Ukraine:Selensky muss die Interessen der Oligarchen angreifen

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Was für ein Präsident will Wolodymyr Selensky sein? (Foto: AFP)

Dank massiver Medienunterstützung eines ominösen Oligarchen gewinnt der Komiker die erste Runde der Präsidentschaftswahl. Nur Selensky selbst weiß, wie sehr er seinem Unterstützer verpflichtet ist.

Kommentar von Florian Hassel, Kiew

Der Sieg Wolodymyr Selenskys bei der ersten Runde der Präsidentschaftswahl in der Ukraine war noch deutlicher als erwartet: Gut 30 Prozent stimmten laut Wählerbefragungen für den politisch unerfahrenen Komiker, mit einem Vorsprung von gut zwölf Punkten auf Präsident Petro Poroschenko. An diesem klaren Vorsprung wird auch das noch ausstehende amtliche Ergebnis nichts mehr ändern. Und allen Umfragen zufolge wird Selensky auch in der Stichwahl am 21. April gewinnen und nächster Präsident der Ukraine - wenn nicht die Manipulationen durch den Amtsinhaber noch deutlich stärker ausfallen als an diesem Wahltag.

Denn es stehen Fragezeichen über dem zweiten Platz für Poroschenko. Er ist auch durch Manipulationen vor dem Wahltag, indirekten und mutmaßlich auch direkten Stimmenkauf durch sein Wahlkampfteam und Druck auf Beamte oder Angestellte staatlicher Unternehmen von den politischen Toten wiederauferstanden. Der Wahlbeobachterorganisation Opora zufolge haben die Manipulationen die Abstimmung zu einer der dreckigsten der an manipulierten Wahlen nicht armen Geschichte in der postkommunistischen Ukraine gemacht - und in der Summe die Dritte der Wahl, Ex-Premierministerin Julia Timoschenko, wohl deutlich benachteiligt. Wie stark, darüber wird - vielleicht - das Votum ukrainischer und internationaler Wahlbeobachter Auskunft geben.

Ukraine
:Komiker Selensky gewinnt erste Runde der Präsidentenwahl

Prognosen zufolge setzt sich der Politik-Neuling deutlich gegen Amtsinhaber Poroschenko durch. Voraussichtlich müssen beide in eine Stichwahl.

Von Florian Hassel

Poroschenko hat im Fall seines Amtsverlusts unter einem Präsidenten Selensky viel zu fürchten - etwa bisher aufgeschobene Ermittlungen der Justiz. Das Gleiche gilt für viele mit Poroschenko verbundene Oligarchen, Parlamentarier und andere Verbündete, deren Geschäfte oft alles anders als sauber sind. Das Poroschenko-Lager wird sein reichhaltiges Instrumentarium an schmutzigen Tricks vor dem 21. April noch verstärken. Insofern darf sich auch Wolodymyr Selensky frühestens dann über seinen möglichen Wahlsieg freuen.

Abermillionen Ukrainer hoffen, dass Selensky die von Korruption durchseuchte Politik der Ukraine von oben herab heilt. Das allerdings wäre selbst dann deutlich schwieriger als in seiner Rolle als Fernsehpräsident, wenn Selensky tatsächlich dazu entschlossen sein sollte. Die Ukrainer wissen wenig über ihn. Selensky, der einem echten Wahlkampf auswich und auch bei der Auskunft über sein Vermögen die angeblich vorbildliche Transparenz vermissen ließ, ist vor allem eine Kunstfigur der Hoffnung. Ob die Wahrheit der Fiktion, die er als unbestechlicher Präsident im Fernsehen verkörperte, standhält, ist unklar.

Siegt Selensky am 21. April, kommt er nur dank der massiven Medienunterstützung Ihor Kolomoiskys ins Amt, einem der ominösesten ukrainischen Oligarchen mit alles andere als lupenreiner Reputation. Wie weit Selensky dem Oligarchen tatsächlich verpflichtet ist, weiß nur er selbst. Auffällig ist, dass sich neben etlichen populistischen Ideen keine einzige im Ideenkarton Selenskys findet, die die Interessen der Oligarchen angreift: Das aber wäre eine der wichtigsten Aufgaben in Ukraine. Der mögliche neue Präsident hat zuletzt einige hoch angesehene Berater um sich geschart - ob diese freilich je einflussreiche Ämter erhalten, ist unklar. Ob Selensky, so er den Sieg aus der ersten Runde bestätigt, tatsächlich ein Präsident sein will, dem Transparenz über alles geht und einen neuen Regierungsstil begründet, ist trotz der hochgespannten Erwartungen seiner Wähler offen.

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Nach mehreren Prognosen kommt Komiker und Polit-Neuling Wolodymyr Selensky auf 30,4 Prozent der Stimmen. Am 21. April findet eine Stichwahl mit Zweitplatziertem und Amtsinhaber Petro Poroschenko statt.

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