimafreundliche Mobilität gestritten, bis Ende dieses Monats sollten "Wege zur Erreichung der Klimaziele 2030" stehen. Doch nach 17 Stunden Beratung war nur noch ein dürrer Zwischenbericht übrig. Auf mehr konnte sich die Kommission nicht einigen. Weder gibt es nun viele Wege, noch eine Chance, das Klimaziel zu erreichen.

Denn worauf sich die Runde einigte, wird die derzeitige Lücke im Verkehrsbereich kaum schließen können. Rund 170 Millionen Tonnen Treibhausgase gingen zuletzt auf sein Konto, bis 2030 sollen es weniger als 98 Millionen Tonnen sein. Doch die Runde konnte sich nur auf Instrumente im Kleinen einigen: einen besseren Takt im Fernverkehr der Bahn, günstigere Tickets durch eine geringere Mehrwertsteuer, mehr Radwege und mehr regenerative Kraftstoffe im Verkehr, Oberleitungen für elektrisch betriebene Lastwagen entlang von Autobahnen. Die Bundesregierung solle ein Ziel von zehn Millionen Elektroautos bis 2030 anpeilen und prüfen, einen Preis auf Kohlendioxid einzuführen, der auch den Straßenverkehr erfasst.

Radikalere Maßnahmen scheiterten offenbar an Autoindustrie und Ministerium

Doch selbst wenn das alles umgesetzt würde, bliebe eine Lücke von 16 bis 26 Millionen Tonnen. Andere, deutlich wirksamere Maßnahmen, wie eine verbindliche Quote für Stromfahrzeuge oder Preisaufschläge beim Kauf von Spritfressern, fielen durch. Vom geplanten Bericht verabschiedeten die Teilnehmer nur die ersten drei Kapitel und eine Zusammenfassung - das Kapitel vier, das Instrumente enthalten sollte, wurde komplett gestrichen. Zwar gebe es durchaus Konzepte, mit denen sich die Lücke noch schließen ließe, heißt es in dem Bericht. "Über diese Konzepte und deren genaue Ausgestaltung besteht zum jetzigen Zeitpunkt noch keine Einigkeit." Radikalere Maßnahmen scheiterten offenbar am Widerstand von Autoindustrie und Verkehrsministerium. Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) hatte sich zuvor massiv gegen jegliche Einschnitte für Autofahrer gewehrt, etwa gegen ein Tempolimit. Mit "Denkverboten und Sabotageakten" habe Scheuer so zum Scheitern beigetragen, kritisierte Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter. "Die Konflikte, die in der Kommission zutage getreten sind, lassen sich nur politisch lösen." SPD-Fraktionsvize Sören Bartol verlangte von Scheuer, nun selbst Vorschläge vorzulegen. "Die Verantwortung wird ihm niemand abnehmen", sagte er.

Viel Zeit bleibt dafür nicht mehr. Scheuer ist auch Mitglied des sogenannten Klimakabinetts, das Vorgaben für die Einhaltung der Klimaziele erarbeiten soll. Ein entsprechendes Gesetz soll noch dieses Jahr verabschiedet werden. Allerdings ist der Weg nirgends weiter als im Verkehr: Während die klimaschädlichen Emissionen in allen anderen Bereichen der Wirtschaft seit 1990 sanken, sind sie hier zuletzt sogar wieder gewachsen. Zwar sind die Verbrennungsmotoren effizienter geworden, aber auch größer und zahlreicher. Auch der starke Zuwachs des Güterverkehrs auf der Straße spiegelt sich in der Klimabilanz.

Umweltschützer äußerten sich nach der Sitzung tief enttäuscht. Man bedauere, dass es nicht möglich gewesen sei, sich einvernehmlich auf ein konkretes und wirkungsvolles Maßnahmenpaket zu verständigen, erklärte Jens Hilgenberg, Verkehrsexperte beim Umweltverband BUND. Die Arbeitsgruppe sei mit dem nun erzielten Zwischenbericht "weit davon entfernt", ihren Auftrag zu erfüllen. Der fortschreitende Klimawandel mache wirksame und schnelle Maßnahmen zur Umsetzung des Pariser Klimaabkommens sowie der deutschen und europäischen Klimaschutzziele immer drängender.

Die Industrie dagegen reagierte entspannter. "Die Arbeitsgruppe zielt in die richtige Richtung", befand der Verband der Automobilindustrie. Statt auf Verbote und Verteuerungen müsse die Politik auf Innovationen setzen - die sich dann aber am Markt durchsetzen müssten. Auch der Industrieverband BDI sprach von einem "wichtigen Schritt nach vorne". Das gelte auch für den Vorschlag, eine Bepreisung von Kohlendioxid zu prüfen.

Diesen Vorschlag hatte unlängst auch die Kohlekommission gemacht - er läuft darauf hinaus, auch Benzin, Diesel oder Heizstoffe mit einem CO₂-Preis zu belegen. Für den Einsatz fossiler Brennstoffe in Kraftwerken und Industrie gibt es einen solchen Preis schon, er ermittelt sich über den Handel mit Emissionsrechten. Würden auf diese Weise auch Kraftstoffe an der Zapfsäule erfasst, könnte das die Spritpreise leicht steigen lassen. Beim derzeitigen Preis für Emissionsrechte würde das bei Benzin einem Aufpreis von rund fünf Cent je Liter entsprechen.

Wie es nun weitergeht, ist unklar. Der Rumpfbericht der Experten wurde kurzerhand zum "Zwischenbericht". Offiziell soll die Expertenrunde nun nach Ostern weitertagen, um doch noch zu einer Lösung zu kommen. Bei den Teilnehmern aber gibt es Zweifel, ob es dazu kommt. Möglicherweise solle die Arbeitsgruppe still und leise eingestellt werden, hieß es aus den Kreisen. "Es ist möglich, dass dies die letzte Sitzung war", sagte ein Teilnehmer.

© SZ vom 27.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: