Umgang mit Randalierern:Feiern zwischen Polizisten

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Trotz einiger Personenkontrollen blieb es am Wochenende weitgehend ruhig: Polizisten am Eckensee in Stuttgart. (Foto: Christoph Schmidt/dpa)

Mit großem Aufwand haben die Behörden sichergestellt, dass es in Stuttgart zu keinen neuen Gewaltexzessen kommt. Natürlich gibt es die Partyszene aber nach wie vor - und die Frage, wie man das Problem an der Wurzel angeht.

Von Claudia Henzler, Stuttgart

Der Platz rund um den Eckensee ist tagsüber einer der idyllischsten Orte der Stuttgarter Innenstadt. Er ist Teil des Schlossgartens, eingerahmt von zwei der schönsten Gebäude, welche die Landeshauptstadt zu bieten hat: die denkmalgeschützte Staatsoper und das herrschaftliche Neue Schloss. Tagsüber lassen junge Mütter dort ihre Kinder im Gras spielen, entspannen Mitarbeiter von Landtag und Ministerien bei einer Pause. Abends aber verwandelt sich das Areal in eine Freiluft-Partyzone für Jugendliche. Sie treffen sich hier, um etwas zu erleben; für die meisten bedeutet dies, dass sie in kleinen Gruppen mit ihren Freunden abhängen, Musik hören und reichlich Alkohol trinken.

Zu späterer Stunde kommt es am Eckensee deshalb immer wieder zu Streit und Rangeleien. Dennoch steht die Politik, und vor allem die Stadt Stuttgart, noch immer recht fassungslos vor der Frage, warum sich dort am vorvergangenen Wochenende ein Funke der Gewalt entzündet hat, der zu einer mehrstündigen Orgie der Zerstörungswut und zu Angriffen auf die Polizei führte.

In der Landespolitik ist der Vorfall schnell zum Wahlkampfthema geworden. Die CDU fordert maximale Härte gegen jugendliche Straftäter, die AfD wettert gegen die Migrationspolitik der Grünen, weil sie bei vielen der Jugendlichen, die in der Krawallnacht unterwegs waren, einen Migrationshintergrund vermutet. Die Stadtpolitik warnt dagegen vor übereilten Schlüssen, bevor die Ermittlungen abgeschlossen sind. Etwa die Hälfte der jungen Stuttgarter habe einen Migrationshintergrund und sei gut integriert.

Für Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne) und das Stuttgarter Polizeipräsidium ist es am vergangenen Wochenende zunächst einmal darum gegangen zu vermeiden, dass Nachahmer in die Stadt kommen.

Tatsächlich ist es nicht zu größeren Vorfällen gekommen. Um dieses Ziel zu erreichen, wurden keine Kosten gescheut. Die Polizei hat sich auf den Freitag und auf den Samstagabend wie auf eine Großlage vorbereitet. Polizisten zeigten quantitativ Stärke, allein am Samstag waren laut Innenministerium 500 in der Innenstadt unterwegs. Polizisten und Polizistinnen patrouillierten in Sechsergruppen und hoch zu Ross durch die Fußgängerzone und zogen mehrere Male in langen Zweierreihen in den Park, wo sie einzelne Bereiche abriegelten, die Personalien der Feiernden aufnahmen und Taschen durchsuchten.

Bei Kontrollen auf dem Schlossplatz und in der Fußgängerzone nahm die Polizei am Samstag drei Männer fest, die möglicherweise an den Ausschreitungen beteiligt waren. Damit gibt es nun 33 Tatverdächtige. Elf von ihnen sitzen in Untersuchungshaft.

Dass die Polizei Stärke demonstrieren würde, war bekannt. Dennoch lag am Eckensee abends Cannabisgeruch in der Luft, kamen mehrere Hundert Jugendliche zum Feiern, viele mit Einkaufstaschen voller Wodka im Gepäck.

Kuhn kommentierte die Lage am Sonntag zufrieden, räumte aber ein: "Das war ein Kraftakt." Auf Dauer kann die enorme Polizeipräsenz keine Lösung sein, falls sich herausstellen sollte, dass es die Stadt hier mit einem grundsätzlichen Problem zu tun hat.

Der Gemeinderat hat vergangene Woche differenziert über das Thema beraten und mit kommunalpolitischer Ernsthaftigkeit die Fragen benannt, die nun geklärt werden müssen: Gibt die Stadt den Feiernden am Eckensee und am Schlossplatz zu viel Freiraum? Haben die Corona-Restriktionen die Zusammensetzung der Besucher und die Stimmung verändert? Gibt es in der Stadt eine Gruppe gewaltbereiter junger Männer, die bisher übersehen wurde? Hat die Gesellschaft allgemein ein Problem mit fehlendem Respekt vor dem Rechtsstaat?

Für die Stuttgarter Polizei gab es am Sonntag keine Entspannung. Die AfD wollte mit einer Demonstration "Solidarität mit der Polizei" zeigen. Thomas Berger, Vizepräsident des Stuttgarter Polizeipräsidiums, zeigte sich begrenzt erfreut: Dies führe dazu, "dass viele Beamte am Sonntag nicht bei ihrer Familie sind", sagte er.

© SZ vom 29.06.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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