Waffenlieferungen:Frust bei den Tauschpartnern

Lesezeit: 3 min

"Leopard"-Kampfpanzer sollen in mehrere europäische Länder geliefert werden, doch das Problem ist: Jeder Panzer, der jetzt von der Industrie an andere Nationen abgegeben wird, könnte perspektivisch der Bundeswehr fehlen. (Foto: Patrik Stollarz/AFP)

Panzer sowjetischer Bauart an die Ukraine, dafür moderne deutsche Geräte nach Osteuropa: Die Idee des Ringtauschs klang gut, aber führt jetzt doch vor allem zu Ärger.

Von Mike Szymanski, Berlin

Der Krieg in der Ukraine dauerte schon fast zwei Monate. Forderungen an Berlin, die ukrainischen Streitkräfte mit schweren Waffen zu unterstützen, wurden immer lauter. Da fand Ende April eine Idee in Regierung und Opposition viele Anhänger, die Hoffnung weckte, viele Probleme in diesen turbulenten Zeiten clever zu lösen - der sogenannte Ringtausch.

Das Konzept dahinter: Vor allem osteuropäische Partner geben ihre alten Kampf- und Schützenpanzer aus sowjetischer Produktion rasch an die Ukraine ab, damit sich das Land gegen die russische Militärübermacht zur Wehr setzen kann. Der Vorteil: Die ukrainischen Streitkräfte bekämen ihnen vertrautes Gerät und müssten nicht erst lange geschult werden. Das Versprechen des Westens, der Bundesregierung, lautete, man sorge dann dafür, dass den Partnern die Bestände an Kriegsgerät rasch aufgefüllt würden. Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) sagte damals, es gehe darum, "dass es jetzt schnell geht, dass jetzt sofort schnellstmöglich Waffen geliefert werden".

So klang das, in der Theorie. Die Praxis im Juli sieht so aus: Außer Absichtserklärungen und viel Ärger hat der Ringtausch bisher nicht allzu viel gebracht. Mit Polen gibt es sogar richtig heftigen Streit.

Alle Nachrichten im Überblick
:SZ am Morgen & Abend Newsletter

Alle Meldungen zur aktuellen Situation in der Ukraine und weltweit - im SZ am Morgen und SZ am Abend. Unser Nachrichten-Newsletter bringt Sie zweimal täglich auf den neuesten Stand. Hier kostenlos anmelden.

Das Nachbarland hat die Ukraine bereits mit der Lieferung von weit mehr als 200 Panzern aus sowjetischer Produktion unterstützt. Das Angebot aus Deutschland umfasste 20 Kampfpanzer vom Typ Leopard 2A4, einer älteren Variante. Nach Angaben des polnischen Verteidigungsministers Mariusz Błaszczak wären sie erst in zwölf Monaten einsatzfähig. Sein Urteil: zu wenige, zu spät. Mindestens 44 Panzer bräuchten die Polen, um damit ein Panzerbataillon ausstatten zu können, sagte der Minister dem polnischen Nachrichtenportal wPolityce.pl. "Sicherlich gibt es Geschenke, die man nur mit großer Vorsicht annehmen sollte." Zuvor hatte Vizeaußenminister Szymon Szynkowski vel Sęk im Spiegel von einem "Täuschungsmanöver" Deutschlands gesprochen.

Ist das Ringtausch-Verfahren überhaupt sinnvoll? Manche haben daran Zweifel

Außenministerin Annalena Baerbock (Die Grünen) räumte im Gespräch mit Bild ein, dass nicht alles so laufe wie geplant: "Von Anfang an war klar, dass wir natürlich nicht von heute auf morgen mit einem Fingerschnips jeden einzelnen Panzer ersetzen können", sagte sie. Die Polen setzen jetzt wohl auf die USA, von kommendem Jahr an sollen sie 116 gebrauchte Abrams-Panzer bekommen, teilte der Verteidigungsminister mit.

Frust gibt es auch in Slowenien. Ursprünglich wollte Deutschland dessen Bestände im Ringtausch mit in Deutschland ausgemusterten Schützenpanzern vom Typ Marder und Fuchs-Radpanzern auffüllen. Aber das Gerät ist Slowenien zu alt, sie wollen moderne Transportfahrzeuge vom Typ Boxer, Leopard-2-Kampfpanzer und modernste Puma-Schützenpanzer. Der Stand der Verhandlungen: kein Fortschritt.

Nach Auskunft der Regierung liefen weiter Gespräche mit Griechenland über die Lieferung von Marder-Schützenpanzern. Beschlossen ist der Deal noch nicht. Einzig erfolgversprechend sieht bislang ein Geschäft mit Tschechien aus, da geht es um 15 Leoparden in der Variante 2A4, vollzogen ist aber auch das noch nicht.

Warum sich Deutschland so schwertut? Die Bundeswehr braucht selbst modernes Gerät - und mehr davon. Zum Ende des Kalten Krieges verfügte Deutschland über 2000 Leopard- 2-Kampfpanzer. Danach wurde konsequent abgerüstet, es sollten nur noch 225 davon bleiben. Mit der Annexion der Krim änderte die Politik den Kurs und holte etwa 100 Panzer von der Industrie zurück, die auf den neuesten Konstruktionsstand gebracht werden sollten. Die Auslieferung hat begonnen.

Jeder Panzer, der jetzt von der Industrie an andere Nationen abgegeben wird, könnte perspektivisch der Bundeswehr fehlen. Bis 2025 will Deutschland eine komplette Heeresdivision mit etwa 15 000 Soldaten aufstellen und diese komplett ausrüsten. Und neue Panzer zu bauen dauert schon allein deshalb Jahre, weil es Lieferengpässe etwa bei den Kanonenrohren gibt.

Lambrecht hatte versprochen, die Bundeswehr nicht weiter zu schwächen. Auf der anderen Seite stehen enttäuschte Erwartungen bei den Partnern, die der Ukraine schon mit Waffen geholfen haben. Deutschland verspiele "leider sämtliches Vertrauen", kritisiert der CDU-Sicherheitspolitiker Roderich Kiesewetter.

Auch im Ampelbündnis unter Führung von Kanzler Olaf Scholz (SPD) schwindet der Rückhalt für das Ringtauschverfahren. "Da ist der Wurm drin", sagte die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) der SZ. "Ich habe Zweifel, ob das Ringtauschverfahren noch das richtige ist, auch wenn im Einzelfall eine Einigung möglich erscheint." Robin Wagener, Außen- und Verteidigungspolitiker der Grünen, der gerade erst in Kiew politische Gespräche geführt hat, sieht das ähnlich. Ringtausch sei eine sinnvolle Idee, "wenn er denn zur zügigen Lieferung des notwendigen Materials führt". Derzeit scheine dies noch nicht vollständig zu funktionieren.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusWaffenlieferungen
:"Wir brauchen jedes Geschütz"

Deutschland liefert der Ukraine sieben "Panzerhaubitzen 2000". Wann die Waffen dort ankommen, ist unklar. Beim Ringtausch mit anderen osteuropäischen Ländern geht es vor allem um die Frage, was Deutschland als Ausgleich anbietet.

Von Daniel Brössler, Paul-Anton Krüger und Mike Szymanski

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: