Krieg in der Ukraine:Warnung vor Luftangriffen in der Ostukraine

Lesezeit: 3 min

Frisch verheiratet: Ein Paar posiert für ein Hochzeitsfoto in einem zerstörten Einkaufs- und Bürokomplex in Charkiw. (Foto: Sergey Bobok/AFP)

Ukrainische Truppen drängen letzte russische Einheiten aus dem Norden und Nordwesten des Landes zurück. Mariupol am Asowschen Meer aber wird weiterhin beschossen.

Von Andrea Bachstein, München

"Wahllos und willkürlich" werde das belagerte Mariupol weiterhin angegriffen, das teilte der britische Militärgeheimdienst am Montag mit. Noch immer sind in der gemarterten Stadt am Asowschen Meer um die 100 000 Menschen ohne Versorgung gefangen. Die russischen Truppen griffen weiterhin Orte in der Nähe Mariupols an, um die Stadt ganz einzunehmen, heißt es von ukrainischer Seite. Um im Süden taktische Vorteile zu erreichen, gruppiere Russland zudem seine Truppen dort um, teilte das Verteidigungsministerium in Kiew mit. Es gebe Anzeichen dafür, dass die Angreifer Treibstoff lagerten und Krankenhäuser bereitmachten, während sie eine neue Offensive vorbereiteten.

Neben Mariupol im Süden war es wie schon in den vergangenen Tagen der Osten der Ukraine, wo vor allem gekämpft wurde. Dort, in der Region Luhansk, liegt auch die 100 000-Einwohnerstadt Severodonetsk. In diese versuchen die russischen Einheiten nach ukrainischen Angaben vorzustoßen - demnach bisher vergeblich. Und in den Osten, das bestätigen die britischen Quellen, würden auch die Soldaten hin verlegt, die aus dem Nordwesten des Landes einschließlich der Hauptstadt Kiew und der Stadt Tschernihiw zurückgezogen werden. Es handelt sich dabei nach Schätzung des US-Verteidigungsministeriums um etwa zwei Drittel der russischen Truppen. Die übrigen Soldaten seien weiter vor der ukrainischen Hauptstadt in Stellung, sagte ein hoher Pentagon-Vertreter am Montag. Es sei offen, ob und wann diese ebenfalls Richtung Norden abziehen würden. Auch in der Region Sumy im Norden der Ukraine sind nach Angaben des dortigen Gouverneurs keine Städte oder Dörfer mehr in der Hand russischer Truppen. Die russischen Soldaten hätten sich weitgehend zurückgezogen und im großen Stil Ausrüstung zurückgelassen, sagt Dmytro Schywyzki im ukrainischen Fernsehen. Eigene Truppen versuchten, auch die verbliebenen russischen Einheiten zu vertreiben.

Während im Norden und Nordwesten viele Ortschaften offenbar wieder unter Kontrolle der Armee der Ukraine stehen, seien Sirenen zur Warnung vor russischen Angriffen aus der Luft überall in den Städten der Ostukraine am Morgen zu hören gewesen, berichteten die Agenturen. Die Truppen der Ukraine bereiteten sich auf einen massiven Angriff der Truppen Russlands im Osten vor.

Unter den dorthin verlegten Einheiten, darauf hat der britische Militärgeheimdienst am Montag nicht zum ersten Mal hingewiesen, befänden sich Kämpfer der berüchtigten Privatarmee "Gruppe Wagner". Diese rechtsradikale Söldner-Truppe fiel zuerst im Tschetschenien-Krieg auf, sie war aber auch beispielsweise in Libyen auf Seiten des regierungsfeindlichen Generals Haftar im Einsatz und in Syrien für das Regime Baschar al-Assads. Seit der Krim-Annexion im Jahr 2014 soll sie bereits in der ukrainischen Donbass-Region präsent sein.

Die Söldner werden auch in Verbindung mit Gewalt gegen Zivilisten in Mali gebracht

Auch wenn Moskau offiziell nichts mit der Privatarmee zu tun haben will, gilt ihr Eigentümer doch als enger Weggefährte des Kremlherrn: der Oligarch Jewgeni Wiktorowitsch Prigoschin, der gerne als Putins Koch tituliert wird. Der zum Oligarchen gewordene Gastronomie-Unternehmer führt unter anderem ein Restaurant im Kreml. Und er stellt seine Söldner überall da zur Verfügung, wo Russland mitmischen, aber nicht unbedingt offiziell auftreten will, und dort, wo es besonders schmutzig zugeht. Seit dem vergangenen Jahr ist die Wagner-Gruppe auch in Mali tätig. Seither gibt es immer häufiger Berichte, dass malische Soldaten besonders brutal gegen Zivilisten vorgehen, dies wurde darauf zurückgeführt, dass Wagner-Kämpfer an solchen Einsätzen teilnahmen.

SZ PlusKrieg in der Ukraine
:Ein neues, bescheideneres Kriegsziel für Russland?

Aussagen aus Politik und Militär deuten darauf hin, dass Putins Truppen nicht mehr versuchen, das ganze Land zu erobern, sondern sich auf die "Befreiung" des Donbass konzentrieren.

Von Florian Hassel

Ihren Namen Gruppe Wagner hat sie von ihrem Gründer, dem als Neonazi geltenden Dmitri Utkin, der sich als Kämpfernamen "Wagner" wählte, was sich auf Richard Wagner bezieht, weil Adolf Hitler den Komponisten verehrte. Den Wagner-Söldnern werden Folter, gezielte Tötungen und andere schwere Menschenrechtsverstöße vorgeworfen. Die EU und die USA haben Sanktionen gegen die Truppe verhängt.

Wie bereits am Wochenende wurde die Schwarzmeer-Hafenstadt Odessa in der Nacht und am frühen Montagmorgen wieder attackiert. Das hat die Regionalverwaltung der Millionenstadt mitgeteilt. Es handelt sich dabei offenbar um Iskander-Raketen, die von der von Russland annektierten Halbinsel Krim abgefeuert werden. Würden die russischen Truppen Odessa einschließen oder einnehmen, hätten sie den gesamten Südteil der Ukraine in ihrer Hand, dem Land bliebe kein Zugang mehr zum Schwarzen Meer mit allen Konsequenzen auch für die Exportfähigkeit der Ukraine.

Dass es Nachschubprobleme, unerfahrene Kämpfer, schlechte Kommunikation und vor allem auch der ukrainische Widerstand sind, die die Invasoren zu Lande nur mit Mühe vorankommen lässt, ist mittlerweile bekannt. Die britischen Militär-Geheimdienstexperten haben einen weiteren Grund identifiziert: Russlands Truppen seien unfähig, Luftverteidigungssysteme zu finden und zu zerstören. Dies habe ihre Bemühungen, eine umfassende Kontrolle über die Luft zu erlangen, ernsthaft behindert. Das habe dann wiederum ihre Fähigkeit vermindert, den Vormarsch ihrer Bodentruppen an einer Reihe von Fronten zu unterstützen.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Profil
:Jewgenij Prigoschin

Dem "Koch Putins" heizt nun die Europäische Union ein.

Von Silke Bigalke

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: