Umwelt:Bürgerschaft stimmt neuem Klimaschutzgesetz zu

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Hamburg will bis 2045 CO2-neutral werden. Wie das gehen soll, zeigen ein neues Klimaschutzgesetz und der Klimaplan des rot-grünen Senats. In der Bürgerschaft wird darüber heftig gestritten.

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Hamburg (dpa/lno) - Die Hamburgische Bürgerschaft hat am Mittwoch mit rot-grüner Mehrheit der Novelle des Klimaschutzgesetzes und der zweiten Fortschreibung des Klimaplans in erster Lesung zugestimmt. Darin ist beschrieben, wie Hamburg den CO2-Ausstoß bis 2030 um 70 Prozent gegenüber dem Basisjahr 1990 senken und bis 2045 CO2-neutral werden will. Schon ab kommendem Jahr ist damit neben Neubauten auch für Bestandsbauten im Falle von Dachsanierungen die Installation von Solarpaneelen verpflichtend. Ab 2027 gilt sowohl für Neu- als auch Bestandsbauten eine Solargründachpflicht.

In letzter Minute hatten SPD und Grüne über einen Zusatzantrag die Solarpflicht auch für bestehende öffentliche Gebäude nachgebessert. Zudem sollen für den städtische Fuhrpark - wo möglich - nur noch CO2-freie Fahrzeuge angeschafft werden. Auch CDU und Linke hatten noch kurzfristig Zusatzanträge eingebracht.

Um den Abgeordneten mehr Zeit zu geben, sich damit auseinanderzusetzen, habe man sich mit den Fraktionen darauf verständigt, endgültig erst in zweiter Lesung in zwei Wochen über das Gesetzespaket abzustimmen, hieß es aus dem Bürgerschaftspräsidium. Ursprünglich waren erste und zweite Lesung in einer Sitzung geplant. Inkrafttreten soll das neue Gesetz am 1. Januar.

Vor der Abstimmung hatten sich Rot-Grün und Opposition in der Aktuellen Stunde einen heftigen Schlagabtausch geliefert. Während Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne) das Gesetz als beispielhaft und „gute Botschaft für die Bürgerinnen und Bürger“ bezeichnete, bemängelten Vertreter von CDU, Linke, AfD und FDP es als unzureichend und - gerade mit Blick auf die Belastungen der Bürger - intransparent. Kritik kam auch von den Umweltverbänden Nabu und BUND sowie von den Klimaaktivisten von Fridays for Future (FFF).

Die Novelle des Klimaschutzstärkungsgesetzes und die zweite Fortschreibung des Klimaplans machten deutlich: „Wir in Hamburg nehmen unsere Verantwortung wahr - für heutige und für künftige Generationen, für Hamburg und auch weltweit“, sagte SPD-Fraktionschef Dirk Kienscherf.

Rosa Domm, Klimaexpertin der Grünen, sprach von einem „weiteren Meilenstein“ rot-grüner Klimapolitik. „Mit diesem Gesetz machen wir Hamburg klimaneutral.“ Sie verwies auf das „riesige“ Potenzial der Solarenergie in Hamburg, mit der Zweidrittel des Energiebedarfs gedeckt werden könnten. „Die Dächer sind schon da.“

Stephan Gamm, energiepolitischer Sprecher der CDU, nannte die bisherige Bilanz rot-grüner Klimapolitik mit Verweis auf die immer wieder verschobene Abschaltung des Kohle-Heizkraftwerks Wedel, ein gescheitertes Aquiferspeicher-Projekt oder die nur geringe Ausstattung öffentlicher Gebäude mit Solaranlagen erbärmlich. „Nun wollen sie diese Bilanz mit dem neuen Klimaschutzgesetz aufhübschen.“ Der Senat versuche, „Erfolglosigkeit durch immer ambitioniertere Ziele“ zu überdecken. „Wer die Kosten dafür zu tragen hat, wird vollständig ausgeklammert.“

Der Klimaexperte der Linken, Stephan Jersch, warf dem Senat vor, vom im Pariser Klimaschutzabkommen festgelegten Ziel, die Erderwärmung bis zum Jahr 2100 auf 1,5 Grad zu begrenzen, abzurücken. „Wer das 1,5 Grad-Ziel aufgibt, hat die Kontrolle über seine Klimaschutzpolitik verloren“, sagte er. Das Gesetz sei in entscheidenden Punkten unbestimmt. „Wir brauchen eine transparente Darstellung aller Maßnahmen mit Kosten und Verantwortlichkeiten“.

Es sei auch unzureichend, dass die Erreichung der Klimaziele nur alle zwei Jahre evaluiert werden solle, sagte die FDP-Abgeordnete Anna von Treuenfels-Frowein. „Es ist unklar, wie wann welche Ausnahmeregelungen greifen. Es ist auch unklar, wie das alles finanziert werden soll. Klar ist allerdings, dass Rot-Grün seine selbstgesteckten Klimaziele bisher krachend verfehlt, obwohl doch angeblich so viel unternommen wird“, sagte sie.

BUND und Nabu kritisierten das neue Gesetz ebenfalls als unzureichend. Ziele seien „nichts wert, wenn die erforderlichen Maßnahmen, um diese zu erreichen, nicht umgesetzt werden“, sagte die Hambuger BUND-Vorsitzende Sabine Sommer. Für einen effektiven Klimaschutz brauche es eine klare Priorisierung von Maßnahmen, die in kurzer Zeit umsetzbar sind beziehungsweise einen großen Effekt zur Erreichung der Klimaziele haben. Zudem müssten Zwischenziele benannt und deren Einhaltung durch ein transparentes Monitoring überprüft werden.

„Zwingend erforderlich wäre gewesen, in Analogie zur Bundesebene ein jährliches CO2-Gesamtbudget mit klarer Sektor-Verantwortung aus Verkehr, Industrie oder Haushalten einzuführen“, sagte Nabu-Landesvorsitzender Malte Siegert. „Auch die dringend erforderliche Möglichkeit, bei Fehlentwicklungen mit Sofortprogrammen in den einzelnen Sektoren nachzusteuern, sucht man vergebens.“

Der Senat habe es mit dem Klimaschutzgesetz versäumt, für eine breite gesellschaftliche Unterstützung zu mobilisieren, sagte die Sprecherin von Fridays for Future (FFF), Lou Töllner. „Zwar werden einzelne Ziele sinnvoll nachgeschärft - ohne einen verbindlichen Rahmen und konkrete Pläne für die einzelnen Jahre ist die Novellierung aber klimapolitisch unzureichend.“

Fridays for Future (FFF) hatte bereits vor gut zwei Wochen eine Volksinitiative „Zukunftsentscheid“ angekündigt, um für stärkere, verbindlichere und sozial verträgliche Anstrengungen zum Klimaschutz in der Hansestadt zu sorgen. Geplant ist, Hamburg bereits bis 2040 zur klimaneutralen Stadt zu machen. Dazu soll es jährlich für die Sektoren Verkehr, Industrie, private Haushalte und Gewerbe/Handel/Dienstleistungen festgelegte CO2-Ausstoß-Obergrenzen geben. Ab Januar sollen die für die Volksinitiative nötigen 10.000 Unterschriften gesammelt werden.

© dpa-infocom, dpa:231121-99-30684/7

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