Ukraine-Krieg:In der Ampel rumort es

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Polen erwartet für die Lieferung von Kriegsgerät an die Ukraine im "Ringtausch" moderne Panzer aus Deutschland - wie dem Kampfpanzer "Leopard 2". (Foto: Patrik Stollarz/AFP)

Olaf Scholz will, dass Deutschland bei der Lieferung von Panzern in die Ukraine nicht vorprescht. Der Widerstand in der FDP gegen diese Position wächst. Wie verhalten sich die Grünen?

Von Mike Szymanski, Berlin

Im Ampelbündnis rumort es wegen Deutschlands zurückhaltender Position bei Panzerlieferungen an die Ukraine. Nachdem das SPD-geführte Verteidigungsministerium zuletzt Absprachen innerhalb der Nato als Grund dafür angeführt hat, dass Deutschland weder Schützenpanzer noch Kampfpanzer aus deutscher Produktion zur Unterstützung der Ukraine liefert, zeigt sich der Koalitionspartner FDP irritiert. "Wir brauchen dringend Aufklärung. Sollte es eine Abstimmung unter Nato-Partnern geben, keine westlichen Schützen- und Kampfpanzer zu liefern, möchte ich wissen, wer genau die getroffen hat und warum und in welcher Form diese Abmachung festgehalten wurde", sagte Alexander Müller, verteidigungspolitischer Sprecher der FDP-Fraktion der Süddeutschen Zeitung. "Mir wäre ein solches Agreement neu."

Aus seiner Sicht wäre es ein Fehler, so vorzugehen. "Deutschland hat Flakpanzer und Panzerhaubitzen zugesagt, da machen Schützen- und Kampfpanzer keinen Unterschied mehr." Es herrsche "Intransparenz" bei den Entscheidungen der Bundesregierung, beklagte Müller.

Bislang habe kein Nato-Partner Kampf- oder Schützenpanzer westlicher Bauart geliefert

Auslöser war ein Fernsehstatement der Parlamentarischen Staatssekretärin im Verteidigungsministerium, Siemtje Möller. Die SPD-Politikerin hatte im ZDF erklärt, es sei innerhalb der Nato festgehalten, "dass keine Schützen- oder Kampfpanzer westlichen Modells geliefert werden". Auf SZ-Nachfrage konkretisierte das Verteidigungsministerium die Aussage, es ginge nicht um einen "formalen Beschluss der Nato, sondern um die Beschreibung der aktuellen Praxis". Die Partner träfen ihre Entscheidungen über Waffenlieferungen national, "stimmten sie aber in den verschiedenen Foren ab".

Kanzler Olaf Scholz hat als Grundprinzip vorgegeben, dass Deutschland bei Waffenlieferungen "nicht vorpreschen, sondern sich im Geleitzug der Verbündeten bewegen" werde. Nach Angaben des Verteidigungsministeriums habe bislang kein Nato-Partner Kampf- oder Schützenpanzer westlicher Bauart an die Ukraine geliefert. Den gelieferten amerikanischen Mannschaftstransporter M113 zählt das Ministerium nicht zu dieser Kategorie.

Besonders in der FDP wächst der Widerstand gegen diese Position. Der Verteidigungspolitiker Marcus Faber, der in der Vergangenheit durch harsche Angriffe auf Kanzler Scholz aufgefallen war und nach interner Kritik deshalb seinen Sprecherposten abgab, schrieb am Donnerstag auf Twitter, auch viele Ukrainer seien am Feiertag im Grünen, "eingegraben in ihren Stellungen". "Zum Herrentag wünschen sie sich keinen Bollerwagen, sondern einen Panzer."

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Auch bei den Grünen mischt sich der Wunsch, mehr für die Ukraine zu tun, mit einer gewissen Ungeduld: "Es ist richtig, in enger Abstimmung mit unseren Verbündeten vorzugehen", sagte Fraktionsvize Agnieszka Brugger der SZ: "Die Ukraine braucht gerade wirklich jede militärische Hilfe, und wir müssen uns jeden Tag fragen, wie wir unsere Unterstützung beschleunigen und ausweiten können."

Waffenlieferungen sind einziges Thema der Sondersitzung im Verteidigungsausschuss

Nächste Woche Mittwoch kommt der Verteidigungsausschuss zu einer Sondersitzung zusammen. Einziger Tagesordnungspunkt: Die Lage in der Ukraine und der Stand bei den Waffenlieferungen. Henning Otte, Verteidigungsexperte der CDU, sieht die Regierung unter Erklärungsdruck. Bei den Waffenlieferungen müsse "endlich mit offenen Karten gespielt" werden. "Die Öffentlichkeit ist verunsichert, Verbünde sind zunehmend irritiert", sagte er. Er wünscht sich, dass die Chefin des Wehrressorts persönlich erscheint. "Ich erwarte, dass die zuständige Ministerin, Christine Lambrecht, in der nächsten Sitzung des Verteidigungsausschusses für Aufklärung sorgt und darlegt, welche Absprachen und Zusagen innerhalb der Nato getroffen wurden." CSU-Kollege Florian Hahn warnte, Deutschland laufe Gefahr, für eine Niederlage der Ukraine die Verantwortung zu tragen.

Probleme gibt es auch beim sogenannten "Ringtausch". Mit Partnerländern, die der Ukraine Waffen aus sowjetischer Produktion überließen, müssten klare Absprachen für Ersatz getroffen werden, sagte die FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann. "Es darf nicht sein, dass am Ende des Krieges die Welt Deutschland als Land empfindet, das nichts auf die Kette gekriegt hat, weil man nicht in der Lage war, zu organisieren und zu kommunizieren". Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses reagierte auf scharfe Kritik aus Polen, wo es offenkundig die Erwartung gibt, für Waffenlieferungen an die Ukraine umgehend modernes Militärgerät wie den Kampfpanzer Leopard 2 aus Deutschland zu bekommen, von dem in der neusten Ausführung A7V der Bundeswehr selbst bislang nur einige Dutzend Exemplare zur Verfügung stehen. Sie erneuerte am Donnerstag ihre Forderung, im Kanzleramt einen Koordinator für Waffenlieferungen einzusetzen.

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