14 Monate nach russischer Invasion:Ukraine bereitet neue Offensive vor

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An der Außenmauer des zentralen St.-Michaelsklosters in Kiew legt Stoltenberg am Vormittag einen Kranz nieder und gedenkt der gefallenen ukrainischen Soldaten. (Foto: Gleb Garanich/Reuters)

Nato-Generalsekretär Stoltenberg reist nach Kiew und sagt weitere Unterstützung des Bündnisses zu. Präsident Selenskij kündigt an, zusätzliche Truppen in die "schwierigsten Gebiete" zu verlegen.

Von Cathrin Kahlweit, Wien

Die ukrainische Armee bereitet nach Angaben von Präsident Wolodimir Selenskij neue Truppen für den Fronteinsatz und die geplante Frühjahrsoffensive vor. Selenskij war am Mittwoch zu einem Kurzbesuch im Dreiländereck der Ukraine, Belarus und Polen gewesen und hatte Truppen besucht, die dort trainiert werden. In seiner abendlichen Videoansprache sagte er später, zwar hätten auch zuvor schon Soldaten aus diesen Einheiten an der Front gekämpft, nun aber sollten zusätzliche Truppen in die "schwierigsten Gebiete" verlegt werden.

Am Donnerstag traf dann Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg in der Ukraine ein; es ist sein erster Besuch in Kiew seit Beginn des russischen Angriffskriegs. Stoltenberg gilt als vehementer Befürworter von Waffenlieferungen an die Ukraine und sicherte dem Land die Hilfe des Militärbündnisses "so lange wie nötig" zu. "Der Ukraine steht ein Platz in der Nato zu", sagte Stoltenberg am Donnerstag bei einer Pressekonferenz mit Selenskij. Der bedankte sich für Stoltenbergs Einladung zum nächsten Nato-Gipfel nach Litauen. "Für die Staatsführer ist die Zeit gekommen, die Perspektive eines Nato-Beitritts für die Ukraine zu bestimmen", sagte Selenkij.

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Der Kreml reagierte umgehend: Ziel des von Russland weiterhin als militärische Spezialoperation bezeichneten Kriegs sei es zu verhindern, dass die Ukraine jemals Mitglied der Nato werde. Dies würde eine "ernsthafte, erhebliche Gefahr für die Sicherheit unseres Landes darstellen", sagte Kreml-Sprecher Dmitrij Peskow am Donnerstag in einer Konferenzschaltung mit Journalisten.

Hintergrund beider Kurzbesuche dürften unter anderem die schwierige militärische Lage im Donbass und die nach wie vor anhaltenden Kämpfe rund um Bachmut sein, bei denen nicht nur die russische, sondern auch die ukrainische Armee hohe Verluste hinnehmen musste. Die ukrainische Regierung beharrt zwar darauf, dass seit Kriegsbeginn etwa zehnmal so viele russische Soldaten gefallen seien wie ukrainische. Gleichwohl gibt es nach ukrainischen Medienberichten starke Mobilisierungs- und auch Nachschubprobleme, Munition und Ersatzteile drohen auszugehen.

Gleichwohl teilte das Verteidigungsministerium in Kiew am Donnerstag mit, von Deutschland bereitgestellte Patriot-Luftabwehrbatterien seien in der Ukraine eingetroffen und die Lieferung weiterer Kampfpanzer aus den Niederlanden und Dänemark angekündigt worden. Zudem hätten "neue, komplexe Maßnahmen" für die Gegenoffensive im Osten des Landes begonnen. Vizeverteidigungsministerin Hanna Maliar sagte laut Kyiv Independent, sie könne keine Zahlen oder Orte nennen, aber "der Plan ist jetzt so vollendet und beschlossen, dass der Feind nicht reagieren kann".

In einem Interview mit der SZ räumte dazu der ukrainische Sonderbotschafter für Informationspolitik, Oleksander Scherba, ein, beide Seiten sagten, sie hätten ihr Ziel in den vergangenen Wochen erreicht, "indem dem Gegner große Verluste zugefügt" worden seien. "Aber wenn das die russische Offensive gewesen sein soll, so war sie fruchtlos. Die Russen sind in mehreren Monaten nur ein paar Hundert Meter vorangekommen. Jetzt schauen wir mal, was die Ukraine zustande bringen kann."

Scherba kritisierte mit Blick auf fortgesetzte Angriffe auf zivile Ziele in der Ukraine und den Terror in den besetzten Gebieten, dass "einem Teil der neuen Friedensbewegung im Westen" nicht das "Ende des Tötens" am Herzen liege. Ihr Ziel sei, mit Bildern des Tötens nicht mehr "in den Abendnachrichten konfrontiert zu sein". Denn das Töten der Ukrainer werde weitergehen: in Folterkammern und Arbeitslagern, "deren Schaffung in der russischen Presse aktiv diskutiert und gefordert wird".

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