Ukrainische Halbinsel Krim:Russlands Faustpfand am Schwarzen Meer

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Pro-russische Demonstranten in Simferopol (Foto: Arthur Shwartz/dpa)

Nach dem Umsturz in Kiew verschärfen sich auf der Halbinsel Krim die Spannungen, pro-russische Gruppen geraten mit Unterstützern der neuen Regierung aneinander. Russland heizt die Stimmung mit Drohgebärden an - es fürchtet, das Land an den Westen und die Nato zu verlieren.

Von Frank Nienhuysen

Russische Fallschirmjäger sind auf der Krim gelandet, im Osten bei Feodosia, ohne jede Vorwarnung. Kiew war empört, neun Jahre ist das jetzt her. Die orangene Revolution war damals noch frisch - und Boris Tarasjuk der neue ukrainische Außenminister; ein Mann, der sein Land in den Westen lotsen wollte, in die Nato. Für Russland war dies Grund genug, zwar nicht gleich die ganze Armee zu senden, aber doch sehr klare Botschaften.

Ein Jahr später dann dies: Die Ukraine kooperierte bei einem Nato-Manöver im Schwarzen Meer, "Sea Breeze" hieß die Übung, und als US-Marines auf der Krim unterwegs waren, wurden sie mit Steinen angegriffen. Es gab Protestkundgebungen gegen die amerikanischen Soldaten, sogar Bombendrohungen.

"Die Manöver werden die politischen und militärischen Spannungen in ganz Europa erhöhen", sagte damals der Chef des russischen Oberhauses, Sergej Mironow, der nicht einmal ein besonderer Scharfmacher ist. An diesem Mittwoch wurde jener Boris Tarasjuk in Kiew als Vizepremier nominiert, zuständig für die europäische Integration. All das spielt eine Rolle für das, was jetzt rund um die Krim geschieht.

Pachtvertrag bis 2042

Wieder hat die Ukraine eine pro-westliche Führung, diesmal aber mischen auch Nationalisten der Partei Swoboda mit. Was also wird aus der sonnigen Halbinsel Krim, auf der Russland bis zum Jahr 2042 einen Pachtvertrag für seine traditionsreiche Schwarzmeerflotte hat? Im Eilverfahren hat das Parlament in Kiew ein Gesetz gekippt, mit dem das Russische dem Ukrainischen auf der Krim als Amtssprache praktisch gleichgestellt worden war. Sogar die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit hält dies für eine ziemlich schlechte Idee, die russische Bevölkerung auf der Krim erst recht - und Moskau obendrein. Es könnte der Funke sein, den es braucht für eine Explosion.

Die Spannungen eskalieren in Sewastopol, dem Sitz der russischen Schwarzmeerflotte, auch in Jalta, vor allem aber in Simferopol, der Hauptstadt der Krim, wo Dutzende russisch sprechender, maskierter Bewaffneter in der Nacht zum Donnerstag das Parlament und den Regierungssitz stürmten. Der ukrainische Übergangspräsident Alexander Turtschinow sprach von "Verbrechern" und warnte Russland vor einer "kriegerischen Aggression". Die russische Nachrichtenagentur Interfax hingegen hielt es in ihrer Kernschlagzeile für besonders erwähnenswert, dass die Erstürmer das Parlament mit der russischen Flagge bestückten.

Am Freitagmorgen stürmte dann eine Gruppe von etwa 50 Bewaffneten den Flughafen von Simferopol. Der Nachrichtenagentur Reuters zufolge übernahmen die Männer die Kontrolle über den Flughafen, patrouillierten auf dem Gelände und stünden auch vor dem Passagier-Terminal. Der Flugbetrieb läuft aber offenbar ungehindert weiter ( aktuelle Entwicklung im Newsblog).

Der russischen Regierung kommen die Spannungen auf der zur Ukraine gehörenden Halbinsel nicht ungelegen. Denn für Moskaus Interessen ist die politische Gefechtslage dieser Tage und Wochen Besorgnis erregend. In Georgien hat der Machtwechsel von dem in Moskau verhassten Präsidenten Michail Saakaschwili hin zu einer pragmatischeren Regierung nichts von deren Wunsch eines Nato-Beitritts genommen. Schon für den nächsten Gipfel des Bündnisses im September erhofft sich Tiflis einen konkreten Beitrittstermin, zumindest aber einen weiteren Schritt dorthin. Die Zusage der Allianz für die Mitgliedschaft liegt bereits vor.

Und nun die epochale Wende in Kiew: Viktor Janukowitsch gestürzt, eine entschlossene Regierung, die ganz auf Europa setzt, auf die Europäische Union -und sicher bald auch auf die Nato. Die ukrainische Armeeführung hat selbst unter Präsident Janukowitsch bereits mit dem westlichen Bündnis kooperiert, in Afghanistan etwa, auch bei der Jagd auf Seepiraten. Moskau dürfte klar sein, dass die neue ukrainische Regierung von Premier Arsenij Jazenjuk die Nato-Frage beschleunigen wird, bis hin zu einer Mitgliedschaft. Unangenehme Aussichten sind das, jedenfalls aus Sicht des Kremls.

Die Krim, jenes 60 Jahre alte Geschenk des sowjetischen Staatschefs Nikita Chruschtschows an die ukrainische Sowjetrepublik, damals als Zeichen der "brüderlichen sozialistischen Verbundenheit" hergegeben, wäre durchaus ein geeignetes Faustpfand, um den westlichen Schwung in Kiew zu bremsen. Solange Russland deutlich macht, dass es seine Interessen an der Krim mit Nachdruck pflegt, wird die Nato vorsichtig sein mit einer allzu engen Integration. Sicher ist Moskau daran interessiert, dass die russischen Bewohner und die russische Sprache auf der Krim geschützt werden. Aber die Manöver an der Grenze zur Ukraine samt begleitender Rhetorik wirken offensichtlich auch nicht besänftigend, und sie sollen es wohl auch nicht sein.

Debatte über Abspaltung der Krim

Russland werde die Rechte seiner Landsleute auf der Krim stark und kompromisslos verteidigen, erklärte das russische Außenministerium. Woraufhin der ukrainische Interimspräsident Turtschinow vor unangemeldeten Truppenbewegungen auf der Krim warnte. Soldaten der Schwarzmeerflotte dürften sich nur in den festgelegten Zonen bewegen, andernfalls werde dies "als Aggression" gewertet.

Die Debatte über eine Abspaltung der Krim hat es immer wieder gegeben. Jetzt will das Parlament in Simferopol ein Referendum abhalten lassen über die Zukunft der Halbinsel. Derweil wird in Moskau ein Gesetz vorangetrieben, das es den Bewohnern erleichtern würde, die russische Staatsangehörigkeit zu erlangen. Der Parteichef von Gerechtes Russland, Sergej Mironow, betont, dass das Gesetz nicht nur für ethnische Russen gelten solle, sondern für alle Bewohner der Ukraine. Zumindest die Krimtataren, die einst nach Zentralasien deportiert wurden und erst seit den Achtzigerjahren wieder zurückkehrten, werden davon keinen Gebrauch machen. Sie stehen voll hinter Kiew.

© SZ vom 28.02.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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